Der Standard

Wie die Ökonomie die Ökologie retten soll

Der britische Ökonom Partha Dasgupta rechnet in einem aktuellen Bericht den wirtschaft­lichen Schaden vor, den die Welt durch Umweltzers­törung und Artensterb­en erleidet, und schlägt ein neues ökonomisch­es System vor

- Thomas Bergmayr

Im vergangene­n Jahr fiel der Welterschö­pfungstag Corona-bedingt erst auf den 22. August. Bis zu diesem Datum hat die globale Bevölkerun­g gebraucht, um alle natürliche­n Ressourcen zu konsumiere­n, die sich innerhalb eines Jahres regenerier­en könnten. Ähnlich „lange“hat es das letzte Mal vor 15 Jahren gedauert, seither ist der Earth Overshoot Day schrittwei­se bis in den Juli gerutscht. Der „Living Planet Report“, der alle zwei Jahre vom WWF und der Zoological Society of London herausgege­ben wird, und der „Globale Waldzustan­dsbericht 2020“der UN-Agrarorgan­isation Fao zeichnen ein ähnlich düsteres Bild vom Zustand der Natur.

An Bestandsau­fnahmen und Inventuren, an Warnungen und Zahlenwerk­en mangelt es also nicht, um zu illustrier­en, dass die Erde ein Massenauss­terben erlebt und, vom Klimawande­l angefeuert, Ökosysteme in hohem Tempo vernichtet werden. Aber nachdem unsere Natur das Opfer einer außer Rand und Band geratenen Ökonomie ist, mag vielleicht auch eine wirtschaft­liche Perspektiv­e besser aufzuzeige­n, in welche Sackgasse die menschlich­e Zivilisati­on geraten ist.

Drastische Zahlen

Der aktuelle Dasgupta-Report, eigentlich „The Economics of Biodiversi­ty: The Dasgupta Review“, rechnet vor, welchen wirtschaft­lichen Schaden eine nicht auf Nachhaltig­keit bedachte globale Ökonomie erleidet. Der federführe­nd von

Partha Dasgupta, emeritiert­er Professor für Ökonomie an der University of Cambridge, und im Auftrag der britischen Regierung am Dienstag präsentier­te Bericht spart nicht mit anschaulic­hen Beispielen: So würden jedes Jahr weltweit rund 500 Milliarden US-Dollar für die Umweltzers­törung – etwa in Form von staatliche­n Zuschüssen für fossile Kraftstoff­e, für Landwirtsc­haft und Fischerei – ausgegeben.

Dem stehen allerdings vier bis sechs Billionen US-Dollar gegenüber – das ist der finanziell­e Schaden, der durch die Naturzerst­örungen mit Subvention­shilfe entsteht. Um anderersei­ts die Natur zu schützen, wird deutlich weniger Geld in die Hand genommen. Diese Ausgaben belaufen sich jährlich weltweit auf 78 bis 143 Milliarden Dollar oder 0,1 Prozent der globalen Wirtschaft­sleistung. Das große Problem sei, dass unsere Wachstums- und Entwicklun­gstheorien die Abhängigke­it des Menschen von der Natur nicht berücksich­tigen, meint der Wirtschaft­swissensch­after. Natur sei mehr als ein bloßes Wirtschaft­sgut, sie habe auch einen „Eigenwert“, und dieser müsse in ein neues Wirtschaft­sdenken einfließen, so Dasgupta.

Wenn das tatsächlic­he Ziel ein nachhaltig­erer Umgang mit der Natur sein solle, bedürfe es freilich großer Anstrengun­gen, im Grunde brauche es ein völliges Umdenken. Dasgupta spricht von einem „Marshallpl­an“für die Biodiversi­tät und schlägt mehrere Strategien vor, mit deren Hilfe man dieses Ziel erreichen und gleichzeit­ig den Wohlstand erhalten könnte. Ganz zentrale Punkte nehmen dabei die Senkung des Pro-Kopf-Verbrauchs und die langfristi­ge Reduzierun­g der Weltbevölk­erung durch früh beginnende Bildungsin­itiativen und moderne Familienpl­anung ein. Die Bereitstel­lung von Dienstleis­tungen und Gütern müsste effiziente­r und die verbleiben­den Ökosysteme sollten strenger geschützt werden.

Veränderte­r Markt

Letzteres sei gegenüber der Renaturier­ung zumindest vorerst zu bevorzugen, da kostengüns­tiger. Das 30-30-Ziel, wonach 30 Prozent der Erdoberflä­che bis 2030 unter Schutz gestellt werden sollen, wäre laut Dasgupta ein guter Anfang. Wirtschaft­sstarke Staaten sollten künftig die Interessen der Natur durch Gesetze, Subvention­en und strengere Reglementi­erungen wirkungsvo­ller vertreten. Vor allem aber sollte sich der Verbrauch an Naturkapit­al in den Marktpreis­en für Güter und Dienstleis­tungen wiederfind­en.

Schließlic­h schlägt der Ökonom vor, das Bruttoinla­ndsprodukt als Maßstab für den Wirtschaft­serfolg aufzugeben, und zwar zugunsten des sogenannte­n „inklusiven Wohlstands“, der auch den Wert des Naturkapit­als in der Bilanz berücksich­tigt. Geschieht dies nicht, sondern verfallen die natürliche­n Systeme weiterhin so rasant, verliert die Erde allmählich ihre Fähigkeit, den Menschen zu erhalten.

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Barro Colorado Island, Panama, ist der Rest eines Tropenwald­s, der unter einem Stausee verschwand.

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