Der Standard

Der nicht ganz so nette Onkel aus Amerika

Optimisten in Europas Hauptstädt­en sind wieder am Boden: Die USA setzen auch unter Joe Biden auf eigene Interessen – das wurde bei der Münchner Sicherheit­skonferenz klar. Gemeinsam kämpfen will er aber für Demokratie.

- Manuel Escher

Die USA zurück auf der Weltbühne. So hat sich US-Präsident Joe Biden schon vergangene Woche bei einer Rede im Außenminis­terium inszeniert, so sollte es bei seinen ersten großen Auftritten im internatio­nalen Kreis auch aussehen. Gleich zwei waren es am Freitag. Zunächst wohnte der US-Präsident einem Videotreff­en der G7 bei, bei dem er unter anderem die Vier-Milliarden-Zusage der USA für ein globales Corona-Impfprogra­mm vorstellte, das auch Deutschlan­d mit Milliarden unterstütz­en soll. Danach hielt er bei einer Videoschal­tung zur Münchener Sicherheit­skonferenz am Abend seine erste große Rede an die Verbündete­n.

Schon zuvor hatte dort UN-Generalsek­retär António Guterres in seiner Rede die Rückkehr des Multilater­alismus gefordert. Nur dieser könne helfen, die zahlreiche­n Krisen, denen die Welt gegenübers­tehe, zu entschärfe­n. Biden nahm den Faden auf. Die transatlan­tische Zusammenar­beit nannte er „einen Eckpfeiler der internatio­nalen Politik“.

Welt am Scheideweg

Der US-Präsident warnte vor der „Welt am Scheideweg“– zwischen jenen, die Autokratie für eine überlegene Regierungs­form halten würden, und den Anhängern der Demokratie. „Wir müssen zeigen, dass unser Modell kein Relikt der Vergangenh­eit ist, sondern das Beste, um das Verspreche­n der Zukunft zu erfüllen.“Wie man im „Wettkampf mit China“agiere, sagte Biden, werde den Lauf der Geschichte stark beeinfluss­en – und auch in jenem mit Russland, das den Erfolg der europäisch­en Einigung zerstören wolle.

Die USA würden den Kampf aufnehmen, versichert­e er: „Sie sollen wissen: Die USA werden ihren Teil erfüllen. Lassen Sie uns unseren Urenkeln in der Zukunft zeigen, dass die Demokratie funktionie­rt und dass es nichts gibt, was wir nicht gemeinsam schaffen können.“

Mit Biden auf der virtuellen Bühne standen die deutsche Bundeskanz­lerin Angela Merkel und der französisc­he Präsident Emmanuel Macron. Merkel zitierte dann auch den Naturforsc­her Alexander von Humboldt: „Alles ist Wechselwir­kung“, wie sie am Beispiel der Corona-Pandemie ausführte. Sicherheit gebe es erst, wenn der ganzen Welt Behandlung zur Verfügung stehe. Und auch sie sprach vom Systemkonf­likt mit Peking, in dem die Demokratie Wert beweisen müsse.

Bidens Verbundenh­eit mit Europa und der EU hat ihren Ursprung wohl auch darin, dass der 78-jährige Biden auch noch ganz andere Zeiten erlebt hat – besonders den Gegensatz zwischen Ost und West, der den einst jungen Senator aus Delaware zum überzeugte­n Transatlan­tiker machte. Schon vor 40 Jahren war Biden auf seiner ersten Sicherheit­skonferenz in München.

Optimisten am Boden

Dass die Hoffnungen in Biden so groß sind, liegt aber weniger in dessen persönlich­er Geschichte, sondern eher im Kontrast zu seinem Vorgänger. Doch auch die USA unter Biden werden ihre eigenen Interessen verfolgen, die teils im Gegensatz zu denen der EU stehen – das hat in den vergangene­n Wochen himmelhohe Optimisten eines Besseren belehrt.

Die USA fordern von Europa mehr Einsatz für die eigene Sicherheit. Dass europäisch­e Staaten das NatoZiel, zwei Prozent des BIP für Verteidigu­ng auszugeben, erreichen, fordert auch Biden. Entspreche­nde Schritte begrüßte er am Freitag ausdrückli­ch. Auch wird der US-Präsident, der die Förderung heimischer Produkte zu einer Priorität erkoren hat, nicht alle Handelssch­ranken abbauen. Zudem bleibt der Disput um die Pipeline Nord Stream 2 zwischen Deutschlan­d und den USA. Washington möchte Berlin weiter vom gemeinsame­n Gasprojekt mit Russland abbringen.

 ??  ?? München-Stammgast Joe Biden mit Angela Merkel bei einem gemeinsame­n Auftritt 2015. Dieses Jahr war es zwar nur eine Videoschal­tung. Das Bekenntnis der USA zur Partnersch­aft mit Europa betonte Biden dennoch.
München-Stammgast Joe Biden mit Angela Merkel bei einem gemeinsame­n Auftritt 2015. Dieses Jahr war es zwar nur eine Videoschal­tung. Das Bekenntnis der USA zur Partnersch­aft mit Europa betonte Biden dennoch.

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