BUNDESSTAATSANWALT
Solange die Mitarbeiterinnen- und Mitarbeitersuche polizeiintern erfolgt, werden Höherqualifizierte dem BVT fernbleiben. Öffentliche Ausschreibungen würden das ändern – und auch für frischen Wind im Amt sorgen.
Kritik an der politischen Weisungsspitze der Staatsanwaltschaft wurde in der Vergangenheit immer wieder laut – vor allem dann, wenn brisante Verfahren öffentlich wurden. Erstmalig fordert nun aber auch die ÖVP einen politisch unabhängigen Bundesstaatsanwalt und stößt damit beim Regierungspartner und weiten Teilen der Opposition auf offene Ohren.
Ziele: Die aktuelle Rechtslage sieht vor, dass die Justizministerin als oberstes Verwaltungsorgan an der Spitze der Staatsanwaltschaft steht. Dadurch könnte sie – zumindest theoretisch – in laufende Verfahren eingreifen. Das Justizministerium erteilt in der Praxis zwar nur sehr selten Weisungen, die Möglichkeit der Einflussnahme und der Anschein der politischen Befangenheit führen aber dennoch zu Misstrauen. Beispiele aus jüngerer Vergangenheit haben darüber hinaus gezeigt, dass Sorge besteht, das Ministerium mische sich auch abseits des offiziellen Dienstwegs in Ermittlungsverfahren ein. Ein politisch unabhängiger Bundesstaatsanwalt, wie er in den meisten europäischen Ländern üblich ist, könnte das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Strafverfolgungsbehörden stärken.
Hürden: Der Kurswechsel der ÖVP in Sachen Bundesstaatsanwalt macht einen politischen Konsens realistisch. Die konkrete Ausgestaltung der neuen Behörde wird allerdings für Diskussionsstoff sorgen. Das aktuelle System einer politischen Weisungsspitze garantiert deren demokratische Legitimität. Denn die Ministerin wird von einer parlamentarischen Mehrheit getragen und unterliegt der ständigen Kontrolle der Opposition. Einem Bundesstaatsanwalt fehle es dagegen an dieser demokratischen Rückbindung an das Parlament, so ein häufiger Kritikpunkt: Eine von der Verwaltung getrennte Strafverfolgungsbehörde könnte dazu tendieren, ein Eigenleben zu entwickeln und ihre politische Macht zu missbrauchen. Zentrale Herausforderung der Reform wird es also sein, das richtige institutionelle Gleichgewicht zwischen Unabhängigkeit und Kontrolle zu finden. Denkbar wäre etwa ein System ähnlich der Bestellung der Präsidentin des Rechnungshofs: Die Regierung schlägt eine geeignete Person vor, die vom Parlament für eine längere Amtszeit gewählt und kontrolliert wird.
Zeitplan: Das Justizministerium will in den kommenden Wochen Gespräche mit den wichtigsten Stakeholdern führen. Eine konkrete Umsetzung liegt aber wohl noch in weiter Ferne.
Im Zuge der Umgestaltung des BVT und einer Neuaufstellung sicherheits- und kriminalanalytischer Aufgaben sollte die Rekrutierungspolitik der österreichischen Polizei auf internationale Standards angehoben werden. Gerade für analytische Aufgaben sollten Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger aus verschiedenen Disziplinen gewonnen werden, anstatt ausschließlich intern oder auf Ebene der Grundausbildung zu rekrutieren. Der Bewerberinnenund Bewerberpool schränkt sich dadurch drastisch ein.
Eine der Empfehlungen des Berichts der unabhängigen Untersuchungskommission zum Terroranschlag vom 2. 11. 2020 ist eine stärkere Professionalisierung des Verfassungsschutzes. Nach Ansicht des Innenministeriums sei dafür bereits insofern gesorgt worden, als eine Staatsschutzgrundausbildung eingeführt wurde. Ein Masterlehrgang soll folgen. Mit der Ausbildung wurde bereits begonnen. Eine objektive Personalrekrutierung sei schon umgesetzt. Doch: Wie wird man Verfassungsschützerin, -schützer?
Die Aufnahmevoraussetzungen zur Ausbildung für einen späteren Einsatz im Verfassungsschutz sind (öffentlich) nicht bekannt. Fraglich ist auch, wie das Personal für die bereits begonnenen Grundausbildungslehrgänge im Staatsschutzbereich gewonnen wurde. Soweit ersichtlich, richtet sich die Grundausbildung nicht an das bereits bestehende Verfassungsschutzpersonal.
Wer rekrutiert wird
Da keine gezielten öffentlichen Ausschreibungen erfolgten, dürfte entweder nur ministeriumsintern oder aus den sich zur allgemeinen Polizeigrundausbildung Bewerbenden rekrutiert worden sein. Für diese Grundausbildung wird seit einigen Jahren vermehrt geworben. Laut Ausschreibung dient die Polizeigrundausbildung der Vorbereitung für die Verwendung als Exekutivbedienstete bzw. Exekutivbediensteter.
Die Polizeigrundausbildung besteht aus einer Basisausbildung von zwölf Monaten, die Basiswissen für den Dienst in einer Polizeiinspektion vermittelt, zwei Berufspraktika von insgesamt sieben Monaten in Polizeiinspektionen und einer vertiefenden Ausbildung von fünf Monaten. Aufnahmevoraussetzungen sind im Wesentlichen, dass man österreichische Staatsbürgerin oder österreichischer Staatsbürger von mindestens 18 Jahren und handlungsfähig ist. Schulische oder universitäre Qualifikationen werden nicht vorausgesetzt.
Sollte die Rekrutierung tatsächlich aus dem Pool der Bewerbungen für die allgemeine Polizeigrundausbildung erfolgen, wird das Ziel einer erhöhten Qualifizierung jedoch gerade nicht erreicht. Warum erfolgt keine öffentliche Ausschreibung, die sich konkret an Bewerberinnen und Bewerber richtet, die im Staatsschutz tätig sein wollen? Aktiv eingeworben werden sollten Interessentinnen und Interessenten, die bereits Fachwissen und Praxiserfahrung aus verschiedensten Bereichen mitbringen. Hierfür könnten Hochschulabschlüsse etwa aus den Bereichen der Rechts-, Religions-, Sozialoder Sprachwissenschaften relevant sein. In Deutschland erfolgen etwa eigene Stellenausschreibungen für Hochschulabsolvent*innen durch Bundeskriminalamt und Bundesamt für Verfassungsschutz für verschiedenste analytische oder wissenschaftliche Tätigkeiten.
Nicht attraktiv
Ein Quereinstieg qualifizierter Personen mit bereits vorhandener facheinschlägiger Expertise wird derzeit nicht forciert. Ausschreibungen, die für den allgemeinen Polizeidienst werben, sind für Höherqualifizierte nicht attraktiv. Die allgemeine Grundausbildung und offiziell beworbene polizeiliche Laufbahn sieht nämlich keine Anrechnungsmöglichkeiten oder FastTrack-Verfahren für Bewerberinnen und Bewerber vor, die bereits Qualifikationen mitbringen. Eine jahrelange Schulung von Grundkenntnissen und Dienstverrichtung im Streifendienst, bevor man spezialisiert tätig sein kann, werden zum einen kaum Höherqualifizierte anlocken. Zum anderen sollten weder Eignung für noch Interesse an den Tätigkeiten für Verfassungsschutz und allgemeinen Exekutivdienst gleichgesetzt werden.
Natürlich braucht es eine durch die Behörde vermittelte Spezialausbildung. Diese ersetzt jedoch nicht solche Fachkenntnisse und Fähigkeiten, die von Hochschulabsolventinnen und -absolventen, gegebenenfalls mit einschlägiger Berufspraxis, in den Verfassungsschutz eingebracht werden könnten. Darüber hinaus brächten Höherqualifizierte, die auch externe berufliche (Sozialisations-)Erfahrungen gesammelt haben, eventuell frischen Wind in die ebenfalls im Bericht der Untersuchungskommission thematisierte Organisationskultur. Eine tatsächliche Professionalisierung und transparente Personalrekrutierung des Verfassungsschutzes kann nur durch gezielte öffentliche Ausschreibungen auf allen Ebenen erfolgen.
ISABEL HAIDER ist Universitätsassistentin am Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien.