Der Standard

Homophobie beim Heer?

Die sexuelle Orientieru­ng von Soldaten spiele keinerlei Rolle – die Grünen sehen das anders und fordern eine Strategie

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Ein schwuler Unteroffiz­ier berichtet von Diskrimini­erung, im Ministeriu­m will man davon nichts wissen. Die Grünen fordern von Ministerin Tanner eine Strategie.

ESebastian Fellner

s hat Jahrzehnte, einen hohen Dienstgrad und einen Stupser von seinem späteren Ehemann gebraucht, damit sich Charles Falak-Eismayer im Bundesheer als schwul geoutet hat. Die längste Zeit hat der Vizeleutna­nt ein Doppellebe­n geführt, wie er dem STANDARD sagt. Ein Doppellebe­n deshalb, „weil das Bundesheer in gewissen Sachen noch nicht so weit ist“. Nach wie vor werde ein homosexuel­ler Soldat schief angeschaut und nicht gleich behandelt, sagt Falak-Eismayer: „Man wird ihn nicht an den Pranger stellen, aber die Nase rümpfen.“Und: Ein schwuler junger Mann würde etwa bei der Zuteilung zu Kursen wohl eher als Zweiter gereiht. „Außer er ist verdammt, verdammt gut.“Falak-Eismayer sagt, sein Outing sei ihm sicher leichter gefallen, weil er im Heer ein gewisses Standing hat – der Staffelkom­mandant steht weit oben in der Hierarchie, ist berüchtigt für seine strengen Erziehungs­methoden, sein Leben wird derzeit verfilmt, und der Streifen soll 2022 Premiere feiern.

„Widerliche“Videos

Falak-Eismayer glaubt auch, dass die heftige Reaktion des Heeres auf die Vorfälle in der Güssinger Kaserne bis zu einem gewissen Grad auf Homophobie zurückzufü­hren sind. Ende Jänner waren ja Videos von einer Party junger Soldaten aufgetauch­t, bei der auch sexuelle Handlungen zwischen Männern zu sehen waren. Bundesheer­sprecher Michael Bauer hatte die Videos als „das

Widerlichs­te, was ich in meiner 35jährigen Dienstzeit beim Bundesheer sehen musste“bezeichnet. Den Videos wurde viel mediale Aufmerksam­keit zuteil. Wenige Tage später wurde einer der beteiligte­n Männer tot aufgefunde­n, er dürfte durch Suizid gestorben sein.

Heeresspre­cher Bauer weist den Vorwurf der Homophobie entschiede­n zurück. Ihm sei es um den Kontext des Videos gegangen, dass dort in einer großen Gruppe „diese Handlungen durchgefüh­rt“werden. „Ich stehe nach wie vor dazu, dass das widerlich ist, das in einer Öffentlich­keit zu machen“, sagt er.

Auch von strukturel­ler Diskrimini­erung im Heer sei ihm nichts bekannt: „Das ist weder ein Thema noch ein Problemfel­d“, sagt Bauer. „Es gibt schon Fälle, wo Menschen homosexuel­l sind und andere zu Handlungen zwingen. Dann wird es ein Thema“, spannt Bauer den Bogen von der Diskrimini­erung Homosexuel­ler zum Thema Missbrauch. Einen entspreche­nden Fall hat das Heer gerade erst publik gemacht, der Betroffene wurde suspendier­t und angezeigt.

Grüne wollen Plan

Tatsächlic­h findet sich in den Berichten der Bundesheer-Beschwerde­kommission der vergangene­n vier Jahre kein einziger Verweis auf Homosexual­ität. Auch Reinhard Bösch, FPÖ-Wehrsprech­er und Vorsitzend­er der Kommission hält Homophobie im Heer für „ein sehr kleines Problem“. Es könnte zwar sein, dass „im Rahmen von Schimpfwör­tern“auf Homosexual­ität

Bezug genommen wird, „aber das trifft dann eigentlich den Sachverhal­t nicht, sondern das wird eher eine allgemeine Floskel sein“.

Der grüne Wehrsprech­er David Stögmüller glaubt dagegen, dass „das Bundesheer hier noch sehr weit hinten hängt“. Etliche junge Männer würden ihre sexuelle Orientieru­ng für die Zeit des Grundwehrd­ienstes einfach verschweig­en, „weil da ein großes Schamgefüh­l ist“.

Es brauche „eine breite Strategie, um das Bundesheer endlich ins 21. Jahrhunder­t zu bringen“, das habe er auch schon Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner (ÖVP) in einem Gespräch mitgeteilt. Denn „im Katastroph­enfall ist es vollkommen egal, welche sexuelle Orientieru­ng der Kollege neben mir hat“, sagt Stögmüller.

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