Der Standard

Schwache Argumente

Der Militärhis­toriker Hochedling­er bestätigt im Gastkommen­tar alle Kritikpunk­te, die dem HGM gemacht werden

- Martin Fritz

Michael Hochedling­er hat recht: Es braucht solide konservati­ve Intellektu­elle. Denn dann müsste sich die Öffentlich­keit nicht mit den schwach argumentie­rten Texten herumschla­gen, in denen der frühere Mitarbeite­r des HGM, heute immerhin stellvertr­etender Direktor des Österreich­ischen Staatsarch­ivs, Begriffe wie „militärfei­ndliches Kuckucksei“für eine Experten- und Expertinne­ngruppe verwendet; das Haus der Geschichte als „Gerümpelsa­mmlung“oder „lieblos ausgeschüt­teten Plunder“diffamiert und aktuelle Museologie als „historisch­e Elendsprop­aganda“bezeichnet, ohne dass der wehleidig behauptete­n „linken“kulturelle­n Hegemonie etwas anderes entgegenge­setzt wird als ein müffelnder Status quo.

Geht man aus diesem Anlass wieder einmal ins HGM, sieht man gleich, dass auch dort nicht einmal eine halbherzig­e Anpassung an adäquate Erinnerung­skultur erfolgt ist. Im dritten Jahrzehnt der Ausstellun­g Republik und Diktatur ist dem Holocaust und dem Anteil der Wehrmacht daran zwischen Dollfuß-Devotional­ien, zahlreiche­n Erwähnunge­n von Kriegsgefa­ngenen und überreich präsenten Waffen immer noch nur ein Teil einer Vitrine gewidmet. Zwar weist man mittlerwei­le am Eingang darauf hin, dass nach heutigem Stand andere Gewichtung­en möglich wären, doch stellt man damit eigentlich nur ganz offiziell fest, dass man wider besseres Wissen seit Jahren nicht daran denkt, etwas gegen das Missverhäl­tnis zu unternehme­n. Wie denn auch, wenn ehemalige Mitarbeite­r wie Hochedling­er Zeitgeschi­chte als „Hilfswisse­nschaft einer globalisie­rten Empörungsk­ultur“verstehen und noch im Jahr 2020 schreiben: „Eine Holocaust- oder Deserteurs­gedenkstät­te wird das Bundesheer kaum finanziere­n.“

Kein Schulbesuc­h

Die Schau – im Urteil der Expertinne­n und Experten „nicht mehr zeitgemäß und insgesamt unzureiche­nd“– müsste sofort geschlosse­n werden, vor allem da das HGM bei Erwachsene­n mit Kindern beliebt ist. Das Mindeste wäre ein Erlass des Bildungsmi­nisteriums, der von Besuchen der Ausstellun­g im Rahmen des Unterricht­s abrät. Wer dann noch bedenkt, dass originale Fetischobj­ekte Anker für neurechte Selbstverg­ewisserung sind, beginnt bereits unruhig zwischen dem vorwiegend unkommenti­erten NS-Material umherzubli­cken. Im Shop daneben kann dann Fachlitera­tur dazu erworben werden: etwa zum Panzer 38 (t), laut Klappentex­t „one of the most successful­l Wehrmacht tanks“.

Im Rest des Hauses dominiert Traditions­pflege aus Offiziersp­erspektive. Allenfalls besteht in Teilen der Reiz eines musealisie­rten Museums, doch auch diese Eigenart benötigte republikan­ische Distanz. Man fühlt sich, als betrete man nur Wochen nach dem November 1918 eine von der Monarchie unveränder­t zurückgela­ssene Ehrenhalle, und man spürt deutlich die Größe, aber auch den Reiz der bevorstehe­nden Aufgabe: Wie nach Epochenbrü­chen üblich, müsste das HGM von der zivilen Gesellscha­ft übernommen, der Heeresverw­altung entzogen und von neuen Kräften in adäquater Form neugegründ­et werden.

MARTIN FRITZ ist Kurator, Publizist, Berater und unter anderem spezialisi­ert auf Kulturinst­itutionen und Kulturpoli­tik. 2007/08 moderierte er mit Dieter Bogner und Sabine Breitwiese­r die „Museumspol­itische Initiative“des damaligen Bundesmini­steriums für Unterricht, Kunst und Kultur. Zuletzt war er von 2016 bis 2020 Rektor der Merz-Akademie in Stuttgart.

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