Koalition einigt sich auf Abschaffung des Amtsgeheimnisses
Volkspartei und Grüne haben die Einigung aus dem Regierungsprogramm nach zähen Verhandlungen zu Papier gebracht. Überraschend: Auch Reformen für den Verfassungsgerichtshof sind im Entwurf enthalten.
Wien – Volkspartei und Grüne haben sich nach zähen Verhandlungen und mit acht Monaten Verspätung auf einen Gesetzesentwurf für die Abschaffung des Amtsgeheimnisses und die Einführung eines Grundrechts auf Zugang zu Information geeinigt. Staatliche Stellen sollen innerhalb von vier Wochen auf Anfragen von Bürgern antworten. Der Gesetzestext soll am Samstag oder am Montag in Begutachtung gehen. Für den Beschluss braucht Türkis-Grün aber eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat – also die Zustimmung von FPÖ oder SPÖ. (red)
Nach einigen turbulenten Wochen kann die türkis-grüne Koalition eine Nachricht vermelden, die vor allem den kleineren Koalitionspartner freut. Am Freitagnachmittag haben sich die Verhandlungsteams von Volkspartei und Grünen auf einen Entwurf für die Abschaffung des Amtsgeheimnisses und die Einführung eines Grundrechts auf Zugang zu Information geeinigt. Das Gesetz soll noch am Samstag oder am Montag in Begutachtung gehen, hieß es aus dem Büro von Vizekanzler und InterimsJustizminister Werner Kogler (Grüne).
Das Informationsfreiheitsgesetz war im Regierungsprogramm schon recht detailliert ausverhandelt, an einigen Punkten hat es sich zuletzt aber noch gespießt. Bereits im Sommer 2020 habe es einen Gesetzesentwurf gegeben, verlautet die Regierung nun – im Herbst seien dann „Gespräche mit verschiedenen Stakeholdern“geführt worden. Laut
STANDARD-Informationen handelte es sich dabei vor allem um Länder und Gemeinden. Die neun Landtage müssen die Regeln in den jeweiligen Landesgesetzen umsetzen, ihre Zustimmung ist also nötig.
Grenze für Automatismus
Final geeinigt hat sich die Koalition nun wie erwartet auf die Abschaffung des Amtsgeheimnisses und ein Grundrecht auf Zugang zu Information. Die Grenze für die Beteiligung der öffentlichen Hand an privaten Unternehmen, die der Kontrolle des Rechnungshofs unterliegen, wird von 50 Prozent auf 25 Prozent gesenkt.
In der Punktation zur Einigung steht auch: „Informationen von allgemeinem Interesse sind in einer für jedermann zugänglichen Art und Weise proaktiv zu veröffentlireich, chen, insbesondere Studien, Gutachten, Stellungnahmen, Verträge ab einem Wert von 100.000 Euro.“Diese Begrenzung mit einem Wert von 100.000 Euro ist nicht im Regierungsprogramm festgehalten, sie dürfte vor allem Gemeinden entlasten. Die Daten sollen in einem „zentralen Informationsregister“gesammelt werden.
Festgehalten wird auch, dass der Zugang zu Informationen gebührenfrei sein soll. Die Frist für eine Antwort ist mit vier Wochen festgelegt, „bei schwierigen Auskünften oder Abwägungen acht Wochen“. Für die Durchsetzung in Streitfragen sind die Verwaltungsgerichte zuständig, die Datenschutzbehörde „agiert als eine Service- und Informationsstelle für alle Behörden und Einrichtungen“.
Zentraler Punkt des neuen Gesetzes ist die Gestaltung der Ausnahmeregelungen – sind sie zu umfangkönnten sie der neu geschaffenen Informationsfreiheit die Zähne ziehen.
Hier bleibt auch die Punktation vage: „Ausnahmen für das Informationsrecht werden geschaffen, soweit und solange die Geheimhaltung erforderlich und verhältnismäßig ist (nationale Sicherheit, personenbezogene Daten, Vorbereitung von Entscheidungen et cetera)“– Details wird wohl erst der Gesetzesentwurf zugänglich machen. Etliche Streitfragen werden vermutlich durch höchstgerichtliche Entscheidungen in einigen Jahren entschieden werden.
Apropos Höchstgericht: Auch justizielle Transparenz soll mit dem Paket umgesetzt werden. Vereinbart ist nämlich die „Stärkung der Transparenz und Unabhängigkeit des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) durch Möglichkeit auch für Sondervoten bei Gerichtsentscheidung (,dissenting‘ und ‚concurring opinion‘)“– die Mitglieder des Höchstgerichts sollen bei ihren Entscheidungen also auch jene Argumente anführen können, die keine Mehrheit im Richterkollegium gefunden haben.
Und: Für Mitglieder des VfGH soll eine Cooling-off-Periode gelten, sie sollen also nicht direkt von einem Regierungsamt ins Höchstgericht wechseln können, wie es Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) 2017 getan hat. Beides sind langjährige Forderungen der Grünen.
Zweidrittelmehrheit nötig
Mit der koalitionsinternen Einigung ist es nicht getan: Für den Beschluss des Verfassungsgesetzes ist eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat nötig. Infrage kommen dafür FPÖ oder SPÖ, mit denen jetzt verhandelt werden muss.