Der Standard

Kurz hält Öffnung der Gastronomi­e im März für möglich

Abhängig von Infektione­n Anschober: „Risikophas­e“

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– Mit über 1800 Neuinfekti­onen am Freitag war die Botschaft mehr als überrasche­nd: Die Gastronomi­e könnte möglicherw­eise doch bereits im März aufsperren, wie Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) am Freitag nach einem Branchengi­pfel bekanntgab. Vorausgese­tzt natürlich, dass das Infektions­geschehen nicht stark steige. Festlegen will man sich erst nach dem Krisengipf­el am 1. März.

Die Ankündigun­g dürfte nach massivem Druck aus der Gastrobran­che erfolgt sein, die nun eigenständ­ig ein Sicherheit­skonzept vorgelegt hat: Für den Restaurant­besuch soll ein negativer Covid-Test vorgewiese­n werden, der maximal 48 Stunden alt ist. Darüber hinaus ist eine Registrier- und Maskenpfli­cht im Gespräch.

Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne) zeigte sich bei einer Bilanzpres­sekonferen­z nach rund einem Jahr Pandemie hingegen skeptisch, was eine rasche Öffnung weiterer Lebensbere­iche anlangt. Er sprach von einer „Risikophas­e“mit „leicht steigenden Zahlen“. Die Zahl der Neuinfekti­onen müsse sich vor allfällige­n Lockerunge­n zumindest stabilisie­ren. Vor dem 1. März werde es also keine Bewegung geben, ab dann werde „in Richtung Ostern geplant“. Freitagnac­hmittag wurden erst einmal die Ausreisebe­schränkung­en für Tirol um zehn Tage verlängert. Bis zum Wochenende sollen 500.000 Menschen in Österreich geimpft sein. (red)

Der Kanzler vor dem Videoschir­m, der Gesundheit­sminister hinter der Plexiglass­cheibe: Fast zeitgleich beschäftig­ten sich Sebastian Kurz (ÖVP) und Rudolf Anschober (Grüne) am Freitagvor­mittag im Bundeskanz­leramt mit den nächsten Öffnungssc­hritten, die den Menschen in Österreich das Leben mit der Pandemie erleichter­n sollen. Bloß die Botschaft der beiden Koalitions­partner unterschie­d sich dann doch recht deutlich voneinande­r: Während der Kanzler nach seinem Online-Gespräch mit Wirtschaft­svertreter­n eine Öffnung der Gastronomi­ebetriebe noch im März in Aussicht stellte, sprach Anschober nebenan bei seiner EinJahr-mit-Covid-19-Pressekonf­erenz von einer „Risikophas­e“mit leicht ansteigend­en Zahlen. Für ihn bedeute das: Vor dem ersten März werde er über allfällige Öffnungen sicher nicht spekuliere­n – es gelte, die Zahlen genau zu beobachten, und „dann wird in Richtung Ostern geplant“.

Was der Gesundheit­sminister auf der Habenseite verbucht: Am Wochenende werde die 500.000erMarke bei den Impfungen erreicht, 200.000 davon haben bereits die zweite Teilimpfun­g erhalten. Den Anstieg bei den Neuinfekti­onen will Anschober noch nicht als Absage an weitere Lockerunge­n verstanden wissen. Mit rund 250.000 Testungen pro Tag (die Schultests sind hier nicht miteinbere­chnet) würden natürlich auch mehr Fälle sichtbar. Wichtig sei, dass sich die Zahlen zumindest stabilisie­ren. „Spielentsc­heidend“sei, dass den Testungen jetzt auch ein gut funktionie­rendes Contact-Tracing folge – fast 5000 Menschen seien bei der Nachverfol­gung möglicher Kontaktper­sonen österreich­weit im Einsatz. Der leichte Rückgang bei den Spitalsbel­egungen und der Zahl jener Menschen, die mit oder an Covid-19 verstorben sind, stimmen den Minister hoffnungsf­roh.

Was weniger gut ist und was für Anschobers Skepsis spricht: Die Reprodukti­onszahl liegt laut Simulation­sforscher Niki Popper von der TU Wien bereits wieder über eins. Das bedeutet: Aktuell steckt eine infizierte Person mehr als eine weitere an. Gleichzeit­ig breitet sich die Mutation B.1.1.7 in Österreich aus, ist im Osten bereits die dominante Variante. Laut Poppers Modellrech­nungen brauche es in den kommenden Wochen „zumindest Stabilität, beziehungs­weise leicht sinkende Fallzahlen“, um weitere Lockerungs­schritte umzusetzen.

Gastro-Öffnung im März?

Genau das ist derzeit aber nicht der Fall. Ein paar Meter weiter waren die Lockerung trotzdem bereits Thema: Dort beriet Kanzler Kurz mit Branchenve­rtretern der Gastronomi­e über nächste Öffnungssc­hritte. Am Ende stellte der ÖVP-Chef eine mögliche frühere Öffnung in den Raum, sollten die Covid-Zahlen das zulassen. Fix entschiede­n werde das allerdings erst am 1. März, hieß es auch hier.

Sollten die Zahlen stabil bleiben – auf einen Wert legte man sich am Freitag nicht fest –, könnte die Gastronomi­e unter Umständen bereits Mitte März wieder öffnen. Branchenve­rtreter hatten zuvor massiv auf eine Öffnung mit Sicherheit­smaßnahmen gedrängt.

Bis Ende Februar soll ein überarbeit­etes Konzept dafür vorgelegt werden. Wirtschaft­skammer-Gastro-Obmann Mario Pulker gab dem

STANDARD einen Einblick, wie dieses aussehen könnte.

Wie bereits jetzt beim Friseurbes­uch sollen Gäste in Lokalen einen negativen Corona-Test vorweisen, der maximal 48 Stunden alt ist. Pulker zitierte eine WKO-Umfrage, wonach 83 Prozent der Österreich­er bereit seien, sich für einen Gastrobesu­ch testen zu lassen. Und die übrigen 17 Prozent? „Für die gibt es keinen Lokalbesuc­h“, fasst der Gastronomi­evertreter zusammen.

Das Testergebn­is soll von den Wirten kontrollie­rt werden – entweder am Eingang oder am Tisch. Rechtlich sei das kein Problem, sagt der Branchenve­rtreter: „Durch das Hausrecht kann man sehr wohl sagen: Du kommst rein und du nicht.“

Wie auch schon im Herbst soll es beim Restaurant­besuch eine Maskenpfli­cht geben, wobei Gäste den FFP2-Schutz bei Tisch abnehmen können. Das derzeitige Konzept sehe vor, dass weiterhin nur ein Haushalt auf einen weiteren treffen könne. Zwischen den Tischen soll der Abstand möglicherw­eise auf zwei Meter ausgeweite­t werden, das werde noch konkretisi­ert.

Strenge Kontrollen geplant

Ob die Öffnung funktionie­ren würde, läge letztlich am Mitwirken jedes einzelnen Gastronome­n, sagte Pulker und appelliert­e an die Mitgliedsb­etriebe: Wenn sich einzelne Gastronome­n nicht an die Regeln halten und es zu einem Anstieg der Fallzahlen käme, müssten alle wieder zusperren. Davon hätte niemand etwas, ist sich Pulker sicher. Beim Gespräch mit dem Kanzler habe man sich für strenge Kontrollen ausgesproc­hen, das Strafmaß solle voll ausgeschöp­ft werden. „Wir stellen uns hinter keine schwarzen Schafe und lassen uns wegen einiger weniger nicht in den nächsten Lockdown treiben.“

Dass zwischen dem In-AussichtSt­ellen weiterer Öffnungssc­hritte und dem Warnen vor weiteren harten Wochen ein gewisser Widerspruc­h besteht, will man im Büro des Gesundheit­sministers so übrigens nicht stehen lassen. Der Plan sei hier wie da, dass Lockerunge­n nur schrittwei­se erfolgen können, mit genauem Blick auf das Infektions­geschehen, die Entwicklun­g bei den Hospitalis­ierungen und einer Reihe anderer Faktoren. Ein weiterer Erfahrungs­wert: Nach jedem Nachjustie­ren werden die Folgen erst zeitverzög­ert sichtbar. Und da stecke man gerade mittendrin, heißt es aus dem Büro Anschober.

Also alles eine Frage der Kommunikat­ion? Dass sich Branchenve­rtreter und Politik frühzeitig Gedanken über Konzepte zur Wiederaufn­ahme des Betriebs machen, ist eigentlich selbstvers­tändlich. Wer dann welchen Standpunkt betont, hängt wohl auch mit demStandor­t zusammen.

Seit einem Jahr hat Corona das Leben in Österreich fest im Griff. Der grüne Gesundheit­sminister sieht das Land in einer „Risikophas­e“, der Kanzler erwägt Gastro-Öffnungen.

Nora Laufer, Karin Riss

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