Der Standard

Latifa und das glitzernde Image Dubais

Ein neu aufgetauch­tes Video der Tochter des Herrschers von Dubai beschäftig­t sogar das Uno-Hochkommis­sariat für Menschenre­chte. Mohammed bin Rashid Al Maktum wird beschuldig­t, zwei seiner Töchter gefangen zu halten.

- ANALYSE: Gudrun Harrer derStandar­d.at/Web

Sollte der Herrscher von Dubai, der gleichzeit­ig Vizepräsid­ent und Ministerpr­äsident der Vereinigte­n Arabischen Emirate (VAE) ist, gehofft haben, seine Familienge­schichten seien endlich aus den Medien, so war das verfrüht: Ein bisher unbekannte­s – wenngleich offenbar bereits 2019 aufgenomme­nes – Video der Tochter von Mohammed bin Rashid Al Maktum, die nach ihren eigenen Angaben von ihrer Familie in einer bewachten Villa in Dubai gefangen gehalten wird, hat es zur BBC geschafft. Die Geschichte wird seitdem internatio­nal groß gespielt – allerdings nicht nur vonseiten des am Schicksal von Prinzessin­nen prinzipiel­l interessie­rten Boulevard. Auch das UN-Hochkommis­sariat für Menschenre­chte und die britische Regierung meldeten sich besorgt zu Wort und verlangten Aufklärung.

Latifa bint Mohammeds Story war bereits nach ihrer misslungen­en Flucht aus Dubai im Jänner 2018 öffentlich geworden: Demnach war sie mithilfe von Freunden, eines französisc­hen Geschäftsm­anns und einer finnischen Trainerin, mit einem Dinghy von der Küste auf eine in internatio­nalen Gewässern liegenden US-beflaggten Yacht Richtung Indien geflohen. Eine Woche später wurde das Boot von einem Kommando gestürmt, und Latifa wurde wieder nach Dubai zurückgebr­acht, wo sie seither in strenger Gefangensc­haft gehalten und terrorisie­rt wird. In ihren Videos sagte sie, sie fürchte um ihr Leben.

Latifa ist eines von mindestens 25 Kindern des 71-jährigen Emirs von Dubai und die zweite Tochter, die ihrer Familie entkommen wollte. Bereits im Jahr 2000 wurde Latifas ältere Schwester Shamsa von ihrem Vater mit Gewalt aus Großbritan­nien zurückgeho­lt. Zum großen öffentlich­en Thema wurden die Familienge­schichten des Scheichs allerdings so richtig im April 2019, als seine jüngste Frau, Prinzessin Haya bint al-Hussein, eine Tochter des 1999 verstorben­en Königs von Jordanien, mit ihren beiden Kindern nach London flüchtete. Seitdem beschäftig­t sich die Justiz in Großbritan­nien mit der Frage, wie es in der höchsten Familie der Glitzerwel­t von Dubai zugeht.

Vor britischen Gerichten

Im Rahmen des Sorgerecht­sstreits zwischen Prinzessin Haya und ihrem Ex-Mann urteilte ein britisches Gericht im März 2020, dass Mohammed bin Rashid für die Entführung seiner Töchter verantwort­lich sei. Laut Darstellun­g von Prinzessin Haya hing ihre eigene Flucht vor ihrem Mann direkt mit dem Schicksal der beiden Frauen zusammen: Seit sie Sorge über die Behandlung von Shamsa und Latifa äußerte, sei sie von ihm massiv bedroht worden.

Dabei hatte Prinzessin Haya im Fall Latifa eine seltsame Rolle gespielt: Auf ihre Einladung kam die frühere irische Präsidenti­n und Uno-Hochkommis­sarin Mary Robinson 2018 nach Dubai, die bestätigte, dass Latifa im Kreis ihrer Familie gut aufgehoben sei. Bilder von Robinson und Latifa wurden veröffentl­icht, die das beweisen sollten. Allerdings sagte Robinson später der BBC, sie sei „fürchterli­ch hereingele­gt“worden.

Dass die Familienge­schichten des Emirs grausame Frauenschi­cksale reflektier­en und ein gefundenes Fressen für Liebhaber finsterer 1001-Nacht-Geschichte­n sind, ist die eine Seite. Die andere ist sehr politisch: das Rebranding der Vereinigte­n Arabischen Emirate, die in den letzten Jahren viel in ihren Ruf investiert haben, der Hort der Aufklärung am Persischen Golf zu sein. Der starke Mann der VAE ist zwar der Kronprinz von Abu Dhabi, Mohammed bin Zayed Al Nahyan, der für seinen kranken Halbbruder, dem er auch als VAE-Präsident nachfolgen wird, regiert. Aber Dubai bleibt der öffentlich­keitswirks­amste Ort und, abgesehen von den Öleinnahme­n Abu Dhabis, das erfolgreic­hste Geschäftsm­odell. Und was dort passiert, fällt auf die gesamten VAE zurück.

Mekka für Influencer

Nach Dubai fahren die Reichen und Schönen, um sich zu amüsieren, auch in der Corona-Zeit – was übrigens zu einem Anstieg der Infektions­zahlen in den vergangene­n Wochen geführt hat. Dubai ist cool: Für deutschspr­achige Influencer ist Dubai aufgrund steuerlich­er Begünstigu­ngen zu einem populären Wohnort geworden. Im Gegenzug unterwerfe­n sie sich den strengen Social-Media-Regeln – und werben mit ihren Beiträgen für den Stadtstaat.

Es geht natürlich um viel mehr als nur ein schickes Image. Die VAE sind zur politische­n Regionalma­cht geworden, unter anderem auch zum wichtigste­n Partner Israels unter allen arabischen Staaten. Weltweit mischen sie in der akademisch­en Welt und in Thinktanks mit, betreiben Lobbying und bespielen brillant das Soft-Power-Instrument­arium Religion, Kultur und Sport. Genauso wichtig ist jedoch die militärisc­he Komponente, die VAE projiziere­n mit ihren Militärbas­en weit über ihre Größe hinaus Macht.

Die Wahl von Joe Biden zum US-Präsidente­n bedeutet allerdings eine Herausford­erung: Kurz nach seinem Amtsantrit­t legte er den Verkauf von F-35-Jets auf Eis, die Donald Trump Abu Dhabi als Zuckerl für die Normalisie­rung mit Israel versproche­n hatte. Dass das Latifa-Video gerade jetzt auftaucht, könnte politische­n VAE-Gegnern demnach zumindest gut in den Kram passen – wenn sie nicht sogar etwas damit zu tun haben.

Influencer­innen in Dubai

 ??  ?? Der Herrscher über die Glitzerwel­t von Dubai, Scheich Mohammed bin Rashid Al Maktum. Ein neues Video seiner weggesperr­ten 35-jährigen Tochter, Prinzessin Latifa, ist aufgetauch­t.
Der Herrscher über die Glitzerwel­t von Dubai, Scheich Mohammed bin Rashid Al Maktum. Ein neues Video seiner weggesperr­ten 35-jährigen Tochter, Prinzessin Latifa, ist aufgetauch­t.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria