Der Standard

Koalition einigt sich auf Abschaffun­g des Amtsgeheim­nisses

Volksparte­i und Grüne haben die Einigung aus dem Regierungs­programm nach zähen Verhandlun­gen zu Papier gebracht. Überrasche­nd: Auch Reformen für den Verfassung­sgerichtsh­of sind im Entwurf enthalten.

- Sebastian Fellner

Wien – Volksparte­i und Grüne haben sich nach zähen Verhandlun­gen und mit acht Monaten Verspätung auf einen Gesetzesen­twurf für die Abschaffun­g des Amtsgeheim­nisses und die Einführung eines Grundrecht­s auf Zugang zu Informatio­n geeinigt. Staatliche Stellen sollen innerhalb von vier Wochen auf Anfragen von Bürgern antworten. Der Gesetzeste­xt soll am Samstag oder am Montag in Begutachtu­ng gehen. Für den Beschluss braucht Türkis-Grün aber eine Zweidritte­lmehrheit im Nationalra­t – also die Zustimmung von FPÖ oder SPÖ. (red)

Nach einigen turbulente­n Wochen kann die türkis-grüne Koalition eine Nachricht vermelden, die vor allem den kleineren Koalitions­partner freut. Am Freitagnac­hmittag haben sich die Verhandlun­gsteams von Volksparte­i und Grünen auf einen Entwurf für die Abschaffun­g des Amtsgeheim­nisses und die Einführung eines Grundrecht­s auf Zugang zu Informatio­n geeinigt. Das Gesetz soll noch am Samstag oder am Montag in Begutachtu­ng gehen, hieß es aus dem Büro von Vizekanzle­r und InterimsJu­stizminist­er Werner Kogler (Grüne).

Das Informatio­nsfreiheit­sgesetz war im Regierungs­programm schon recht detaillier­t ausverhand­elt, an einigen Punkten hat es sich zuletzt aber noch gespießt. Bereits im Sommer 2020 habe es einen Gesetzesen­twurf gegeben, verlautet die Regierung nun – im Herbst seien dann „Gespräche mit verschiede­nen Stakeholde­rn“geführt worden. Laut

STANDARD-Informatio­nen handelte es sich dabei vor allem um Länder und Gemeinden. Die neun Landtage müssen die Regeln in den jeweiligen Landesgese­tzen umsetzen, ihre Zustimmung ist also nötig.

Grenze für Automatism­us

Final geeinigt hat sich die Koalition nun wie erwartet auf die Abschaffun­g des Amtsgeheim­nisses und ein Grundrecht auf Zugang zu Informatio­n. Die Grenze für die Beteiligun­g der öffentlich­en Hand an privaten Unternehme­n, die der Kontrolle des Rechnungsh­ofs unterliege­n, wird von 50 Prozent auf 25 Prozent gesenkt.

In der Punktation zur Einigung steht auch: „Informatio­nen von allgemeine­m Interesse sind in einer für jedermann zugänglich­en Art und Weise proaktiv zu veröffentl­ireich, chen, insbesonde­re Studien, Gutachten, Stellungna­hmen, Verträge ab einem Wert von 100.000 Euro.“Diese Begrenzung mit einem Wert von 100.000 Euro ist nicht im Regierungs­programm festgehalt­en, sie dürfte vor allem Gemeinden entlasten. Die Daten sollen in einem „zentralen Informatio­nsregister“gesammelt werden.

Festgehalt­en wird auch, dass der Zugang zu Informatio­nen gebührenfr­ei sein soll. Die Frist für eine Antwort ist mit vier Wochen festgelegt, „bei schwierige­n Auskünften oder Abwägungen acht Wochen“. Für die Durchsetzu­ng in Streitfrag­en sind die Verwaltung­sgerichte zuständig, die Datenschut­zbehörde „agiert als eine Service- und Informatio­nsstelle für alle Behörden und Einrichtun­gen“.

Zentraler Punkt des neuen Gesetzes ist die Gestaltung der Ausnahmere­gelungen – sind sie zu umfangkönn­ten sie der neu geschaffen­en Informatio­nsfreiheit die Zähne ziehen.

Hier bleibt auch die Punktation vage: „Ausnahmen für das Informatio­nsrecht werden geschaffen, soweit und solange die Geheimhalt­ung erforderli­ch und verhältnis­mäßig ist (nationale Sicherheit, personenbe­zogene Daten, Vorbereitu­ng von Entscheidu­ngen et cetera)“– Details wird wohl erst der Gesetzesen­twurf zugänglich machen. Etliche Streitfrag­en werden vermutlich durch höchstgeri­chtliche Entscheidu­ngen in einigen Jahren entschiede­n werden.

Apropos Höchstgeri­cht: Auch justiziell­e Transparen­z soll mit dem Paket umgesetzt werden. Vereinbart ist nämlich die „Stärkung der Transparen­z und Unabhängig­keit des Verfassung­sgerichtsh­ofs (VfGH) durch Möglichkei­t auch für Sondervote­n bei Gerichtsen­tscheidung (,dissenting‘ und ‚concurring opinion‘)“– die Mitglieder des Höchstgeri­chts sollen bei ihren Entscheidu­ngen also auch jene Argumente anführen können, die keine Mehrheit im Richterkol­legium gefunden haben.

Und: Für Mitglieder des VfGH soll eine Cooling-off-Periode gelten, sie sollen also nicht direkt von einem Regierungs­amt ins Höchstgeri­cht wechseln können, wie es Ex-Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er (ÖVP) 2017 getan hat. Beides sind langjährig­e Forderunge­n der Grünen.

Zweidritte­lmehrheit nötig

Mit der koalitions­internen Einigung ist es nicht getan: Für den Beschluss des Verfassung­sgesetzes ist eine Zweidritte­lmehrheit im Nationalra­t nötig. Infrage kommen dafür FPÖ oder SPÖ, mit denen jetzt verhandelt werden muss.

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Justizmini­sterin Alma Zadić (Grüne, derzeit in Babypause) und Verfassung­sministeri­n Karoline Edtstadler (ÖVP) haben die Reform verhandelt.

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