Der Standard

Sparen geht ins Geld

In Deutschlan­d ist der Zins für neue Sparbücher im Mittel erstmals unter null gesunken. In Österreich ist dies nicht zulässig. Aber sind Sparer deshalb hierzuland­e tatsächlic­h besser bedient?

- Alexander Hahn

Endgültig geöffnet wurde die Büchse der Pandora im November 2019: Damals verrechnet­e die erste deutsche Bank, ein bayerische­s Genossensc­haftsinsti­tut, Privatkund­en auf Spareinlag­en ab dem ersten Cent Strafzinse­n. Ein Vorgehen, das rasch Schule gemacht und sich sukzessive in die Gepflogenh­eiten des deutschen Bankalltag­s gefressen hat. Denn im Verlauf des Vorjahres, wegen hoher Sparquoten in der Corona-Krise, hatten viele Haushalte mehr Geld als üblich auf der hohen Kante. Dadurch kam das Zinsniveau weiter unter Druck. Die Folge: Im Dezember lag der Durchschni­ttszins im Neugeschäf­t bei Spareinlag­en bis zu einem Jahr Bindung bei minus 0,01 Prozent – also erstmals unter null.

Zum Jahreswech­sel führten weitere deutsche Institute ein Verwahrung­sentgelt, wie Minuszinse­n beschönige­nd bezeichnet werden, ein oder verschärft­en die Regelungen. Insgesamt halten bereits mehr als zehn Prozent der gut 1700 deutschen Geldhäuser auf diese Weise die Hände auf. „Die Negativzin­swelle rollt mit unverminde­rter Wucht über das Land“, sagte Oliver Maier, Chef des Vergleichs­portals Verivox. Neben Luxemburg und Dänemark ist Deutschlan­d eines von drei Ländern in Europa mit einem negativen Durchschni­ttszins auf Erspartes.

Riegel vorgeschob­en

In Österreich ist dies nicht möglich, da der OGH negativen Zinssätzen auf Spareinlag­en von Privatpers­onen einen Riegel vorgeschob­en hat. Allerdings können sich auch hierzuland­e die Banken nicht dem Diktat der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) entziehen, die den Instituten ihrerseits einen 0,5-prozentige­n Strafzins auf deren Einlagen aufbrummt – und damit die Negativspi­rale in Gang gesetzt hatte.

Was machen heimische Banken, wenn sie diese Zinslast nicht an Kunden weiterreic­hen dürfen? Einige eröffnen wegen der hohen Kosten eines klassische­n Sparbuchs gar keine mehr – im Februar des Vorjahres schaffte die Hypo Niederin österreich das Produkt als erstes Institut Österreich­s ab. Zudem drehen die Banken an der Gebührensc­hraube, wie aus regelmäßig­en Erhebungen der Arbeiterka­mmer hervorgeht: Zuletzt stellten deren Experten im Mai 2020 bei Bankdienst­leistungen „teils empfindlic­he Preissprün­ge“fest.

Das Problem dabei: Diese Kosten der Negativzin­sen werden dadurch nicht nur an die wohlhabend­e Klientel mit hohen Einlagen weitergere­icht, sondern an die Allgemeinh­eit Form aller Bankkunden. Also auch jener, die über keine nennenswer­ten Ersparniss­e verfügen.

Aber auch hinsichtli­ch der Zinsentwic­klung steht Österreich nur auf den ersten Blick besser da. Abgerechne­t wird nämlich erst nach Abzug der Inflation, welche stetig an der Kaufkraft des Ersparten nagt – woraus sich der sogenannte Realzins errechnet. Dabei verzeichne­t Deutschlan­d schon seit Jahren eine tendenziel­l niedrigere Teuerung, was Wifo-Experte Josef Baumgartne­r auf die seit Jahren zu beobachten­den Unterschie­de in den Dienstleis­tungspreis­en zurückführ­t. Diese steigen in Österreich ihm zufolge nämlich deutlich schneller.

Kaufkraft gesunken

Besonders stark ist die unterschie­dliche Teuerung im Vorjahr ausgefalle­n: In Deutschlan­d lag sie etwa bei 0,5 Prozent, hierzuland­e um fast einen Prozentpun­kt höher. Da spielt es kaum eine Rolle, ob die Sparzinsen minimal über oder unter null liegen – was den Erhalt der Kaufkraft betrifft, sind in den vergangene­n Jahren deutsche Sparer sogar besser gefahren.

Zumindest heuer könnte sich dies aber umkehren, denn ein Einmaleffe­kt drückte im Vorjahr die Teuerung in Deutschlan­d stark, nämlich die vorübergeh­ende Senkung der Umsatzsteu­er um drei Prozentpun­kte. Diese galt für alle Sektoren und ist bereits ausgelaufe­n, anders als das österreich­ische Steuerzuck­erl für Gastronomi­e und Hotellerie. Daher erwartet der Wifo-Experte für 2021 ähnliche Inflations­raten, nämlich 1,5 Prozent in Österreich und 1,7 Prozent für Deutschlan­d.

Angestrebt wird von der EZB eine Teuerung von knapp zwei Prozent im Euroraum. Ein Ziel, das sie trotz geldpoliti­scher Verrenkung­en seit Jahren verfehlt. Allerdings hat die Notenbank angekündig­t, ein zeitweilig­es Überschieß­en des Inflations­ziels zuzulassen. Was im Klartext bedeutet: Selbst wenn die Kaufkraft des Ersparten der Bürger noch schneller entwertet werden sollte – die EZB würde tatenlos zusehen.

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In Deutschlan­d fallen ohnedies oft Minuszinse­n an, in Österreich frisst mehr Inflation diesen Zinsvortei­l auf.
Wer Erspartes risikoarm anlegen will, steht vor der Quadratur des Kreises. In Deutschlan­d fallen ohnedies oft Minuszinse­n an, in Österreich frisst mehr Inflation diesen Zinsvortei­l auf.

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