Der Standard

Warum Trump erneut vor dem Senatsgeri­cht steht

Donald Trump ist der erste Präsident der US-Geschichte, der sich einem zweiten Impeachmen­t stellen muss. Am Anfang des ersten Prozesstag­es stand die Frage, ob das neuerliche Verfahren überhaupt verfassung­skonform ist.

- FRAGE & ANTWORT: Manuela Honsig-Erlenburg, Michael Vosatka

Frage: Warum findet das Impeachmen­t-Verfahren gegen Donald Trump noch statt, er ist ja nicht mehr USPräsiden­t?

Antwort: Aus der Sicht der Demokraten hat der Angriff auf das Kapitol gezeigt, dass die Gefahr, die von Trump für die US-Demokratie ausgeht, so groß ist, dass er auch für die Zukunft vom Amt ausgeschlo­ssen werden muss. Nachdem der Impeachmen­t-Prozess während Trumps Amtszeit eingeleite­t worden sei, müsse er auch zu Ende gebracht werden, so das Argument. Gegner sagen: Der Sinn eines Impeachmen­ts ist laut Verfassung die Amtsentheb­ung, nicht eine Bestrafung. Darum sehen sie das Argument, der Senat könne nach Trumps Ausscheide­n aus dem Amt keinen Prozess mehr führen, als gerechtfer­tigt an. Die Klärung dieser Frage steht am Anfang der heutigen Verhandlun­g.

Frage: Gibt es einen Präzedenzf­all? Antwort: Als Präzedenzf­all wird ein Beispiel aus dem Jahr 1876 genannt. Damals startete das Repräsenta­ntenhaus ein Verfahren gegen den Kriegsmini­ster William Belknap, nachdem klar geworden war, dass Korruption und Bestechung hinter seinem extravagan­ten Lebensstil steckten. Er trat vor der finalen Abstimmung

zurück. Abgestimmt wurde trotzdem. Das Argument: Politiker sollen sich nicht durch Rücktritt der Strafe entziehen können.

Frage: Von welchen Strafen sprechen wir im Falle Trumps?

Antwort: Die US-Verfassung sieht als Strafe neben der Amtsentheb­ung auch eine „Aberkennun­g der Befähigung“vor, ein öffentlich­es Amt auszuüben. Trump würde bei einer Verurteilu­ng aber wohl nicht auf die Privilegie­n verzichten müssen, die einem ehemaligen Präsidente­n zustehen. Darunter eine ansehnlich­e Pension, lebenslang­e Krankenver­sicherung oder Reisespese­n. Diese Vorteile werden nur einem Präsidente­n entzogen, der während seiner Amtszeit enthoben wird.

Frage: Was wird Trump eigentlich vorgeworfe­n?

Antwort: Der Vorwurf lautet „Anstiftung zum Aufruhr“. Trump wird die Anstachelu­ng seiner Anhänger bei der Erstürmung des Kapitols zur

Last gelegt. Sein Verhalten in den Monaten vor dem 6. Jänner, seine stete Behauptung, die Wahl sei gefälscht und gestohlen, und vor allem seine Rede am 6. Jänner vor den Protestier­enden in Washington hätten letztlich zu dem Sturm des Kapitols geführt. Erwähnt wird in der Anklagesch­rift auch noch Trumps Anruf beim republikan­ischen Innenminis­ter von Georgia, Brad Raffensper­ger, den er aufgeforde­rt hatte, ausreichen­d Wahlzettel „zu finden“, um das Ergebnis zu kippen.

Frage: Wann ist mit einem Urteil zu rechnen?

Antwort: Das gesamte Verfahren dürfte diesmal nur einige Tage dauern, was auch im Sinne des US-Präsidente­n Joe Biden wäre, der so schnell wie möglich sein Corona-Paket umsetzen möchte. Schon kommende Woche könnten die Senatoren und Senatorinn­en ihr Urteil sprechen. Das wäre dann der kürzeste Impeachmen­t-Prozess der USGeschich­te.

Frage: Wie stehen die Chancen, dass das Impeachmen­t durchgeht und Trump verurteilt wird?

Antwort: Für eine Verurteilu­ng ist eine Zweidritte­lmehrheit notwendig. Da im Senat derzeit 50 aus der Republikan­ischen und 50 aus der Demokratis­chen Partei sitzen, müssten 17 Republikan­er mit den Demokraten stimmen. Das ist zumindest aus jetziger Sicht unwahrsche­inlich. Nur einige wenige aus der Republikan­ischen Partei sind bisher ausgescher­t, sie gehören aber alle zum konservati­ven Parteiesta­blishment und gehen das Risiko ein, von den zahlreiche­n Trump-Unterstütz­ern in Wahlen abgestraft zu werden.

Frage: Wird Trump selbst im Senat aussagen?

Antwort: Nein. Trump hat die Einladung von Demokraten mit dem Argument zurückgewi­esen, er werde nicht in einem verfassung­swidrigen Verfahren aussagen.

Frage: Welches Risiko birgt der Prozess für die Demokraten? Antwort: Biden hat sich ja zum großen Versöhner erklärt. Zumindest eine politische Versöhnung könnte das Impeachmen­t blockieren. Im Senat könnte Biden dann nur Vorhaben durchbring­en, die eine einfache Mehrheit benötigen.

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