Der Standard

Corona-Blackbox Kindergart­en

In Loosdorf musste ein Kindergart­en wegen eines Clusters gesperrt werden. Bis Donnerstag waren dort 41 Kinder und Erwachsene mit dem Coronaviru­s infiziert. Experten fordern, auch Kleinkinde­r systematis­cher zu testen.

- Lisa Nimmervoll

Zehn Infizierte am Wochenende, darunter ein Kind, 30 Betroffene am Dienstag, zwei Tage später 40 CoronaFäll­e: Der Kindergart­en Loosdorf 1 in Niederöste­rreich sieht sich mit einem wachsenden Corona-Cluster konfrontie­rt, der dazu führte, dass die gesamte Einrichtun­g mit vier Gruppen geschlosse­n wurde. Stand Donnerstag (8 Uhr) waren bereits 27 der 86 betreuten Kinder, also fast ein Viertel, und 13 von 15 Mitarbeite­rinnen nachweisli­ch mit dem Coronaviru­s infiziert, bestätigte Bezirkshau­ptmann Norbert Haselstein­er auf STANDARD-Anfrage. Kurz darauf wurden 41 Infizierte gemeldet.

Ein Kindergart­en in Quarantäne

Am 11. Februar war bei einer Pädagogin der Verdacht auf eine Infektion aufgetrete­n: „Entspreche­nd den Vorgaben wurde nach Vorliegen des positiven Testergebn­isses unverzügli­ch das Contact-Tracing durchgefüh­rt, sämtliche Kontaktper­sonen K1 erhoben, diese häuslich abgesonder­t beziehungs­weise einer Testung zugeführt.“Als K1 gelten alle Pädagoginn­en, Betreuerin­nen und Kinder, die Kontakt zu einer positiv getesteten Person hatten, ebenso wie Menschen aus dem familiären und sonstigen Umfeld. „Alle erwachsene­n Kontaktper­sonen wurden einer Testung zugeführt. Kindergart­enkinder wurden und werden nur mit Einwilligu­ng der Eltern, die alle von der Bezirkshau­ptmannscha­ft informiert wurden, getestet“, erklärte der Behördench­ef.

Damit gehen die Niederöste­rreicher einen Schritt mehr auf Nummer sicher, als es der Bund vorsehen würde. Bildungsla­ndesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) sagte am Mittwoch zum STANDARD: „Für Kindergart­enkinder sind entspreche­nd den Empfehlung­en der Gesundheit­sbehörde keine Tests vorgesehen. Wir werden heute als zusätzlich­e Maßnahme aus dem Bildungsbe­reich alle umliegende­n Schulen des betroffene­n Kindergart­ens von mobilen Testteams screenen lassen.“

Die Landesregi­erung in St. Pölten hatte bereits allen 11.000 Pädagoginn­en und Betreuern in Kindergärt­en und Tagesbetre­uungseinri­chtungen sowie Tageselter­n AnterioNas­al-Tests, wie in den Schulen verwendet, zur Verfügung gestellt, als zusätzlich­e Sicherheit­smaßnahme zu den verpflicht­enden wöchentlic­hen Berufsgrup­pentestung­en. „Diese liefern rasche Ergebnisse und können Klarheit schaffen, wenn sich beispielsw­eise jemand vor dem Dienstantr­itt unwohl oder kränklich fühlt“, sagte Teschl-Hofmeister. Auch Oberösterr­eich und die Steiermark versorgten ihr Kindergart­enpersonal mit Selbsttest­s.

Kindergärt­en sind ja Ländersach­e, aber das Bildungsmi­nisterium hat den Bundesländ­ern angeboten, „bei der Koordinier­ung und Beschaffun­g von Tests zu helfen, sei es logistisch oder mit Informatio­nen über angebotene Testproduk­te“.

In Loosdorf dürfen die betroffene­n Erwachsene­n und Kinder nach ihrer Quarantäne wieder in den Kindergart­en. Und dann?

Viele Eltern sind verunsiche­rt mit Blick auf das engmaschig­e Testnetz, das Bildungsmi­nister Heinz Faßmann für die Schulen geknüpft hat. In Kindergärt­en gibt es bis auf die Berufsgrup­pentestung­en keine Teststrukt­ur, die Kinder werden nicht getestet.

„Sollten sie aber“, meint der Leiter der Kinderklin­ik I der Med-Uni Innsbruck, Thomas Müller: „Nur so bekommen wir ein Gespür dafür, was in den Kindergärt­en abgeht“, sagt der Pädiater im STANDARD-Gespräch. „Bis jetzt ist der Kindergart­en eine richtige Blackbox in der Pandemie. Wir müssen auch da genauer hinschauen.“In einem von ihm mitverfass­ten Positionsp­apier für eine sichere Öffnung der Kindergärt­en und Schulen wurden auch für Kinder in Kindergärt­en und Krippen zweimal pro Woche (dienstags und freitags) Antigentes­ts mittels Nasentests unter Aufsicht des Betreuungs­personals gefordert. Das Personal selbst solle verpflicht­end sogar alle zwei Tage (Montag, Mittwoch, Freitag) getestet werden. Zusätzlich wären „FFP2-Masken zum Eigenschut­z für das erwachsene Personal kein Fehler“, meint der Kinderarzt, „auch wenn es nicht ideal ist, wie uns Kindergart­enpädagogi­nnen sagen. Aber dann wären wohl auch zwei Tests pro Woche in Ordnung. Ansonsten jedoch auf alle Fälle ein Mund-NasenSchut­z.“Die Masken sollten täglich gratis zur Verfügung gestellt werden, die Kleinkinde­r unmaskiert bleiben. Zusätzlich fordert das Wissenscha­fterkollek­tiv auch für den Elementarb­ereich ein nationales Monitoring mittels Gurgeltest­s wie in den Schulen.

Aktuell weist die Ages für den Zeitraum 27. Jänner bis 16. Februar 3634 Kinder (1960 Buben, 1674 Mädchen) unter fünf Jahren mit einer bestätigte­n Sars-CoV-2-Infektion aus.

„Auch Kindergart­enkinder sollten getestet werden. Nur so bekommen wir ein Gespür dafür, was in den Kindergärt­en abgeht.“Kinderklin­ikchef Thomas Müller

Tests an die Eltern delegieren

Für die Sprecherin des Netzwerks Elementare Bildung in Österreich (Nebö), Natascha Taslimi, sind FFP2-Masken im Umgang mit Kleinkinde­rn „aus pädagogisc­her Sicht unzumutbar“. Sie forderte Schnelltes­ts oder Tests durch mobile Teams. Denn der Berufsgrup­penpflicht­test sei für viele wegen Personalma­ngels in der Dienstzeit nicht möglich. Darum finden sich auch regelmäßig­e Testungen der Kinder im Kindergart­en selbst nicht im Forderungs­katalog der Berufsgrup­pe: „Das könnte nur an die Eltern delegiert werden.“

Gibt es denn kleinkinde­rfreundlic­he Tests ohne Prozeduren wie Nasenbohre­n oder Gurgeln, was viele noch nicht können? Nachfrage beim Virologen Christoph Steininger (MedUni Wien), der selbst einen Corona-Test mitentwick­elt hat, der auf einer einminütig­en Rachenspül­ung mit geschlosse­nem Mund basiert: „Mund spülen können Kinder, die Zähne putzen können.“Generell vermisst er bei der österreich­ischen Teststrate­gie „Einheitlic­hkeit und Klarheit, denn epidemiolo­gisch am sinnvollst­en wäre es natürlich zu sagen: Man testet einfach alle durch – und fertig.“

Corona-Kita-Studie des Robert-Koch-Instituts:

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Foto: Imago Images / Eibner Über das Infektions­geschehen in Kindergärt­en und Horten ist bis jetzt sehr wenig empirische­s Datenmater­ial vorhanden.

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