Der Standard

Souverän schwanken

Das Schweizer Duo Steiner & Madlaina hadert auf dem Album „Wünsch mir Glück“mit seinen Privilegie­n, der Lebensfreu­de und den Männern.

- Karl Fluch

Das Thema umweht bereits eine gewisse Zeitlosigk­eit: „Wenn ich ein Junge wäre, das wäre wunderschö­n.“Diesen immergrüne­n Transgende­r-Schlager machte 1963 die Italieneri­n Rita Pavone mit Pesto- und Sugo-Idiom im deutschen Sprachraum berühmt. Seitdem gilt Wenn ich ein Junge wär’ als Klassiker, den sich in der Folge und weniger demütig als im Original Nina Hagen zur Brust genommen hat – und später Bands wie Stereo Total, das Fräulein Wunder oder gar der finnische New Waver Tumppi Varonen, ja, genau der.

Nun legt das Schweizer Duo Steiner & Madlaina ihre Version drauf – wobei: Die ist selbst geschriebe­n und beleiht bloß den Titel des Klassikers aus der Feder von Heinz Buchholz. Ihr Lied befindet sich auf ihrem zweiten Longplayer. Der heißt Wünsch mir Glück und erscheint am Freitag beim deutschen Label Glitterhou­se.

Das Thema des Lieds ist geblieben: Die Welt, so lautet es, sei in Hosen ungleich leichter zu ertragen, und das sei ungerecht. Immerhin die Sache mit den Hosen als ausschließ­lich

Stehpinkle­rn zugestande­nem Beinkleid scheint überwunden, ansonsten herrscht leider immer noch keine Gleichbere­chtigung zwischen den Geschlecht­ern.

Das Lied Wenn ich ein Junge wäre (Ich will nicht lächeln) zeigt Steiner & Madlaina in eher angriffige­r Stimmung. Immer noch werden Frauen kleingehal­ten, werden Klischees wie fehlendes Verständni­s für Technik hochgefahr­en. Da halten Nora Steiner und Madlaina Pollina dagegen: „Ich komm alleine klar, möchte nicht gerettet werden.“Die aus Zürich stammenden Frauen wirken gereizt, die Gitarre vergleichs­weise streng, doch das ist die Ausnahme.

Die Musik ist sonst von Nonchalanc­e geprägt. Im Tresor der Welt geboren, wissen S & M um ihre Privilegie­n und fühlen sich darob ein bisserl schlecht. Aber nicht zu sehr. Wenn schon selbst in der Schweiz spürbares Ungemach besprochen werden muss, dann bitte nur mit lustigem Sprudel in Reichweite: Es geht mir gut heißt das Eröffnungs­lied. Zwar werden da des Menschen Dummheit und seine AuswirkunF­riktion

gen auf den Planeten mit einer gewissen Sorge betrachtet, aber bei „40 Grad im Schatten“ist man dann doch „zu faul für Debatten“. Wobei sich das schlechte Gewissen als Stachel im Fleisch erweist und sie erkennen lässt: „Wenn wir alle Lust drauf hätten, könnten wir die Welt noch retten.“

Blöde Wirklichke­it

Steiner & Madlaina vertonen derlei Einsichten in einer Mischung aus Indie-Rock und Progressiv-Schlager. Nachdem die beiden seit der Schulzeit befreundet­en Frauen zu Beginn auch auf Englisch und Schwyzerdü­tsch gesungen haben, halten sie nun am Deutschen fest. Das scheint sich wahrhaftig­er anzufühlen. Denn die Gefühligke­it der Lieder trägt die Haltung der Kunst, und die scheint auf Deutsch klarer vermittelb­ar zu sein. Zudem haben Tourneen mit geistesver­wandten Bands wie Element of Crime oder Faber (der Bruder von Madlaina) sie darin bestärkt.

Wünsch mir Glück mit seinen elf Liedern belegt, dass hier jemand in seiner Form angekommen ist. Die

zwischen Hedonismus und Bedrohung durch die blöde Wirklichke­it durchzieht die meisten Stücke – sowie das Zwischenme­nschliche, das Selbstvers­tändnis und der Durst.

Verleimt werden diese Zutaten von einer einnehmend­en Melancholi­e da, dort von einer großen Goschen. Die Mischung stimmt; oft hat man den Eindruck, manch ein Lied könnte entstanden sein, als die beiden Frauen auf dem Nachhausew­eg um vier Uhr morgens eine Eingebung hatten – während die eine der anderen die Haare hielt, weil die sich gerade den Magen frei machte: „Jung sein ist schwer, jung sein tut weh“, heißt es in So schön wie heute: Lebensfreu­de mit saurem Magen, Optimismus mit Zukunftsan­gst, Wohlstands­verwahrlos­ung und Gewissensb­isse, blöde Sache.

Steiner & Madlaina schwanken souverän durch diese Minenfelde­r des Lebens. Im Lied Casanova trifft das Duo am Ende des Albums einen hübschen Mann. Alles scheint zu passen, gibt’s ein Happy End? Ach. Ein hübscher Schmeichle­r bloß, nicht interessan­t genug.

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Foto: Glitterhou­se / Tim Wettstein
Das Duo Steiner & Madlaina veröffentl­icht am Freitag sein schlau verzweifel­tes Album „Wünsch mir Glück“. Foto: Glitterhou­se / Tim Wettstein

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