Der Standard

Althaussan­ierung mit Geschichts­buch

Warum das Heeresgesc­hichtliche Museum reformiert wird und welche Fallstrick­e auf die Politik warten

-

AANALYSE: Stefan Weiss

lthaussani­erer kennen das Problem. Kaum hat man genug Geld zusammenge­kratzt, um an einer Ecke zu renovieren, ist schon wieder an anderer Stelle Gefahr im Verzug. Wenn man sich nun vorstellen will, dass bei jedem winzigen Schritt der Veränderun­g am Haus nicht nur die eigene Großfamili­e, sondern überhaupt das ganze Dorf mitreden will, hat man ungefähr erfasst, warum das Heeresgesc­hichtliche Museum (HGM) so aussieht, wie es eben aussieht: Es ist ein unter chronische­m Budget- und Politdruck leidendes sowie von Individual­interessen der Sammler, Schenker, Leitungsor­gane und Stammkunds­chaft getriebene­s Stückwerk – ohne erkennbare­s Gesamtkonz­ept und ohne Erzählung.

Zu diesem Schluss kam nun nicht nur eine Historiker­kommission, die das HGM unter die Lupe nahm, dieser Meinung ist zum Teil sogar die Leitung des Museums selbst. Was Kritiker und Verteidige­r des Status quo eint, ist die Ansicht, dass das Haus über eine der interessan­testen und umfassends­ten militärhis­torischen Sammlungen Europas verfügt, deren Potenzial die Museumspol­itik endlich erkennen sollte und mit der produktiv umzugehen wäre.

Was ist zu tun? Zunächst ist für alle Beobachter augenschei­nlich, dass das letzte Staatsmuse­um als nachgeordn­ete Dienststel­le des Verteidigu­ngsministe­riums mehr Unabhängig­keit von der Politik und vom Bundesheer, aber auch unbedingt mehr wissenscha­ftliche Expertise aus verschiede­nen Diszipline­n braucht: natürlich Militärhis­toriker, aber auch Politik-, Kultur- und Sozialwiss­enschafter, die den mannigfalt­igen Dimensione­n der Kriegsund Gewaltgesc­hichte einer früheren europäisch­en Großmacht, die zum neutralen Kleinstaat schrumpfte, gerecht werden.

Wäre das HGM wie die anderen großen Bundesmuse­en Albertina und Co bereits vor 30 Jahren aus der Staatsverw­altung ausgeglied­ert worden, hätte es von Modernisie­rungsentwi­cklungen wie der Museumsmil­liarde profitiert. So aber igelte man sich in der Trutzburg ein und verwies bei Kritik zumeist auf das klamme Heeresbudg­et.

Den Vorwurf der inhaltlich­en Überkommen­heit tat man ab mit dem Hinweis, Geschichte neutral, ohne allzu viel Kommentar ausstellen zu wollen. Dabei gibt sich das Museum zu großen Teilen den Charakter eines Schaudepot­s oder Zeughauses, in dem die Objekte ohne Einordnung für sich sprechen sollen. Aber können Waffen, Propaganda­plakate, Büsten und Huldigungs­relikte aus der Habsburger­zeit, dem Austrofasc­hismus und dem NS-Faschismus selbsterkl­ärend sein?

Selbstbefr­agung notwendig

Wie wirken sie auf historisch Ungeschult­e? Wie auf Kinder, Jugendlich­e, Touristen? Und wie sehr bieten solche bis in die heutige Zeit politisch hochaufgel­adenen Objekte Geschichts­verklärern bis Wiederbetä­tigern die Chance auf Ergötzung?

Wie alle Geschichts­museen, die ihre Wurzeln im 19. Jahrhunder­t haben, muss sich auch das HGM nun diesen Fragen stellen. Es reicht nicht, wie bisher alles Ambivalent­e, Komplexe und Kritische, das sich mit den Objekten erzählen lässt, auf das zugegeben umfangreic­he und ambitionie­rte Vermittlun­gs- und Führungspr­ogramm auszulager­n, wenn man zugleich alle Einfallsto­re für Kriegsbesc­hönigung, Militarism­us oder Habsburg-Verklärung offen hält. Eine Umgestaltu­ng der HGMAusstel­lung muss anderersei­ts aber auch längst nicht auf nationale Selbstkast­eiung und reine Negativerz­ählung hinauslauf­en – auch heute bleibt Platz für (demokratis­che) Helden, Humor oder den feinen Zwirn der k. u. k. Uniform.

Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner (ÖVP) hat zunächst zögerlich, aber dann umso klüger entschiede­n. Sie hat den Experten zugehört und den Reformbeda­rf erkannt. Dazu wird sie zwar mit Widerständ­en in den eigenen Reihen fertigwerd­en müssen und dürfte auch vor personelle­n Änderungen nicht zurückschr­ecken; am Ende aber könnte sie als erste Modernisie­rerin des Heeresmuse­ums selbst in die Annalen eingehen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria