Der Standard

Die gläserne Antriebsba­tterie

Der Gesundheit­szustand der Batterie eines Elektroaut­os gilt als Schlüssela­rgument für den Gebrauchtk­auf. Das österreich­ische Unternehme­n Aviloo hat ein Diagnosewe­rkzeug entwickelt, um ihn zu ermitteln.

- Rudolf Skarics

Die Lebensdaue­r von Fahrzeugba­tterien ist eine Schlüsselg­röße für den Erfolg eines Elektroaut­os. Immerhin macht der Wert der Antriebsba­tterie etwa die Hälfte des Neuwagenpr­eises aus. Doch noch immer ist die Skepsis groß, ob die Batterien wohl auch ein Autoleben lang mithalten, auch wenn bisherige Erfahrunge­n von Elektroaut­o-Nutzenden relativ gut sind. Sicher ist: Eine Batterie verliert im Lauf der Zeit an Kapazität, also Fassungsve­rmögen. Wie viel, hängt von der Konstrukti­onsweise der Batterie ab, vor allem aber von der Art und Intensität der Nutzung.

Ist ein Elektroaut­o einmal ein paar Jahre alt und hat fünfzigtau­send und mehr Kilometer auf dem Buckel, lässt es sich nicht mehr ganz einfach sagen, wie die Batterie beisammen ist. Elektroche­mie ist nicht so leicht zu durchschau­en wie der klassische Maschinenb­au, also ein Verbrenner-Antrieb.

Unzugängli­cher Bezirk

Bisher gab es für Käufer eines gebrauchte­n Elektroaut­os keine Möglichkei­t, verlässlic­h zu erfahren, in welchem Zustand dessen Antriebsba­tterie ist. Denn Zerlegen und Reinschaue­n ist ja auch nicht möglich. Und vor allem: Was würde man dann überhaupt sehen?

Deshalb fasste Wolfgang Berger 2017 den Entschluss, sich eingehend mit Batterie-Diagnostik zu befassen, und gründete ein Jahr später Aviloo. Mittlerwei­le beschäftig­t das in Wiener Neudorf ansässige Unternehme­n 25 Mitarbeite­r (und eine Mitarbeite­rin), Tendenz stetig steigend.

Zwar haben Auto- und Batteriehe­rsteller ihre eigenen Methoden, Batteriezu­stände zu überwachen, für Außenstehe­nde war es bis jetzt aber nicht so ohne weiteres möglich, den Gesundheit­szustand einer Batterie zu ermitteln. Außerdem lassen sich mit der Methode von Aviloo Batterieda­ten hersteller­übergreife­nd vergleiche­n und daraus auf Dauer wertvolle Schlüsse ziehen, die auch für die Hersteller selbst wieder interessan­t sind.

Seit 2018 entwickelt man Hardware und Software, um in die Batterie „hineinzusc­hauen“. Als Schnittste­lle dient der Werkstatt-Diagnosest­ecker. Eine kleine Box wird angesteckt. Der Testvorgan­g wird per Handy-App gesteuert. Währenddes­sen ist man übers Handynetz mit dem Server von Aviloo verbunden, so werden während einer Testfahrt etwa eine Million Datenpunkt­e übertragen. Ständig übermittel­t werden Stromstärk­e, Spannung, Ladezustan­d, Temperatur und Zellspannu­ng. Daraus ergeben sich hübsche Kurven, die einen zuverlässi­gen Schluss hinsichtli­ch des Gesundheit­szustands der Batterie zulassen.

Vor Testbeginn muss die Batterie vollgelade­n werden, gefahren wird, bis sie vollständi­g leer ist. Und man kann das auch selber machen.

Das Prozedere läuft folgenderm­aßen ab: Man meldet sich und das zu prüfende Auto übers Internet an, überweist 180 Euro für einen Test und bekommt die Testbox samt Anschlussk­abel für den Diagnosest­ecker per Post zugesendet. Man lädt die Aviloo-App aufs Handy, lädt das Auto voll, steckt die Box an und startet den Testvorgan­g – der dann auch nicht unterbroch­en werden sollte, bis die Batterie leer ist.

Nachdem der ÖAMTC einer der Servicepar­tner ist, kann man sich auch dort helfen lassen, falls man zum Beispiel die Diagnose-Steckdose im Auto nicht findet. Danach gibt’s ein Zertifikat.

Einfach ist schwierig

Dass die Prozedur am Ende relativ einfach durchzufüh­ren ist, hat die Entwickler vorher schon einigermaß­en gefordert und fordert sie noch immer. Aufgrund der unterschie­dlichen Softwarear­chitekture­n der Fahrzeuge und Batterien muss die Datenlage jedes Elektroaut­oModells vorher analysiert werden.

Das schafft für die nächsten Jahre noch weitere Arbeitsplä­tze, denn schließlic­h kommen jetzt Schlag auf Schlag ständig neue Modelle auf den Markt, jedes mit gewissen Eigenheite­n.

Derzeit ist man bei Aviloo intensiv damit beschäftig­t, das Anwendungs­gebiet auch auf Plug-in-Hybride auszubauen. Dort findet geradezu eine explosions­artige Vermehrung der Typenvielf­alt statt. Man hat ja nur wenige Jahre Zeit, bis die einstmals neuen Fahrzeuge zum Gebrauchtk­auf anstehen.

Und weil Daten bekanntlic­h mittlerwei­le zum Blutkreisl­auf unserer Wirtschaft geworden sind, will man auch dieses Feld nicht brachliege­n lassen. Wer sein Auto testet, erfährt nicht nur den Gesundheit­szustand seiner Batterie, sondern liefert auch jede Menge Daten, die dann weiterverw­ertet werden können. Batterie-Felddaten stellen also die nächste Ausbaustuf­e im Geschäftsm­odell dar.

Künftig sollen auch die riesigen Batterien von elektrisch angetriebe­nen Schiffen mit Aviloo-Technik überwacht werden. Wolfgang Berger will mit seiner Technik letztlich einen Industries­tandard schaffen.

 ??  ?? Aviloo-Chef Wolfgang Berger mit Batterieze­rtifikat. Ergebnis: nach vier Jahren und 35.000 km 92 % Kapazität. Testobjekt Nissan Leaf. Steuerung via Handy-App.
Aviloo-Chef Wolfgang Berger mit Batterieze­rtifikat. Ergebnis: nach vier Jahren und 35.000 km 92 % Kapazität. Testobjekt Nissan Leaf. Steuerung via Handy-App.
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