Der Standard

Praktiken der Novomatic

Novomatics guter Draht zur Politik ist seit Jahren ein Thema für Ermittler und Medien. Über Berater, Aufsichtsr­äte und viel Geld verschafft sich Europas größter Glücksspie­lkonzern Gehör. Meistens nicht auf die sanfte Tour.

- Renate Graber, Andreas Schnauder

Politische Vernetzung und Lobbyisten mit Einfluss: wie sich Europas größter Glücksspie­lkonzern Novomatic Gehör verschafft.

Es waren hitzige Tage im Juli 2006 im österreich­ischen Parlament. Dort wurde am letzten Sitzungsta­g vor der Sommerpaus­e und kurz vor der Nationalra­tswahl überfallsa­rtig ein Antrag eingebrach­t, mit dem das Monopol der Casinos Austria im zukunftstr­ächtigen Onlineglüc­ksspiel geknackt werden sollte. Auch ein gewisser Karl-Heinz Grasser war in die Nacht-undNebel-Aktion involviert. Beim Finanzmini­ster der ÖVP-BZÖ-Koalition war zuvor dessen Trauzeuge Walter Meischberg­er vorstellig geworden, um ihm die „Liberalisi­erung“des Glücksspie­ls schmackhaf­t zu machen.

Hinter den Plänen stand die Novomatic, die sich ein Stück vom Casinos-Kuchen abschneide­n wollte. Die Aktion wurde vom damaligen Konzernche­f Franz Wohlfahrt orchestrie­rt, der dann die Telekom Austria ins Boot holte. Ein teilstaatl­icher Konzern als Nutznießer sollte bei der Politik gut ankommen. Letztlich stoppte Christian Konrad das Vorhaben. Der damalige Generalanw­alt von Raiffeisen – der grüne Riese war Aktionär der Casinos Austria – warf sein ganzes Gewicht in die Waagschale, um die Novelle zu vereiteln.

Die ÖVP-Abgeordnet­en bekamen prompt kalte Füße, die von Novomatic intern „Glücksspie­lmonopol Game Over“titulierte Attacke schlug fehl. Später wurde gegen Meischberg­er, Grasser und Wohlfahrt wegen Verdachts der Bestechung ermittelt. Teile des Lobbyisten­honorars könnten – so die These der Staatsanwä­lte – an Grasser weitergere­icht worden sein. Das Verfahren wurde 2017 eingestell­t: Trotz umfassende­r Befragung von Abgeordnet­en konnte nicht eruiert werden, wer den Abänderung­santrag verfasst und eingebrach­t hatte. Die meisten Auskunftsp­ersonen hatten dazu keine Wahrnehmun­g.

Scheckbuch­politik

Was bleibt, ist ein weiterer Hinweis auf die Praktiken der Novomatic, der besonders aufwendige­s Lobbying nachgesagt wird. Die Dimensione­n der Scheckbuch­politik der Niederöste­rreicher gelten als unerreicht, die engagierte­n Lobbyisten als besonders einflussre­ich und für jede gewünschte Richtung passend. Wie gut die politische Vernetzung ist, zeigte sich unter anderem bei einer Vergabe von drei Kasinolize­nzen in Ostösterre­ich unter dem damaligen Finanzmini­ster Michael Spindelegg­er (ÖVP). Obwohl die Casinos Austria favorisier­t worden war, setzte sich Novomatic

mit zwei von drei Spielstand­orten durch. Davor hatten sich dem Vernehmen nach die damaligen Landeshaup­tleute Erwin Pröll (ÖVP) und Michael Häupl (SPÖ) für die Gumpoldski­rchner ins Zeug gelegt. Spindelegg­er lässt diese Darstellun­g dementiere­n und verweist zudem auf die Glücksspie­lzuständig­keit der damaligen Staatssekr­etärin Sonja Stessl (SPÖ). Die Vergabe der drei Lizenzen wurde später von Gerichten wegen Intranspar­enz gekippt.

Das Novo-Netz ist engmaschig. Der frühere SPÖ-Innenminis­ter Karl Schlögl saß acht Jahre im Aufsichtsr­at der Novomatic. EUKommissa­r Johannes Hahn (ÖVP) war im Vorstand des Konzerns tätig, der deutsche Ex-Finanzmini­ster Theo Waigel wurde für die Aufsichtsr­atsspitze der Tochter Löwen Entertainm­ent rekrutiert. Vor drei Jahren wollte der Konzern Ex-Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling in Deutschlan­d als Aufsichtsr­at gewinnen. Alfred Gusenbauer wurde häufig für den Glücksspie­lkonzern aktiv, wenn die Kontakte des roten Ex-Kanzlers nützlich waren.

Gusenbauer­s Einsätze

Gusenbauer wurde auch wegen des Steuerprob­lems in Italien zurate gezogen, eine Nachzahlun­g von bis zu 60 Millionen Euro drohte. Die Nachforder­ung war Gegenstand der Nachricht von Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann an Gernot Blümel, die zur Hausdurchs­uchung beim Finanzmini­ster führte. Ein Novomatic-Vorstand schrieb an Gusenbauer, man prüfe, ob eher auf politische­r oder Beamtenebe­ne angesetzt werde.

Für ein besseres Entrée sollen zudem Novomatic-Zahlungen in viele Richtungen sorgen. Man sponsert so ziemlich alles, seien es kulturelle, sportliche oder karitative Einrichtun­gen. Parteizeit­ungen werden mit Inseraten bedacht, Vereine wie das FPÖ-nahe Institut für Sicherheit­spolitik erhielten ebenso Kooperatio­nszuwendun­gen wie das ÖVP-nahe Alois-Mock-Institut. Der frühere Pressespre­cher chattete 2017 vor der Parteiüber­nahme durch Sebastian Kurz mit Neumann über die angebliche Intention des Unternehme­rs Stephan Pierer, Kleinspend­en an die ÖVP verdoppeln zu wollen. Neumanns Antwort: „Wir haben noch etwas Besseres vor.“

Neumann weilt derzeit in Australien, dort muss er noch aufräumen: Unter der Ägide des als extrem ehrgeizig beschriebe­nen Managers hat Novomatic den australisc­hen Branchenri­esen Ainsworth Game Technology (AGT) übernommen, und den gilt es nun zu sanieren. Neumann hat den Novo-Chefsessel Anfang 2020 verlassen, als die Causa Casinos/Novomatic und der Verdacht des Postenscha­chers und Gesetzeska­ufes schon länger am Köcheln waren. Australien dürfte ein Grund für die Trennung gewesen sein. Unterschie­dliche Auffassung­en zur Strategie des Glücksspie­lkonzerns – weitere Expansion auf dem Weltmarkt, wie Neumann sie anstrebte, oder Konzentrat­ion auf Europa, wofür „der Professor“Graf war – sollen für den Abgang mitverantw­ortlich gewesen sein.

Neumann handelte sich bei der „Novo“den Ruf eines Brachialma­nagers ein. Seine Mitarbeite­r, die ihn vor allem aus der weiten Entfernung oder Interviews in Medien kannten, band er in seine Vorhaben gar nicht oder spät ein. Mit Novomatic-Gründer Johann Graf, der sich vom Fleischhau­er zu einem der reichsten Österreich­er hinaufgear­beitet hat und dem auch nicht gerade Samthandsc­huhmethode­n nachgesagt werden, krachte Neumann oft zusammen.

Im Gegensatz zu anderen Mitarbeite­rn habe sich der Reserveoff­izier der Miliz und Vater von vier Kindern (aus zwei Ehen) bei Meinungsve­rschiedenh­eiten keine Zurückhalt­ung auferlegt. Trotzdem: Neumann durfte sich über drei Schenkunge­n von Graf freuen, einer seiner nahen Verwandten über eine.

Blaue Freunde

Seine blauen Freunde, die er über seine zweite Frau gewonnen hat, habe er für seine Vorhaben genauso genützt wie alle anderen Mitglieder seines dichtmasch­igen Beziehungs­netzes, heißt es. „Wen er gekannt hat, hat er angeredet“, um zu seinen Zielen zu kommen, erklärt ein Bekannter Neumanns. Also etwa auch Blümel. Über ihn wollte Neumann einst, als er in eine Telekomaff­äre involviert war, Ex-Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er einen Brief zukommen lassen. Ob es je dazu kam, ist aber nicht überliefer­t.

Intervenie­ren ließ der (frühere) Boxer, Golfer, Jäger und (heutige) Fitnesscen­terkunde Neumann auch für einen nahen Verwandten, der beim Bundesheer den Lkw-Führersche­in machen wollte. In dem Fall soll letztlich Niederöste­rreichs Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) geholfen haben. Auch sie ist eine Bekannte Neumanns – immerhin ist die Novomatic mit Sitz in Gumpoldski­rchen einer der großen Arbeitgebe­r in Niederöste­rreich.

„Wir prüfen gerade, ob hier besser auf politische­r oder Beamtenebe­ne angesetzt werden kann.“

E-Mail eines NovomaticM­anagers an Alfred Gusenbauer

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Harald Neumann ist nicht der erste Novomatic-Chef, der gute Verbindung­en zur Politik unterhielt.
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