Donaustädter Bezirkschef in Bedrängnis
Gegen Ernst Nevrivy, Bezirksvorsteher von Wien-Donaustadt, wird unter anderem wegen Verdachts der Bestechlichkeit ermittelt. Er soll „streng vertrauliche“Infos per E-Mail weitergeleitet haben, die ein Immobilien-Unternehmer nutzte.
Der Druck auf Ernst Nevrivy, den mächtigen Bezirksvorsteher in Wien-Donaustadt, wird größer. Wie berichtet, ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen den SPÖ-Politiker wegen des Verdachts der Verletzung des Amtsgeheimnisses, der Bestechlichkeit, des Beitrags zur Untreue und der Vorteilsannahme zur Beeinflussung.
Nevrivy soll, so der Vorwurf, unter anderem im Juli 2017 interne Informationen der Stadt an den Chef der 2018 pleitegegangenen Immobiliengesellschaft Wienwert, Stefan Gruze, weitergeleitet haben. Gruze kaufte wenig später über eine Projektgesellschaft ein Privatgrundstück bei der Remise in der Attemsgasse in Kagran an. Für dieses Grundstück interessierten sich aber auch die städtischen Wiener Linien intensiv: Letztere kauften das Grundstück nur elf Monate später der Projektgesellschaft von Gruze ab. Der Gewinn aus diesem ImmoDeal betrug für Gruze knapp mehr als 800.000 Euro.
Datei „intern.pdf“im Fokus
Hatte Gruze hier Insiderwissen? Nevrivy jedenfalls soll am 26. Juli 2017 eine E-Mail an Gruze mit einer angehängten Datei namens intern.pdf geschickt haben. Im PDF war ein sechsseitiger Aktenvermerk der MA 21 (Stadtteilplanung und Flächennutzung) enthalten, in dem es um eine „Kernteamsitzung“zum Thema „Zielgebiet Zentrum Kagran“ging. Dieses Dokument liegt dem STANDARD vor.
In diesem machten die Wiener Linien laut Protokoll deutlich, dass der Ausbau der Remise „als unbedingt erforderlich“angesehen wird. „Vom Ausbau der Remise sind unter anderem auch Privatgrundstücke betroffen – der Sicherstellung der Grundverfügbarkeit kommt daher eine sehr hohe Priorität zu“, hieß es dazu. Noch fehle aber die politische Entscheidung zur Erweiterung.
Am 21. Oktober 2017 hatte Gruze unter dem Betreff „Attemsgasse // streng vertraulich“den Aktenvermerk der MA 21 an den Immobilienbereichsleiter
einer Bank weitergeleitet. Diesem schrieb Gruze: „Bitte streng vertraulich verhandeln (gerne jedoch für die Risikoabteilung), da ich diesen Aktenvermerk von Herrn Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy [...] erhalten habe.“Der Kaufvertrag für das Kagraner Grundstück zwischen der Privatverkäuferin und der Projektgesellschaft von Gruze war nur kurz davor, am 11. Oktober, unterschrieben worden.
Nevrivy, der die Vorwürfe bestreitet, wollte keine Stellungnahme abgeben. Er verwies auf seinen Anwalt Volkert Sackmann, der im Gespräch mit dem STANDARD meinte: „Viel Lärm um nichts.“
Der Amtsvermerk der MA 21 sei schon zuvor an rund 100 Empfänger gegangen, darunter auch an einen Vertreter einer privaten Immobilienund Investmentfirma. „Hier führt schon rein technisch der Vorwurf der Verletzung des Amtsgeheimnisses gegen meinen Mandanten ins Leere.“Warum Gruze die Mail an seinen Bankkontakt mit „streng vertraulich“titulierte, könne sich Sackmann nicht erklären.
Dass die Wiener Linien Interesse an einem Ausbau der Remise hatten, sei seit spätestens 2015 ein offenes Geheimnis gewesen.
Auch bei den weiteren Vorwürfen gegen Nevrivy mache sich Sackmann „überhaupt keine Sorgen“. So soll Nevrivy laut Ermittlungsergebnissen, die der Wiener FPÖ vorliegen, im Gegenzug von der Wienwert aktiv 30.000 Euro an Sponsoring für die Donaustädter Wiener Wahnsinn Kultband OG eingefordert haben. Die WKStA spricht von einem „Vorteil für einen Dritten“. Zudem habe Nevrivy VIP-Tickets von der Wienwert für Fußballspiele akzeptiert. Es gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung. Nevrivys Anwalt meinte dazu, dass der Bezirksvorsteher Wienwert-Chef Gruze lediglich mit der Band bekanntgemacht habe.
Gruze verteidigt Nevrivy
Am Dienstag rückte Gruze, gegen den in der Causa Wienwert ermittelt wird, zur Verteidigung aus: Es seien von Nevrivy „keine Amtsgeheimnisse weitergegeben worden“, da das Projekt der Wiener Linien „zu diesem Zeitpunkt im Markt schon längst bekannt gewesen ist“, meinte Gruzes Anwalt Norbert Wess. Nevrivy habe auch nie irgendwelche Sponsorings getätigt. Richtig sei aber, dass das gegenständliche Grundstück um 1,3 Millionen Euro gekauft und nur rund ein Jahr später um 2,15 Millionen Euro „zuzüglich Umsatzsteuer“wieder verkauft wurde. Gruze hob zudem hervor, dass es sich ausschließlich um ein privates Investment gehandelt habe und die Wienwert-Gruppe mit diesem nicht in Verbindung stehe.
Für den Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp steht hingegen fest, dass Nevrivy ein streng vertrauliches Dokument weitergegeben habe, wodurch Gruze „aufgrund der Nevrivy-Insiderinfos einen Megadeal“habe landen können. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) habe laut Nepp Handlungsbedarf und müsse „Nevrivy zu sofortigem Rücktritt bewegen“.