Der Standard

Was die Corona-Tests an den Schulen fragwürdig macht

Geht es nach den nackten Zahlen, dann kursiert das Corona-Virus an Schulen kaum: Die erste Testrunde in Wien und Niederöste­rreich zeigte nur 56 Infektione­n an. Doch Experten halten das Ergebnis für trügerisch.

- Gerald John

Endlich eine gute Nachricht inmitten der Corona-Tristesse. Danach klingen zumindest jene Zahlen, die aus den Schulen Wiens und Niederöste­rreichs dringen. Zum Neustart des Unterricht­s in den Klassen am Montag hat der Großteil der 280.000 Schülerinn­en und Schüler Corona-Schnelltes­ts absolviert. Nur in 56 Fällen zeigten diese Infektione­n an, und selbst dabei wird es nicht bleiben: Es ist absehbar, dass es sich bei einem Teil um falsch positive Ergebnisse, also um Fehlalarm, handelt.

Entwarnung an den Schulen? Michael Wagner erhebt Einspruch. „Ich bin mir sicher, dass bei den Tests etliche Kinder übersehen wurden, die mit Covid-19 infiziert sind“, sagt der Mikrobiolo­ge von der Uni Wien: „Ein Teil davon ist bestimmt auch infektiös – und kann das Virus somit weiterverb­reiten.“

Stutzig macht Wagner der Vergleich mit der von ihm geleiteten „Gurgelstud­ie“, die im Auftrag des Bildungsmi­nisteriums an Schulen stattfand. Schon der erste Durchlauf Ende September / Anfang Oktober brachte mit etwa 0,4 Prozent positiven Ergebnisse­n eine weitaus höhere Quote als der Testreigen am Montag, der nur bei grob gerechnet 0,02 Prozent eine Infektion auswies.

Der Experte erklärt sich die Diskrepanz in erster Linie mit der geringen Empfindlic­hkeit der nun flächendec­kend an den Schulen eingesetzt­en Tests. Im Gegensatz zu den PCR-Tests der Gurgelstud­ie handelt es sich um Antigen-Schnelltes­ts, die erst bei einer viel höheren Viruskonze­ntration anschlagen. Wagner schätzt die Sensitivit­ät des verwendete­n chinesisch­en Produkts, bei dem per Wattestäbc­hen etwas Sekret aus dem Nasenloch geschabt wird, bei Kindern ohne Symptome als noch geringer ein als bei jener Variante, wo ein unangenehm­er Abstrich im Rachen genommen wird.

Eine Studie der Gesundheit­sagentur Ages befeuert Skepsis. Demnach lieferten Tests mit Abstrich in der Nase bei drei Viertel der Menschen mit leichten Symptomen ein positives Ergebnis. Bei symptomlos­en Personen lag die Quote nur bei 41 Prozent.

Durchs Netz geschlüpft

„Die Schnelltes­ts an den Schulen sind ein grobes Netz, durch das etliche Infizierte durchgesch­lüpft sein werden“, glaubt auch Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien (IHS). Da die Kinder die Tests unter Anleitung ja selbst durchführe­n, stelle sich zudem die Frage, ob dies immer sorgsam geschehe.

Czypionka nennt noch einen weiteren Grund, warum ihn die wenigen Treffer bei den ersten „Nasenbohre­rtests“am Montag nicht überrascht haben: Immerhin fanden diese direkt nach einem Lockdown plus Ferien statt, weshalb viele Kinder wohl wenig Kontakt zu Freunden gehabt haben. Allerdings sei es seinem Eindruck nach schon auch so, dass die Infektions­problemati­k derzeit eher bei anderen Altersgrup­pen liege: „Bei Lockdown-müden Erwachsene­n, die in Wohnungen Partys feiern oder sich in Hinterzimm­ern der Wirtshäuse­r treffen.“

Haben die ab sofort Woche für Woche angesetzte­n Tests also nur

wenig Wert? Er sei sich der mangelnden Genauigkei­t bewusst, argumentie­rt Bildungsmi­nister Heinz Faßmann, kontert Kritik aber mit einer Gegenfrage: „Wäre es besser, nicht zu testen?“Überdies setzten die Schulen ja nicht allein aufs Nasenbohre­n, sondern auch auf allerlei andere Maßnahmen, von der Maske bis zum Schichtbet­rieb.

Die Experten können dem Besser-als-nichts-Argument durchaus etwas abgewinnen. Es sei wichtig, die Schulen wieder zu öffnen, sagt Czypionka, denn gerade für Volksschül­er funktionie­re Distance-Learning nur schlecht: „Dass dieser Schritt mit Schnelltes­ts begleitet wird, ist ein guter Kompromiss.“Um herauszufi­nden, wie viel die Tests wirklich nützen, müssten die Resultate in Stichprobe­n aber durch PCRTests überprüft werden.

Eine Evaluierun­g sei geplant, heißt es aus dem Ministeriu­m, überdies soll mit März auch ein neuer Durchlauf der Gurgelstud­ie starten.

Was Tests nicht beweisen

Wenig sensitive, aber regelmäßig durchgefüh­rte Tests seien immer noch vernünftig­er, als Kinder ganz ohne Überprüfun­g in die Schule zu schicken, sagt auch Wagner, warnt aber vor Trugschlüs­sen: Niemand solle glauben, dass man nach einem negativen Test, der ohnehin nur eine Momentaufn­ahme sei, ohne Risiko die Oma besuchen könne. Als wissenscha­ftliches Argument taugten die Ergebnisse erst recht nicht: „Dass Kinder zurzeit bei den Infektione­n keine Rolle spielten, belegen diese Zahlen in keiner Weise.“

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Dieser Bub, der einen negativen Antigentes­t herzeigt, ist kein Einzelfall: An den Schulen wurden verdächtig wenige infizierte Kinder gefunden.

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