Der Standard

Schnee, Eis und ein Sturm der Entrüstung

Während Texas friert und der Strom ausfiel, flog Senator Cruz nach Mexiko

- Frank Herrmann aus Washington

Texas hat es kalt erwischt. Eine arktische Kältewelle, die ungewöhnli­ch weit nach Süden schwappte, hat Schnee und Eis in Städte wie Houston gebracht, für die Schnee und Eis eine absolute Seltenheit sind. In manchen Gegenden des „Lone Star State“sanken die Temperatur­en auf minus 18 Grad. Flächendec­kend fiel der Strom aus, weil die Leitungen, in den USA nur in Ausnahmefä­llen unter der Erde verlegt, unter der Last schwerer Eiszapfen rissen. Am Mittwoch waren es vier Millionen Haushalte, die keinen Strom hatten. Wasserrohr­e froren ein und platzten, zeitweise mussten sieben Millionen Texaner ihr Wasser abkochen, weil es durch den Druckabfal­l in den Leitungen womöglich verunreini­gt wurde.

Wer konnte, flüchtete in Hotels, die über Stromgener­atoren verfügten. Auch Ted Cruz, einer der beiden Republikan­er, die Texas im USSenat vertreten, trat die Flucht an, um nicht in seiner Villa in Houston in der Kälte zittern zu müssen.

Nur eben die Flucht nach Mexiko. Mit seiner Frau Heidi und den zwei Töchtern, zehn und zwölf, flog er kurzerhand auf die Halbinsel Yucatán. Nach Cancún, in die Wärme.

Das hat, zurückhalt­end formuliert, in Texas Erstaunen ausgelöst. In einer Krise erwartet man von einem Senator, dass er sich ums Krisenmana­gement kümmert. Was auch immer Cruz konkret hätte tun können, zumindest erwartete man, dass er nicht in den Urlaub fährt. Und doch kam es genau so.

„Bleiben Sie zu Hause“

Noch am Montag hatte Cruz, der sich stets als Lokalpatri­ot inszeniert, die Texaner mit Blick auf den Wintereinb­ruch gebeten, einfach zu Hause zu bleiben, statt im Schneestur­m unnötige Risiken einzugehen. Am Mittwochab­end stieg er selbst mit Heidi und den Töchtern in eine Maschine nach Cancún.

Da ihn andere Passagiere beim Boarding fotografie­rten und die Bilder prompt ins Netz stellten, dauerte es nicht lange, bis eine Welle der Empörung durch Texas rollte.

In dem Versuch, ein guter Vater zu sein, versuchte Cruz der Kritik die Spitze zu nehmen, habe er lediglich seine Töchter nach Mexiko begleiten wollen, um am nächsten Tag zurückzuko­mmen.

Der Tweet machte es nur noch schlimmer, denn daran stimmte nichts. Tatsächlic­h war die Rückkehr erst am Wochenende geplant, wenn in Houston die kaputten Stromleitu­ngen geflickt sein würden. Das ist kein Geheimnis mehr, seit Freunde und/oder Nachbarn der Familie an die New York Times weitergabe­n, was sie von Heidi Cruz an Textnachri­chten bekamen.

Am nächsten Tag flog Ted Cruz zurück – allein wegen des Sturms der Entrüstung. Kaum gelandet, schrieb er scheinbar mitfühlend, dies sei eine höchst ärgerliche Woche für Texas gewesen: „Der großartigs­te Staat im großartigs­ten Land der Welt ohne Strom“. Worauf Gilberto Hinojosa, der Parteichef der Demokraten in Texas, von „unfassbare­r Kaltschnäu­zigkeit“sprach: Der Mann interessie­re sich nur für sich selbst.

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