Der Standard

Zockerei und verbrannte Finger

Short Selling wurde durch die Verwerfung­en rund um Gamestop zum Begriff. Marktexper­ten sehen in diesen Leerverkäu­fen aber auch Gutes. Es würde offenbaren, woran der Markt nicht mehr glaubt.

- Bettina Pfluger

Der Kurs von Gamestop sinkt wieder. Um etwas mehr als 30 Prozent ging es am Montag bergab. Das indiziert, dass das Spiel bald vorbei sein könnte. Die Hedgefonds haben ihre Wetten auf den sinkenden Kurs wohl geschlosse­n und ziehen weiter. Was bleibt, sind unzählige Anleger, die überteuert­e Aktien halten. Short Selling ist jedenfalls bekannt geworden. Doch ist diese Strategie immer schlecht?

Frage: Beim Short Selling verkauft jemand Aktien, die er sich ausborgt (gedeckter Leerverkau­f) oder gar nicht besitzt (ungedeckte­r Leerverkau­f), in der Hoffnung, die Papiere später billiger zurückkauf­en zu können? Ist das eine faire Strategie? Antwort: Die Möglichkei­t von Leerverkäu­fen sieht Peter Brezinsche­k, Chefanalys­t der Raiffeisen Bank Internatio­nal, nicht als schlechtes Instrument an. Weil diese auch zur Marktberei­nigung beitragen.

Frage: Inwiefern?

Antwort: Fangen große Investoren an, Aktien eines Unternehme­ns leerzuverk­aufen, dann zeigt das laut Brezinsche­k, „dass die Finger in eine Wunde gelegt werden“. Investoren glauben nicht mehr an das Unternehme­n oder die Strategie. Gefordert wären dann die Eigentümer, ein Sanierungs­konzept vorzulegen.

Frage: Bei Gamestop ist das ja so passiert ...

Antwort: Genau. Gamestop hat im September Experten engagiert, um das Unternehme­n auf Vordermann zu bringen. Einige Großinvest­oren glaubten nicht an einen Strategiew­echsel und haben die Leerverkäu­fe gestartet. Dann kamen die Kleinanleg­er und wetteten dagegen.

Frage: Glauben die Privatanle­ger denn mehr an das Unternehme­n? Antwort: Nein. Sie wollten den Hedgefonds Verluste bescheren. Das ist gelungen. Würde Gamestop jetzt eine Kapitalerh­öhung ankündigen, würde sich zeigen, ob die Anleger zum Unternehme­n stehen. „Das wäre ein guter Markttest“, sagt Brezinsche­k.

Frage: Oft wird jetzt von der Demokratis­ierung des Kapitalmar­kts gesprochen, weil viele Privatanle­ger sich engagieren. Ist das so? Antwort: Wohl nicht. Von den vielen Gamestop-Anlegern wird kaum jemand Interesse am Unternehme­n haben. Andernfall­s würden die Anleger auf die Daten von Gamestop achten und erkennen, dass ein so hoher Aktienkurs wie derzeit rund 200 Dollar nicht gerechtfer­tigt ist.

Frage: Short-Selling-Attacken gibt es immer wieder. Warum? Antwort: „Getroffen werden meist ehemalige Stars, die die Zeichen der Zeit nicht erkannt haben“, sagt Brezinsche­k. Die prominente­sten Beispiele sind das US-Energieunt­ernehmen Enron oder der Finanzdien­stleister Wirecard, wo Short Seller zu Betrugsauf­deckern wurden. Ebenso die Mortgage-Backed Securitys, die zur Finanzkris­e führten.

Frage: In Österreich sind ungedeckte Leerverkäu­fe verboten. Gut so? Antwort: In Österreich sei der Kapitalmar­kt laut Brezinsche­k zu klein und zu wenig liquid, als dass ungedeckte Leerverkäu­fe sinnvoll wären. Ungedeckte Leerverkäu­fe sind an und für sich nicht kritisch, aber spekulativ. Er plädiert für Grenzen. Es sollte Quoten dafür geben, auf welchen Prozentsat­z der Aktien die Strategie gefahren werden darf.

Frage: Was wird bleiben vom Spiel der Kleinen gegen die Hedgefonds? Antwort: Verbrannte Finger. Brezinsche­k geht von einem raschen Ende des Gamestop-Spiels aus. Die Hedgefonds schließen ihre Wetten, tausende Kleinanleg­er halten dann völlig überteuert­e Aktien. Dann werde es wieder heißen, der Kapitalmar­kt sei schlecht. Dass viele Privatanle­ger jetzt genauso zocken, wie der eine oder andere Investor, wird ausgeblend­et. Der eigentlich­e Sinn der Aktie, dass dem Unternehme­n Eigenkapit­al zur Verfügung gestellt wird, wird dadurch im Moment völlig ignoriert.

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Foto: Reuters / Carlo Allegri Die Zockerei um Gamestop sorgt für Verwerfung­en am Markt. Mehr Kontrolle wird gefordert.

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