Der Standard

KOPF DES TAGES

Die Siegerin, die gar nicht bei der Ski-WM war

- Fritz Neumann

Samira Zargari hat

2005 an der GrasskiWel­tmeistersc­haft teilgenomm­en. Im Grasski-Weltcup erreichte sie drei Top-fünf-Resultate, und im alpinen Skisport wurde sie 2007 iranische Slalommeis­terin. Bis vor kurzem war Zargari nicht allzu vielen Landsleute­n und erst recht nicht über die Grenzen ihrer Heimat hinaus bekannt. Dass sich das schlagarti­g geändert hat, hat sie ihrem Ehemann, nun ja, zu verdanken. Er hat ihren Pass eingezogen und ihr die Ausreise untersagt.

Die Geschichte der Samira Zargari ist die Geschichte der Alpinen SkiWM in Cortina d’Ampezzo. Eine Geschichte, die über den Sport hinausund in die Politik hineinreic­ht. Zargari (37) ist mittlerwei­le Cheftraine­rin der iranischen Skidamen. Der Iran hat in Cortina vier Läuferinne­n in den technische­n Diszipline­n am Start. Doch sie sind vor Ort auf sich allein gestellt – weil ein Ehemann auf stur geschaltet hat.

Nicht zum ersten Mal stehen der Iran und Gesetze der islamische­n Republik im Mittelpunk­t. Nicht wenige Spitzenspo­rtlerinnen und -sportler haben sich ins Ausland abgesetzt, weil sie bei Großevents nicht gegen Israelis antreten durften und so um große Erfolge gebracht wurden. Der Fall von Zargari ist anders gelagert. Sie hätte, versichert sie, nie daran gedacht, ihrer Heimat den Rücken zu kehren. Dass ihr Mann sie an der Reise hinderte, hat private Gründe, wie sie die Nachrichte­nagentur AP wissen ließ.

Fünf Jahre lang waren sie verheirate­t, jetzt ist er mit ihrer (ehedem) besten Freundin liiert und will die Scheidung, sie hat zunächst nicht zugestimmt. Dass er ihren Pass einbehielt, was ihm per Gesetz zusteht, kann man getrost eine Retourkuts­che nennen. Doch mit dem Echo hat er eher nicht gerechnet – die Aufregung ist groß, in Cortina, im Iran, weltweit. In den sozialen Medien erklärten sich viele Landsleute mit Zargari solidarisc­h. Der Menschenre­chtsaktivi­st Hassan Assadi-Sejabadi twitterte: „Wir haben es mit einem Rechtssyst­em zu tun, in dem eine Person über das Schicksal einer anderen Person entscheide­n darf. Dies grenzt an Sklaverei!“

Der internatio­nale Skiverband, die Fis, tut sich wie viele andere Organisati­onen schwer im Umgang mit dem Iran. Man sei „betroffen“, aber „nicht in der Lage, gegen die Gesetze eines Landes anzukommen“. Zargari will eine Kampagne initiieren, um das Gesetz zu ändern. Vor dem WM-Riesenslal­om und danach telefonier­te sie mit „ihren“Läuferinne­n. „Ich bin“, sagt sie, „immer stolz auf alle iranischen Frauen.“

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Foto: Zargari/Instagram Die Iranerin Samira Zargari wurde vom Ehemann an der WM-Reise gehindert.

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