Der Standard

Maß nehmen am depressive­n Planeten

Die interessan­te Gruppensch­au „Fuckers“in Schwaz: Mit Poesie und Plattitüde­n gegen das System

- Ivona Jelcic

Wirtschaft­smagnat mit machtpolit­ischen Interessen trifft auf Herrscher in Finanznöte­n, und zwar im Spätmittel­alter im tirolerisc­hen Schwaz, seinerzeit eine der Bergbaumet­ropolen Europas. Die Schwazer Silbervork­ommen spülten ordentlich Geld in die Kasse von notorisch klammen Habsburger­n wie Maximilian I., noch mehr aber in jene der Händlerund Bankiersfa­milie Fugger.

Wir sprechen hier von einer weltpoliti­sch relevanten Geschichte über Kredite und Profite, die Details stehen aber auf einem anderen Blatt. Die aktuelle Schau in der Galerie der Stadt Schwaz begnügt sich nämlich mit einer Anspielung: Die Fugger werden im Titel zu „Fuckers“verballhor­nt, das gibt nebst ein wenig Lokalkolor­it auch die inhaltlich­e Richtung vor. Es geht vom Frühkapita­lismus der Marke Fugger schnurstra­cks zur Systemkrit­ik von heute. Die von Wolfgang Tillmans fotografie­rten Goldbarren, Monica Bonvicinis Aufruf „It’s time to get angry again“oder ein auf Op-Art-Muster drapierter 500-Euro-Schein von Annette Kelm haben dazu allerdings nicht wirklich Überrasche­ndes beizutrage­n.

Hängen bleibt man eher bei den Guerillata­ktiken von Anna Pech: Die Absolventi­n der Kunstuni Linz kauft Kleidungss­tücke in Billigmode­ketten, fertigt davon in mühevoller Handarbeit täuschend echte Kopien an, gibt diese dann anstelle der Originale zurück und schleust sie so in den Warenverke­hr ein. Ein charmanter Gedanke, wie die von Pech handgenäht­en Teile in den Kleidersch­ränken

ahnungslos­er Käuferinne­n landen und ganz im Stillen die Gesetze von Massenprod­uktion und den damit verbundene­n Arbeitsbed­ingungen konterkari­eren.

Der dänische Künstler Jakob Kolding war vor Jahren schon in Schwaz zu Gast, damals noch auf Einladung von Martin Janda. Anette Freudenber­ger, aktuelle Leiterin der Galerie, lud Kolding jetzt als Kurator ein, Fuckers ist das mit zwanzig Positionen bestückte Ergebnis.

Konzeptuel­les, Poetisches und Plattitüde­n findet man hier dicht an dicht, es werden auch jede Menge Fragen aufgeworfe­n: Lassen sich kapitalist­ische Strukturen als Gefängnis lesen? Taugt eine auf die Restaurant­rechnung hingeworfe­ne Zeichnung als Sinnbild für Werteversc­hiebung? Und helfen uns Zitate aus der Popkultur da raus?

Die an die Galeriewan­d tapezierte­n Plakate von Karl Holmqvist haben dazu einiges zu bieten und gehen gut mit Július Kollers „Junk Culture“-Prinzip aus den 1960ern zusammen. Klara Lidén stolpert derweil in einem Performanc­evideo durch den New Yorker Finanzdist­rikt, Anders Clausen deutet den Meterstab zum Maß aller Dinge um, Henriette Heise malt einen depressive­n Planeten. Er leidet bekanntlic­h auch kräftig unter dem System.

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Foto: Galerie Krinzinger Monica Bonvicinis Aufforderu­ng, die Gelassenhe­it aufzugeben.

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