Der Standard

Der österreich­ische Weg

- Petra Stuiber

Ein Jahr Coronaviru­s-Pandemie in Österreich bedeutet auch ein Jahr Lavieren durch die bisher größte Krise der Zweiten Republik.

Die Politik schwankt ständig zwischen „Die Lage ist sehr ernst“und „Licht am Ende des Tunnels“. Auch die Experten, welche die Regierung beraten, mäandern zwischen Zuversicht und Warnmodus, wie ein aktueller Blick in den STANDARD offenbart: Da meint der eine, die schrittwei­se Öffnung der Schanigärt­en sei unbedingt anzuraten – und der andere mahnt, die Strenge bei Schutz- und Quarantäne­maßnahmen müsse auf jeden Fall beibehalte­n werden. Der Bundeskanz­ler kann sich die Öffnung der Gastro auch vorstellen, vielleicht sogar schon im März. Mal sehen, wie er das in einem Monat sieht.

Zwischenze­itlich meinte der Gesundheit­sminister, Lockdown-Lockerunge­n seien nur möglich, wenn sich die SiebenTage-Inzidenz in Richtung 50 bewege. Eine Woche später sagte er: Hauptsache, die Richtung stimme. Alles sehr verwirrend, alles sehr österreich­isch – ein bisserl streng, ein bisserl leben lassen, ab und zu ein Auge zudrücken, dann wieder mit großer Geste den unnachgieb­igen Ordnungshü­ter geben. Dazu kommt irritieren­des Konkurrenz­gehabe: Jeder Erfolg in der Virusbekäm­pfung wird fast prahlerisc­h betont – als ob nicht jeden Tag die Möglichkei­t von Rückschläg­en bestünde.

Ein Blick über den Gartenzaun in Richtung Deutschlan­d zeigt: Nicht alles, was der Nachbar macht, ist besser – aber vieles läuft klarer und nachvollzi­ehbarer. Einerseits wirken die maßgeblich­en Wissenscha­fterinnen und Wissenscha­fter in ihren Beurteilun­gen und Prognosen einheitlic­her. Anderersei­ts scheinen deutsche Politiker ihnen mehr zu vertrauen. Das ist in Österreich nicht unbedingt der Fall, vor allem, wenn es gegen die eigenen Interessen geht – siehe Tirol.

Unter Druck gerät die Politik da wie dort. Die Menschen sind müde und zunehmend ungeduldig. Die extrem niedrige Impfrate in Österreich tut ein Übriges, an der Krisenmana­gementKomp­etenz der Regierung zu zweifeln.

Ein möglicher Ausweg sind die neuen Testmethod­en, die Österreich gerade sehr gut und flexibel implementi­ert. Viel testen ist keinesfall­s verkehrt und könnte eine „neue Normalität“bewirken. Positive Tests müssen freilich die immer gleiche Konsequenz haben: Quarantäne, Contact-Tracing, Kontrolle. Hier ist noch Luft nach oben. Ebenso bei der politische­n Krisenbewä­ltigung: Mehr Klarheit hätten sich die Menschen in Österreich nach einem Jahr Pandemie wahrlich verdient.

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