Heftige Kritik nach Sperrstunde für das „Kaufhaus Österreich“
Einkaufen über die virtuelle Plattform ist nach nur zwei Monaten Geschichte. Mehr als eine Million Euro an Steuergeldern droht zu verpuffen. Die politischen Wellen schlagen hoch. Die SPÖ prüft eine Klage.
Wien – Das Einkaufen im „Kaufhaus Österreich“war von kurzer Dauer. VP-Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck stampft die Onlineplattform für österreichische Händler zu weiten Teilen ein. Die von Pannen begleitete Suchfunktion ist Geschichte. Das virtuelle Kaufhaus, in das mehr als eine Million Euro flossen, wird auf eine reine Händlerplattform reduziert. Ihr neuer Betreiber ist die Förderbank AWS. Die Wirtschaftskammer scheidet aus. Im Handel ist von einem „Rohrkrepierer“die Rede. Die SPÖ prüft eine Ministeranklage, die Neos wollen Schramböcks Rücktritt. (red)
Wer Schutzmasken suchte, landete mitunter bei wolligen Alpakas. Ein Interesse für Schuhe leitete einen nicht selten auf Homepages von Bergbauern und Tischtennisshops. Exakt 71 Tage währte der Versuch, Amazon mit einer österreichischen Plattform für Onlinehandel Paroli zu bieten.
Mehr als 8800 Euro täglich kostete das „Kaufhaus Österreich“seither, das von VP-Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck ins Leben gerufen wurde und von WKOChef Harald Mahrer um ein Händlerverzeichnis ergänzt wurde. Ausgaben für Umfragen, Werbung und Markenrechte sind darin noch nicht enthalten. Nun werden große Teile des Projekts zu Grabe getragen.
Die Suchfunktion ist Geschichte. Im Internet shoppen können die Österreicher in dem „Kaufhaus“nicht mehr. Erhalten bleibt das Firmenverzeichnis. Allein Händlern soll es künftig noch als Navigator durch die Weiten des weltweiten Netzes dienen. Einige Millionen Euro Steuergelder seien für die Bewerbung der Plattform vorgesehen gewesen, heißt es hinter den politischen Kulissen – ehe nach dem von Pannen flankierten Start die Reißleine gezogen worden sei. Häme und Spott aus der Opposition und den sozialen Medien blieben jedoch ein ständiger Begleiter.
Sie bereue das Projekt nicht, es sei auch nie das Ziel gewesen, Amazon nachzubauen, betonte Schramböck am Dienstag. Man müsse die Kirche im Dorf lassen: Die vielkritisierte Suchfunktion des „Kaufhauses“habe nur ein Drittel der Kosten ausgemacht.
Dieses werde den E-Commerce in Österreich nun weiterhin stärken. Ihr Ministerium stellt Händlern entsprechende Förderungen im Volumen von 15 Millionen Euro in Aussicht. Betriebe sollen bei ihrem Einstieg ins Onlinegeschäft unterstützt werden. Mit der Wiederöffnung des stationären Handels werde aber der Bereich des Portals, der als Unterstützung im Lockdown rund um die Weihnachtszeit angedacht war, offline genommen. Neuer Betreiber ist die staatliche Förderbank AWS. Die Wirtschaftskammer scheidet aus. Der Preis des virtuellen Kaufhauses: mehr als eine Million Euro.
Bis zu seinem Launch seien Technikkosten von 603.670 Euro angefallen, rechnet das Ministerium detailliert vor. Darüber hinaus seien zahlreiche E-Commerce-Aktivitäten gehauses setzt worden, die 243.142 Euro erforderten. Seit dem Launch flossen 192.286 Euro in die Technik und monatlich 2642,50 Euro in den laufenden Betrieb. Die Wartung der Plattform kostete 2566 Euro. Dazu kamen Informationsmaßnahmen in Medien im Wert von unterm Strich rund 221.000 Euro.
Quer durch alle Branchen hagelt es auch beim Abgesang des Kaufherbe Kritik. Von Rohrkrepierer und peinlichem Bauchfleck ist die Rede. Falsche Erwartungen seien geweckt und schwere Fehler begangen worden. Die Marke „Kaufhaus Österreich“sei tot.
„Steuergeld wurde versenkt, für nichts und wieder nichts“, tobt Michael Schnedlitz, Generalsekretär der Freiheitlichen. SP-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter empört sich darüber, wie fahrlässig die Ministerin mit dem Geld der Österreicher umgehe. Es gehöre geklärt, ob hier nicht ein Rechtsbruch vorliege. Die SPÖ wird deshalb eine Ministeranklage prüfen.
Neos-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn verlangt von Mahrer und Schramböck Aufklärung darüber, „wer für diesen Flop aufkommt, wohin das Geld floss und wer davon profitiert hat“. Die Unternehmer seien es nicht gewesen. Schellhorn rät Schramböck zum Rücktritt.
Umweltaktivistin Nunu Kaller, die selbst eine Ladenliste für Österreichs Handel auf die Beine stellte, was, wie sie sagt, „keine Hexerei“gewesen sei, fordert eine Entschuldigung aus dem Wirtschaftsministerium. Wäre das Projekt privat entstanden, als solches zehn Monate zu spät gestartet und derart schlecht programmiert worden, wäre ein Konkurs unausweichlich gewesen.
„Geld in die Donau“
„Wirtschaftsministerium und die WKO sind da, um Spielregeln und Rahmenbedingungen zu schaffen, nicht um ein Kaufhaus zu betreiben“, resümiert Harald Gutschi, Chef des Versandhändlers Unito.
Dieses sei technologisch auf dem Stand von vor 20 Jahren gewesen. „In der Planung war man Weltmeister, in der Umsetzung Zwerg.“Er hoffe, dass daraus Lehren gezogen würden, zumal die finanziellen Beiträge der Unternehmen an die Kammer erheblich seien. „Geld wurde in die Donau geschüttet.“
Die Entscheidung, das „Kaufhaus Österreich“zur reinen Unternehmensplattform umzubauen, obliege dem Wirtschaftsministerium, heißt es aus der WKO, bei der 36.000 Euro an Kosten anfielen. Handelsobmann Rainer Trefelik hält die Idee, den österreichischen Onlinehandel sichtbarer zu machen, für gut. Letztlich sei das „Kaufhaus“an den finanziellen und technischen Möglichkeiten des Ministeriums gescheitert.