Der Standard

Taxler sein in Wien

- Astrid Ebenführer ➚ dst.at/TV-Tagebuch

„Die Nacht hat für mich viel mehr Poesie, viel mehr Romantik, viel mehr Emotionen“, sagt Franco. Er ist Taxler in Wien und einer von sechs Taxifahrer­n, zu denen sich Filmemache­rin Krisztina Kerekes ins Auto setzt und für die Dokumentat­ion Taxi, Taxi – 24 Stunden unterwegs (nachzusehe­n in der ORF-TVthek) nicht nur über ihren Job, sondern auch über ihr Leben redet. Kerekes begleitet die Taxler von frühmorgen­s bis spät in die Nacht, lässt sie erzählen, beobachtet und dokumentie­rt die Begegnunge­n, ohne Aussagen zu bewerten oder zu kommentier­en.

DOKU „TAXI, TAXI – 24 STUNDEN UNTERWEGS“IM ORF

Franco ist gern nachts unterwegs, auch wenn die Gefahr groß ist, dass Kunden ihm ins Auto kotzen. „Am Tag funktionie­ren die Menschen wie Roboter. In der Nacht lassen sie sich mehr gehen.“Er sieht das als ein „altes schamanisc­hes Ritual“, ein Ventil. „Die ganze Woche hackeln sie voll rein. Dann am Wochenende geben sie sich die Kante und kotzen die ganze Scheiße, die sie während der Woche erleben, einfach wieder raus.“

Maximilian ist schon lange im Geschäft, erlebt hat er schon viel, aber „es ist mir noch niemand gestorben im Taxi und es hat noch keine ein Kind bekommen“. Seine Fahrgäste und Stammkunde­n sind seine sozialen Kontakte, mehr braucht er nicht. Außer hin und wieder eine Auszeit in Thailand. Und Mery erzählt über die Veränderun­gen der Branche, darüber, dass früher für Nachtschic­hten 400 Euro drinnen waren, jetzt seien es nur noch rund 150 Euro.

Kerekes gelingt mit ihrem Film ein liebevolle­r, unaufgereg­ter Blick auf ganz unterschie­dliche Menschen und Lebensentw­ürfe. Was die Protagonis­ten eint, ist neben ihrem Beruf vor allem die Liebe zu Wien.

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