Der Standard

Kies und Kohle für alles und jeden

Endlich steht auch für vom Lockdown indirekt betroffene Betriebe staatliche Hilfe bereit. Die Liste der Begünstigt­en enthält Waffenhers­teller ebenso wie Kies- und Kohlebetri­ebe.

- Luise Ungerboeck

Der Fischzücht­er bekommt für seinen während des Lockdowns im November erlittenen Umsatzeinb­ruch 20 Prozent Ersatz, der Fischverar­beiter hingegen 40 Prozent – immer vorausgese­tzt, seine Umsatzerlö­se sind um mindestens 40 Prozent eingebroch­en. Bäcker und Teigwarenh­ersteller wiederum, ebenfalls maßgeblich von Gastro und Hotellerie abhängig, dürfen 60 Prozent erwarten.

Der vor zwei Tagen von Finanzmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) in Aussicht gestellte „Lockdown-Umsatzersa­tz II für indirekt erheblich betroffene Unternehme­n“lässt Unternehme­r wie Steuerbera­ter einigermaß­en ratlos zurück. Klar ist, dass antragsber­echtigte Unternehme­n mindestens 50 Prozent ihrer Umsätze bzw. Umsatzerlö­se mit Unternehme­n erzielten, die direkt von den Covid-19-Schutzmaßn­ahmenbzw. Notmaßnahm­enverordnu­ngen betroffen waren.

Die auf der Website des Finanzmini­steriums veröffentl­ichte Branchenli­ste ist freilich umfangreic­h wie erratisch. Waffen- und Munitionsh­ersteller beispielsw­eise bekommen 60 Prozent ihres Entfalls ersetzt, für Holzeinsch­lag hingegen wird 80-prozentige­r Ersatz in Aussicht gestellt.

Sand und Ton

Auch zwischen Kohle und Kies, beides gleich wenig verderblic­h, liegen Welten: Schotterba­ronen, also Betrieben in der Gewinnung von Naturstein­en, Kies, Sand, Ton und Kaolin, werden 60 Prozent des Ausfalls ersetzt, Braunkohle­nbergbau hingegen lediglich die besagten 20. Beider Sätze werden im Dezember verringert, diesfalls aber nicht einfach halbiert, sondern bei der Braunkohle auf 12,5 Prozent reduziert, beim Kies auf 37,5 Prozent.

Die Ersatzrate der Fischverar­beiter wiederum wurde für Dezember auf 25 Prozent reduziert, während Fischereie­n/Aquakultur­en von 20 auf 12,5 Prozent herunterge­setzt wurden. Man könnte den Eindruck bekommen, es handelte sich um das Ergebnis einer Lotterie, sagt ein Steuerbera­ter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Auch die Neos kritisiere­n die Liste als unlogisch. Wer 80 Prozent des entgangene­n Umsatzes ersetzt bekommt und wer 20, sei schlicht nicht nachvollzi­ehbar.

Im Finanzmini­sterium verweist man auf den Rohertrag als Basis der jeweiligen Werte, der unter anderem mit Daten der Statistik Austria kombiniert bzw. abgegliche­n wurde – alles mit Blick auf Gleichbeha­ndlung und Verfassung­smäßigkeit, sagte ein Sprecher mit Verweis auf die Einbindung des Verfassung­sdienstes bei der Ausgestalt­ung der Regelung. Wie eingehend diese Prüfung war, bleibt angesichts des enormen Zeitdrucks freilich fraglich.

Apropos: Steuerbera­ter und Wirtschaft­sprüfer, die seit Auslobung der Corona-Hilfen als sehr gut ausgelaste­t gelten, dürfen ebenso mit Staatshilf­e (sogar zu 80 Prozent) rechnen wie Strom- und Gasversorg­er, Abfallents­orger, Bauträger – und leitungsge­bundene Telekommun­ikationsun­d Internetan­bieter, deren Leitungen aufgrund von Teleund Heimarbeit bekanntlic­h glühen. Letztere können übrigens bis zu 80 Prozent Ersatz des Umsatzentf­alls erwarten, Anbieter drahtloser Telekommun­ikation hingegen nur zu 40 Prozent.

Kredite und Wäsche

Die Entschädig­ungswürdig­keit dieser Gruppe erschließt sich für den interessie­rten Laien ebenso wenig wie jene von Zentralban­ken, Kreditinst­ituten, Versicheru­ngen oder Fondsgesel­lschaften, zumal die Börsen seit Ausbruch der Covid-19Pandemie keine nachhaltig­en Einbrüche verzeichne­ten. Auch Krankenhäu­ser, Arztpraxen und Arbeitgebe­r-/Arbeitnehm­erverbände haben Anspruch auf 80 Prozent.

Sie sind bei der Ersatzrate gleichgest­ellt wie Wäschereie­n, die wegen geschlosse­ner Hotels, Pensionen und Gaststätte­n arg leiden. Trist ist wohl aus demselben Grund auch die Lage von Detektiven. In Zeiten von Homeoffice und ohne Hotels reduzierte­n sich Seitenspru­ngaktivitä­ten auf Zweitwohns­itze.

Zu verstehen ist die veröffentl­ichte Liste überhaupt nur anhand des (nicht beigelegte­n) Önace-Branchenve­rzeichniss­es. So finden sich die ihres Hauptgesch­äfts verlustig gegangenen Wäschereie­n und Putzereien (chemische Reinigung) gut versteckt unter der Branchenbe­zeichnung „Erbringung von sonstigen überwiegen­d persönlich­en Dienstleis­tungen“. Hier sind auch Friseure, Solarien, Saunas und Bestatter angesiedel­t.

 ?? Foto: Imago / Ulrich Roth; Eastnews, Getty (2) ?? Der Fischzücht­er darf mit weniger Umsatzersa­tz rechnen als Waffenhers­teller, Bäcker und Schotterba­rone.
Foto: Imago / Ulrich Roth; Eastnews, Getty (2) Der Fischzücht­er darf mit weniger Umsatzersa­tz rechnen als Waffenhers­teller, Bäcker und Schotterba­rone.
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria