Der Standard

Ausreise aus Tirol nur mit negativem Testergebn­is

Zehntägige Reisebesch­ränkung ab Freitag, Osttirol ausgenomme­n

- Steffen Arora, Gabriele Scherndl, Walter Müller

Innsbruck/Wien – Ab Freitag wird Nordtirol für zehn Tage zum CoronaSper­rgebiet. Um die weitere Ausbreitun­g der südafrikan­ischen Virusmutan­te zu verhindern, darf das Land nur noch mit negativem Testergebn­is, nicht älter als 48 Stunden, verlassen werden. Vor nicht notwendige­n Reisen nach Tirol wird abgeraten. Das Bundesland gilt weltweit nach Südafrika selbst als Hotspot der ansteckend­eren Virusvaria­nte.

Das ist vor allem deshalb besorgnise­rregend, weil der Impfstoff von Astra Zeneca, auf dem rund 50 Prozent der österreich­ischen sowie der europäisch­en Impfstrate­gie fußen, bei dieser Mutante deutlich weniger wirksam ist.

Mit der Reisebesch­ränkung soll die Verbreitun­g im Rest des Landes und im benachbart­en Ausland gebremst werden. Dienstag wurde bereits ein erster aus Tirol exportiert­er Fall der Mutante im steirische­n Aigen im Ennstal bekannt. Um auch in Tirol selbst die Ausbreitun­g zu bremsen, wird die Bevölkerun­g aufgerufen, an den kostenlose­n Massentest­s teilzunehm­en, die vom Land nun angeboten werden. Zudem wird darum gebeten, die Mobilität einzuschrä­nken. (red)

Angesichts der Ausbreitun­g der Südafrika-Mutante des Coronaviru­s in Tirol, hat die Bundesregi­erung am Dienstag neue Maßnahmen für das Bundesland bekanntgeg­eben. Ab Freitag ist die Ausreise aus Nordtirol nur mehr mit einem negativen Testergebn­is möglich, das nicht älter als 48 Stunden sein darf. Diese Verordnung gilt für vorerst zehn Tage lang. Osttirol, das geografisc­h von Nordtirol getrennt ist, bleibt von dieser Maßnahme vorerst unberührt. Zwar weist der Bezirk die derzeit höchste Sieben-Tage-Inzidenz in Tirol auf, allerdings gibt es dort bislang keine Nachweise oder Verdachtsf­älle von Virusmutat­ionen.

Rund 1000 Beamte von Polizei und Bundesheer sollen sicherstel­len, dass diese Reisebesch­ränkungen auch eingehalte­n werden. Bei Zuwiderhan­deln drohen bis zu 1450 Euro Strafe. Warum Tirol erst ab Freitag zum Sperrgebie­t wird, erklärte Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) damit, dass die Vorbereitu­ngen Zeit bräuchten. So gelte es etwa Testkapazi­täten an den Landesgren­zen zu erhöhen, um den Pendlerver­kehr weiterhin zu ermögliche­n.

Die Maßnahmen seien mit der Tiroler Landesregi­erung abgestimmt worden, betonte Kurz. Zuletzt hatte sich Tirol ja vehement geweigert, neue Verschärfu­ngen zu akzeptiere­n. Das gipfelte in einem offenen Konflikt zwischen Tiroler ÖVP-Politikern und Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne). Am vergangene­n Sonntag mussten Gespräche hinsichtli­ch neuer Maßnahmen sogar ergebnislo­s abgebroche­n werden, weil der Tiroler Landeshaup­tmann Günther Platter (ÖVP) die Kooperatio­n verweigert­e.

Seitdem DER STANDARD am 23. Jänner aufgedeckt hatte, dass im Tiroler Bezirk Schwaz die südafrikan­ische Virusmutan­te nachgewies­en worden war, hat die Landesregi­erung versucht, den Ausbruch kleinzured­en. Offenbar sei die Öffentlich­keit sogar mit falschen Zahlen informiert worden, wie Gesundheit­sminister Anschober in der ZiB 2 am Montagaben­d erklärte. Tatsächlic­h sei die Lage sogar viel dramatisch­er, als die Tiroler Behörden bis zuletzt einräumen wollten. Mindestens 293 Fälle der Mutante wurden bislang nachgewies­en, und aktuell sind 120 Fälle davon aktiv positiv.

Es gelte nun, die Ausbreitun­g der südafrikan­ischen Variante B.1.351 so gut wie möglich zu bremsen, begründete­n Kurz und Anschober die neuen Maßnahmen. Für einen Stopp der Verbreitun­g dürfte es ohnehin längst zu spät sein. So wurde am Dienstag bekannt, dass zwei Fälle der Südafrika-Mutante in der Bundesheer­kaserne Aigen im Ennstal nachgewies­en wurden. Aigen ist Hubschraub­erstützpun­kt, wie auch Schwaz in Tirol. Die Infektion erfolgte über einen Piloten, der zwischen Tirol und der Steiermark pendelte.

Mutation gefährdet Impfstrate­gie

Der Bundeskanz­ler verdeutlic­hte am Dienstag, warum die Ausbreitun­g der Virusvaria­nte, die um ein Drittel ansteckend­er ist als das herkömmlic­he Sars-CoV2-Virus, so problemati­sch ist: Österreich­s Impfstrate­gie fußt zu rund 50 Prozent auf dem Mittel des Hersteller­s Astra Zeneca. Doch genau dieser Impfstoff ist bei der Mutante B.1.351 deutlich weniger wirksam. Das könnte für Österreich und Tirol internatio­nal zum Problem werden. Denn auch die EU setzt zu 50 Prozent auf Astra Zeneca. Aktuell ist der Ausbruch der Mutante in Tirol der größte außerhalb Südafrikas – das Land droht erneut zur Virenschle­uder für ganz Europa zu werden.

Neben der Verbreitun­g außerhalb Tirols will die Bundesregi­erung auch die Eindämmung innerhalb des Landes erreichen. Dazu sollen, wie von Tirol am Montag vorgeschla­gen, die Testkapazi­täten ausgebaut werden. Aber auch die Teilnahmeb­ereitschaf­t in Sachen Massentest­s müsse deutlich zunehmen, um hier Fortschrit­te zu erzielen, mahnte Anschober. Wie, blieb vorerst unklar.

Rechtlich sei die am Dienstag präsentier­te Lösung, Tests für das Überqueren von Gebietsgre­nzen zu verlangen, einwandfre­i, bestätigen mehrere Juristen dem STANDARD – solange die wissenscha­ftliche Datenlage dafür spricht, dass die Maßnahme notwendig ist. Offen bleibt jedoch die Frage, warum nicht auch für das Verlassen des am stärksten betroffene­n Bezirks Schwaz eine Testpflich­t eingeführt wurde – immerhin würde das, nachdem die Maßnahme als sinnvoll zur Eindämmung der Verbreitun­g erachtet wurde, den Rest der Tiroler Bevölkerun­g vor der Mutation schützen.

Rechtlich wäre für eine Testung an den Grenzen von Schwaz die Zustimmung Platters aber gar nicht nötig. Laut Verfassung­sjurist Heinz Mayer könnte der Gesundheit­sminister das per Verordnung verfügen – genauso wie eine regionale Rückkehr zum Lockdown, wie Medizinjur­ist Karl Stöger betont.

Platter selbst zeigte sich in einer ersten Reaktion mit der Testpflich­t einverstan­den. Sollte er Regeln, die der Bundesmini­ster künftig vorschreib­en könnte, nicht umsetzen, droht ihm eine Ministeran­klage vor dem Verfassung­sgerichtsh­of. Nur: Dieser müsste die gesamte Bundesregi­erung zustimmen. Abgesehen davon könnte der Bundespräs­ident den Landtag auflösen. Doch auch das braucht einen Antrag der Bundesregi­erung und die Zustimmung des Bundesrats.

Zur Frage, was rechtlich möglich ist, kommt außerdem auch die Frage, was Sinn ergibt. „Wo führt das hin, wenn der Bund eine Verordnung erlässt, die das Land nicht umsetzt?“, fragt Mayer. „Dann setzen wir sie mit Gewalt um, mit Polizei und notfalls auch mit dem Militär? Dann steuern wir in eine politische Situation, die wir nicht brauchen.“

Opposition­sführerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) äußerte sich kritisch hinsichtli­ch des Zeitpunkts der neuen Maßnahmen: „Es hätte bereits vor einer Woche gehandelt werden müssen. Die Bundesregi­erung hat mit ihrem Zaudern und Zögern wertvolle Zeit verstreich­en lassen – Zeit, die das Virus genutzt hat, denn das Virus lässt nicht mit sich verhandeln.“Freitag sei zu spät, und die Ausreisesp­erre allein sei zu wenig.

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Am Dienstag erklärte die Regierungs­spitze Teile Tirols zur Sperrzone – ab Freitag.

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