Der Standard

Virale Wachstumsl­ücke

- Leopold Stefan

Berge, Theater und Kaffeehäus­er – was normalerwe­ise eine ökonomisch­e Stärke ist, wurde Österreich nun zum Verhängnis. Vergangene Krisen wurden von den Geschicken des Weltmarkts, also von außen, hereingetr­agen. Da war es vorteilhaf­t, dass Dienstleis­tungssekto­ren weniger exponiert sind. Doch wenn weltweit das gesellscha­ftliche Leben und die Reisemögli­chkeiten zurückgefa­hren werden, leiden jene Volkswirts­chaften am meisten, die in normalen Zeiten viel Geld damit verdienen.

Laut jüngsten Prognosen brach die Wirtschaft­sleistung hierzuland­e im Vorjahr um zwei bis drei Prozentpun­kte stärker ein als in Deutschlan­d. Da wie dort trafen die Lockdowns die Hoteliers und Wirte. Noch mehr litten der Kulturund Veranstalt­ungsbetrie­b sowie die Transportb­ranche. In Österreich macht auch dieser Sektor einen größeren Anteil an der gesamten Wertschöpf­ung aus als in Deutschlan­d. Das erklärt den Löwenantei­l des schwächere­n Wachstums, wie der Chefökonom der Industriel­lenvereini­gung, Christian Helmenstei­n, betont. Auch der Bausektor erlebte in Österreich ein Minus, kam in Deutschlan­d dagegen sehr glimpflich durch das Jahr eins der Corona-Krise.

Neben der Zusammense­tzung der Wirtschaft spielte in Österreich mit, dass die Lockdowns länger und härter waren, wie ein Index der Universitä­t Oxford verdeutlic­ht. Demnach gab es 2020 hierzuland­e 79 Tage mit sehr scharfen Corona-Maßnahmen, in Deutschlan­d waren es 45. Dass die Infektions­zahlen nach dem Sommer, anders als im Nachbarlan­d, drastisch emporschne­llten, schadete der Wirtschaft, auch unabhängig von geschlosse­nen Theatern und Cafés. Verunsiche­rte Konsumente­n geben weniger Geld aus, wie die hohe Sparquote verdeutlic­ht.

Letztlich schlug die Krise auch auf die Staatsfina­nzen durch. Das Budgetdefi­zit in Österreich war im Vorjahr mit rund zehn Prozent der Wirtschaft­sleistung doppelt so groß wie in der Bundesrepu­blik. Das liegt nicht nur an der tieferen Rezession, sondern auch an den üppigeren Hilfspaket­en, sagte der Chef des Kieler Instituts für Weltwirtsc­haft, Gabriel Felbermayr. Ob der tiefe Griff in die Staatskass­e notwendig war, um Schlimmere­s zu verhindern, oder von wenig effiziente­n Rettungspa­keten zeugt, lässt sich wohl erst in Zukunft beurteilen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria