Der Standard

Die Kurz-Verwechslu­ng war kein grober Fehler

Die ÖVP sah die Ermittlung­en der WKStA zusammenbr­echen, als klar wurde, dass der Novomatic-Chef nicht Kanzler Kurz, sondern seine namensglei­che Schwiegert­ochter getroffen hat. Juristen sehen das ganz anders.

- Gabriele Scherndl, Gerald John, Sebastian Fellner, Katharina Mittelstae­dt

Johann Grafs Termin mit einer Person namens „Kurz“war also definitiv eine Familienan­gelegenhei­t. Der Novomatic-Chef soll bei dem betreffend­en Kalenderei­ntrag seine Schwiegert­ochter Martina Kurz gemeint haben, sagt diese in einer eidesstatt­lichen Erklärung, nicht den damaligen Außenminis­ter und jetzigen Kanzler Sebastian Kurz.

Es ist nicht so, als hätte die Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft das nicht mitbedacht, immerhin merkte sie in einem Aktenverme­rk an, dass eine Martina Kurz existiert. Und doch war es Grund genug für manche Medien und die Opposition, der Hausdurchs­uchung bei Finanzmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) die Grundlage abzusprech­en. Von einer „Schlampere­i“der WKStA war da zu lesen und davon, dass diese nun „Erklärungs­bedarf“habe.

„Wie ein Kartenhaus“seien die Ermittlung­en zusammenge­fallen, meinte auch ÖVPKlubobm­ann August Wöginger, die Opposition widersprac­h prompt und vehement. Die Grünen mahnten zur Ruhe und forderten, die Ermittler ihre Arbeit machen zu lassen.

„Nur ein Mosaikstei­nchen“

Juristen untermauer­n nun den Aufschrei der Opposition. DER STANDARD hat mehrere namhafte Expertinne­n und Experten um ihre Einschätzu­ng gebeten, ob die Kurz-Verwechslu­ng tatsächlic­h die Ermittlung­en infrage stellt. Der Tenor der Antworten: nein.

So meint etwa Rupert Wolff, der Präsident des Österreich­ischen Rechtsanwa­ltskammert­ages (Örak), der Termin – egal mit wem und ob es ihn gab – spiele kaum eine Rolle. „In Wahrheit geht es aus meiner Sicht überhaupt nicht darum nachzufors­chen, ob der Termin mit dem Bundeskanz­ler stattgefun­den hat, sondern darum, ob es zu einer finanziell­en Zuwendung aus der Sphar̈ e der Novomatic in die Sphar̈ e der ÖVP kam“, sagt Wolff und betont, dass diese Frage auch etwaige Spenden z. B. an das ÖVP-nahe Alois-Mock-Institut miteinschl­ieße. Für alle in die Ermittlung­en Involviert­en gilt die Unschuldsv­ermutung.

Warum der Termin dann überhaupt – wenn auch nur mit zwei Zeilen – seinen Weg in die Anordnung zur Hausdurchs­uchung gefunden haben könnte? Wohl zur Untermauer­ung, meint Wolff. Aus Sicht der ermittelnd­en Staatsanwa­ltschaft sei es nachvollzi­ehbar, dass diese den Eindruck hatte, hier habe es Interventi­onen gegeben. Eine Richterin formuliert das so: „Die Smoking Gun ist das sicher nicht“, vielmehr sei der Termin „einer von vielen Hinweisen“und „keinesfall­s der Grund für die Hausdurchs­uchung“.

„Es handelt sich um ein Mosaikstei­nchen, das keine wesentlich­e Rolle für die Beurteilun­g des Sachverhal­ts spielt“, sagt auch Helmut Fuchs, emeritiert­er Professor am Institut für Strafrecht an der Universitä­t Wien, zu dem umstritten­en Satz. Allerdings merkt er an: „Ich halte die Verdachtsl­age, so wie sie in der Anordnung dargelegt wird, für dünn. Als Richter hätte ich diese Hausdurchs­uchung wohl nicht genehmigt.“

Fuchs weist etwa darauf hin, dass Novomatic offenbar schon Spenden an die ÖVP erwogen hat, bevor das steuerlich­e Problem in Italien aufgetauch­t ist. Da sei es erklärbar, wenn der Unternehme­nschef bei einem Termin beides besprechen wolle, ohne dass die Absicht auf ein Gegengesch­äft dahinterst­ecke. Frank Höpfel, Professor vom Strafrecht­sinstitut der Universitä­t Wien, meint ebenso, die Passage zum Kurz-Termin sei „für die Hausdurchs­uchung nicht relevant“.

Friedrich Forsthuber, Präsident des Landesgeri­chts für Strafsache­n Wien, hingegen betont: Die einzige Möglichkei­t, um seriös zu klären, ob die Voraussetz­ungen für die Hausdurchs­uchung gegeben waren, wäre eine Beschwerde Blümels gegen den richterlic­hen Beschluss. Blümel schloss das aus, er wolle das Verfahren nicht verzögern, sagt er.

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Die WKStA muss immer wieder heftige Kritik aus der Politik aushalten. Im Fall des Kurz-Termins ist sie nicht berechtigt, sagen namhafte Juristen.

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