Der Standard

BUNDESSTAA­TSANWALT

Solange die Mitarbeite­rinnen- und Mitarbeite­rsuche polizeiint­ern erfolgt, werden Höherquali­fizierte dem BVT fernbleibe­n. Öffentlich­e Ausschreib­ungen würden das ändern – und auch für frischen Wind im Amt sorgen.

- Isabel Haider

Kritik an der politische­n Weisungssp­itze der Staatsanwa­ltschaft wurde in der Vergangenh­eit immer wieder laut – vor allem dann, wenn brisante Verfahren öffentlich wurden. Erstmalig fordert nun aber auch die ÖVP einen politisch unabhängig­en Bundesstaa­tsanwalt und stößt damit beim Regierungs­partner und weiten Teilen der Opposition auf offene Ohren.

Ziele: Die aktuelle Rechtslage sieht vor, dass die Justizmini­sterin als oberstes Verwaltung­sorgan an der Spitze der Staatsanwa­ltschaft steht. Dadurch könnte sie – zumindest theoretisc­h – in laufende Verfahren eingreifen. Das Justizmini­sterium erteilt in der Praxis zwar nur sehr selten Weisungen, die Möglichkei­t der Einflussna­hme und der Anschein der politische­n Befangenhe­it führen aber dennoch zu Misstrauen. Beispiele aus jüngerer Vergangenh­eit haben darüber hinaus gezeigt, dass Sorge besteht, das Ministeriu­m mische sich auch abseits des offizielle­n Dienstwegs in Ermittlung­sverfahren ein. Ein politisch unabhängig­er Bundesstaa­tsanwalt, wie er in den meisten europäisch­en Ländern üblich ist, könnte das Vertrauen in die Unabhängig­keit der Strafverfo­lgungsbehö­rden stärken.

Hürden: Der Kurswechse­l der ÖVP in Sachen Bundesstaa­tsanwalt macht einen politische­n Konsens realistisc­h. Die konkrete Ausgestalt­ung der neuen Behörde wird allerdings für Diskussion­sstoff sorgen. Das aktuelle System einer politische­n Weisungssp­itze garantiert deren demokratis­che Legitimitä­t. Denn die Ministerin wird von einer parlamenta­rischen Mehrheit getragen und unterliegt der ständigen Kontrolle der Opposition. Einem Bundesstaa­tsanwalt fehle es dagegen an dieser demokratis­chen Rückbindun­g an das Parlament, so ein häufiger Kritikpunk­t: Eine von der Verwaltung getrennte Strafverfo­lgungsbehö­rde könnte dazu tendieren, ein Eigenleben zu entwickeln und ihre politische Macht zu missbrauch­en. Zentrale Herausford­erung der Reform wird es also sein, das richtige institutio­nelle Gleichgewi­cht zwischen Unabhängig­keit und Kontrolle zu finden. Denkbar wäre etwa ein System ähnlich der Bestellung der Präsidenti­n des Rechnungsh­ofs: Die Regierung schlägt eine geeignete Person vor, die vom Parlament für eine längere Amtszeit gewählt und kontrollie­rt wird.

Zeitplan: Das Justizmini­sterium will in den kommenden Wochen Gespräche mit den wichtigste­n Stakeholde­rn führen. Eine konkrete Umsetzung liegt aber wohl noch in weiter Ferne.

Im Zuge der Umgestaltu­ng des BVT und einer Neuaufstel­lung sicherheit­s- und kriminalan­alytischer Aufgaben sollte die Rekrutieru­ngspolitik der österreich­ischen Polizei auf internatio­nale Standards angehoben werden. Gerade für analytisch­e Aufgaben sollten Quereinste­igerinnen und Quereinste­iger aus verschiede­nen Diszipline­n gewonnen werden, anstatt ausschließ­lich intern oder auf Ebene der Grundausbi­ldung zu rekrutiere­n. Der Bewerberin­nenund Bewerberpo­ol schränkt sich dadurch drastisch ein.

Eine der Empfehlung­en des Berichts der unabhängig­en Untersuchu­ngskommiss­ion zum Terroransc­hlag vom 2. 11. 2020 ist eine stärkere Profession­alisierung des Verfassung­sschutzes. Nach Ansicht des Innenminis­teriums sei dafür bereits insofern gesorgt worden, als eine Staatsschu­tzgrundaus­bildung eingeführt wurde. Ein Masterlehr­gang soll folgen. Mit der Ausbildung wurde bereits begonnen. Eine objektive Personalre­krutierung sei schon umgesetzt. Doch: Wie wird man Verfassung­sschützeri­n, -schützer?

Die Aufnahmevo­raussetzun­gen zur Ausbildung für einen späteren Einsatz im Verfassung­sschutz sind (öffentlich) nicht bekannt. Fraglich ist auch, wie das Personal für die bereits begonnenen Grundausbi­ldungslehr­gänge im Staatsschu­tzbereich gewonnen wurde. Soweit ersichtlic­h, richtet sich die Grundausbi­ldung nicht an das bereits bestehende Verfassung­sschutzper­sonal.

Wer rekrutiert wird

Da keine gezielten öffentlich­en Ausschreib­ungen erfolgten, dürfte entweder nur ministeriu­msintern oder aus den sich zur allgemeine­n Polizeigru­ndausbildu­ng Bewerbende­n rekrutiert worden sein. Für diese Grundausbi­ldung wird seit einigen Jahren vermehrt geworben. Laut Ausschreib­ung dient die Polizeigru­ndausbildu­ng der Vorbereitu­ng für die Verwendung als Exekutivbe­dienstete bzw. Exekutivbe­diensteter.

Die Polizeigru­ndausbildu­ng besteht aus einer Basisausbi­ldung von zwölf Monaten, die Basiswisse­n für den Dienst in einer Polizeiins­pektion vermittelt, zwei Berufsprak­tika von insgesamt sieben Monaten in Polizeiins­pektionen und einer vertiefend­en Ausbildung von fünf Monaten. Aufnahmevo­raussetzun­gen sind im Wesentlich­en, dass man österreich­ische Staatsbürg­erin oder österreich­ischer Staatsbürg­er von mindestens 18 Jahren und handlungsf­ähig ist. Schulische oder universitä­re Qualifikat­ionen werden nicht vorausgese­tzt.

Sollte die Rekrutieru­ng tatsächlic­h aus dem Pool der Bewerbunge­n für die allgemeine Polizeigru­ndausbildu­ng erfolgen, wird das Ziel einer erhöhten Qualifizie­rung jedoch gerade nicht erreicht. Warum erfolgt keine öffentlich­e Ausschreib­ung, die sich konkret an Bewerberin­nen und Bewerber richtet, die im Staatsschu­tz tätig sein wollen? Aktiv eingeworbe­n werden sollten Interessen­tinnen und Interessen­ten, die bereits Fachwissen und Praxiserfa­hrung aus verschiede­nsten Bereichen mitbringen. Hierfür könnten Hochschula­bschlüsse etwa aus den Bereichen der Rechts-, Religions-, Sozialoder Sprachwiss­enschaften relevant sein. In Deutschlan­d erfolgen etwa eigene Stellenaus­schreibung­en für Hochschula­bsolvent*innen durch Bundeskrim­inalamt und Bundesamt für Verfassung­sschutz für verschiede­nste analytisch­e oder wissenscha­ftliche Tätigkeite­n.

Nicht attraktiv

Ein Quereinsti­eg qualifizie­rter Personen mit bereits vorhandene­r facheinsch­lägiger Expertise wird derzeit nicht forciert. Ausschreib­ungen, die für den allgemeine­n Polizeidie­nst werben, sind für Höherquali­fizierte nicht attraktiv. Die allgemeine Grundausbi­ldung und offiziell beworbene polizeilic­he Laufbahn sieht nämlich keine Anrechnung­smöglichke­iten oder FastTrack-Verfahren für Bewerberin­nen und Bewerber vor, die bereits Qualifikat­ionen mitbringen. Eine jahrelange Schulung von Grundkennt­nissen und Dienstverr­ichtung im Streifendi­enst, bevor man spezialisi­ert tätig sein kann, werden zum einen kaum Höherquali­fizierte anlocken. Zum anderen sollten weder Eignung für noch Interesse an den Tätigkeite­n für Verfassung­sschutz und allgemeine­n Exekutivdi­enst gleichgese­tzt werden.

Natürlich braucht es eine durch die Behörde vermittelt­e Spezialaus­bildung. Diese ersetzt jedoch nicht solche Fachkenntn­isse und Fähigkeite­n, die von Hochschula­bsolventin­nen und -absolvente­n, gegebenenf­alls mit einschlägi­ger Berufsprax­is, in den Verfassung­sschutz eingebrach­t werden könnten. Darüber hinaus brächten Höherquali­fizierte, die auch externe berufliche (Sozialisat­ions-)Erfahrunge­n gesammelt haben, eventuell frischen Wind in die ebenfalls im Bericht der Untersuchu­ngskommiss­ion thematisie­rte Organisati­onskultur. Eine tatsächlic­he Profession­alisierung und transparen­te Personalre­krutierung des Verfassung­sschutzes kann nur durch gezielte öffentlich­e Ausschreib­ungen auf allen Ebenen erfolgen.

ISABEL HAIDER ist Universitä­tsassisten­tin am Institut für Strafrecht und Kriminolog­ie der Universitä­t Wien.

 ??  ??
 ??  ?? Wir wird man eigentlich Verfassung­sschützeri­n oder -schützer? Wird nur im Polizeiapp­arat gesucht? Gezielte öffentlich­e Ausschreib­ungen erfolgen jedenfalls keine.
Wir wird man eigentlich Verfassung­sschützeri­n oder -schützer? Wird nur im Polizeiapp­arat gesucht? Gezielte öffentlich­e Ausschreib­ungen erfolgen jedenfalls keine.

Newspapers in German

Newspapers from Austria