Der nicht ganz so nette Onkel aus Amerika
Optimisten in Europas Hauptstädten sind wieder am Boden: Die USA setzen auch unter Joe Biden auf eigene Interessen – das wurde bei der Münchner Sicherheitskonferenz klar. Gemeinsam kämpfen will er aber für Demokratie.
Die USA zurück auf der Weltbühne. So hat sich US-Präsident Joe Biden schon vergangene Woche bei einer Rede im Außenministerium inszeniert, so sollte es bei seinen ersten großen Auftritten im internationalen Kreis auch aussehen. Gleich zwei waren es am Freitag. Zunächst wohnte der US-Präsident einem Videotreffen der G7 bei, bei dem er unter anderem die Vier-Milliarden-Zusage der USA für ein globales Corona-Impfprogramm vorstellte, das auch Deutschland mit Milliarden unterstützen soll. Danach hielt er bei einer Videoschaltung zur Münchener Sicherheitskonferenz am Abend seine erste große Rede an die Verbündeten.
Schon zuvor hatte dort UN-Generalsekretär António Guterres in seiner Rede die Rückkehr des Multilateralismus gefordert. Nur dieser könne helfen, die zahlreichen Krisen, denen die Welt gegenüberstehe, zu entschärfen. Biden nahm den Faden auf. Die transatlantische Zusammenarbeit nannte er „einen Eckpfeiler der internationalen Politik“.
Welt am Scheideweg
Der US-Präsident warnte vor der „Welt am Scheideweg“– zwischen jenen, die Autokratie für eine überlegene Regierungsform halten würden, und den Anhängern der Demokratie. „Wir müssen zeigen, dass unser Modell kein Relikt der Vergangenheit ist, sondern das Beste, um das Versprechen der Zukunft zu erfüllen.“Wie man im „Wettkampf mit China“agiere, sagte Biden, werde den Lauf der Geschichte stark beeinflussen – und auch in jenem mit Russland, das den Erfolg der europäischen Einigung zerstören wolle.
Die USA würden den Kampf aufnehmen, versicherte er: „Sie sollen wissen: Die USA werden ihren Teil erfüllen. Lassen Sie uns unseren Urenkeln in der Zukunft zeigen, dass die Demokratie funktioniert und dass es nichts gibt, was wir nicht gemeinsam schaffen können.“
Mit Biden auf der virtuellen Bühne standen die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron. Merkel zitierte dann auch den Naturforscher Alexander von Humboldt: „Alles ist Wechselwirkung“, wie sie am Beispiel der Corona-Pandemie ausführte. Sicherheit gebe es erst, wenn der ganzen Welt Behandlung zur Verfügung stehe. Und auch sie sprach vom Systemkonflikt mit Peking, in dem die Demokratie Wert beweisen müsse.
Bidens Verbundenheit mit Europa und der EU hat ihren Ursprung wohl auch darin, dass der 78-jährige Biden auch noch ganz andere Zeiten erlebt hat – besonders den Gegensatz zwischen Ost und West, der den einst jungen Senator aus Delaware zum überzeugten Transatlantiker machte. Schon vor 40 Jahren war Biden auf seiner ersten Sicherheitskonferenz in München.
Optimisten am Boden
Dass die Hoffnungen in Biden so groß sind, liegt aber weniger in dessen persönlicher Geschichte, sondern eher im Kontrast zu seinem Vorgänger. Doch auch die USA unter Biden werden ihre eigenen Interessen verfolgen, die teils im Gegensatz zu denen der EU stehen – das hat in den vergangenen Wochen himmelhohe Optimisten eines Besseren belehrt.
Die USA fordern von Europa mehr Einsatz für die eigene Sicherheit. Dass europäische Staaten das NatoZiel, zwei Prozent des BIP für Verteidigung auszugeben, erreichen, fordert auch Biden. Entsprechende Schritte begrüßte er am Freitag ausdrücklich. Auch wird der US-Präsident, der die Förderung heimischer Produkte zu einer Priorität erkoren hat, nicht alle Handelsschranken abbauen. Zudem bleibt der Disput um die Pipeline Nord Stream 2 zwischen Deutschland und den USA. Washington möchte Berlin weiter vom gemeinsamen Gasprojekt mit Russland abbringen.