Virale Wachstumslücke
Berge, Theater und Kaffeehäuser – was normalerweise eine ökonomische Stärke ist, wurde Österreich nun zum Verhängnis. Vergangene Krisen wurden von den Geschicken des Weltmarkts, also von außen, hereingetragen. Da war es vorteilhaft, dass Dienstleistungssektoren weniger exponiert sind. Doch wenn weltweit das gesellschaftliche Leben und die Reisemöglichkeiten zurückgefahren werden, leiden jene Volkswirtschaften am meisten, die in normalen Zeiten viel Geld damit verdienen.
Laut jüngsten Prognosen brach die Wirtschaftsleistung hierzulande im Vorjahr um zwei bis drei Prozentpunkte stärker ein als in Deutschland. Da wie dort trafen die Lockdowns die Hoteliers und Wirte. Noch mehr litten der Kulturund Veranstaltungsbetrieb sowie die Transportbranche. In Österreich macht auch dieser Sektor einen größeren Anteil an der gesamten Wertschöpfung aus als in Deutschland. Das erklärt den Löwenanteil des schwächeren Wachstums, wie der Chefökonom der Industriellenvereinigung, Christian Helmenstein, betont. Auch der Bausektor erlebte in Österreich ein Minus, kam in Deutschland dagegen sehr glimpflich durch das Jahr eins der Corona-Krise.
Neben der Zusammensetzung der Wirtschaft spielte in Österreich mit, dass die Lockdowns länger und härter waren, wie ein Index der Universität Oxford verdeutlicht. Demnach gab es 2020 hierzulande 79 Tage mit sehr scharfen Corona-Maßnahmen, in Deutschland waren es 45. Dass die Infektionszahlen nach dem Sommer, anders als im Nachbarland, drastisch emporschnellten, schadete der Wirtschaft, auch unabhängig von geschlossenen Theatern und Cafés. Verunsicherte Konsumenten geben weniger Geld aus, wie die hohe Sparquote verdeutlicht.
Letztlich schlug die Krise auch auf die Staatsfinanzen durch. Das Budgetdefizit in Österreich war im Vorjahr mit rund zehn Prozent der Wirtschaftsleistung doppelt so groß wie in der Bundesrepublik. Das liegt nicht nur an der tieferen Rezession, sondern auch an den üppigeren Hilfspaketen, sagte der Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Gabriel Felbermayr. Ob der tiefe Griff in die Staatskasse notwendig war, um Schlimmeres zu verhindern, oder von wenig effizienten Rettungspaketen zeugt, lässt sich wohl erst in Zukunft beurteilen.