Der Standard

HALLO, WIE GEHT’S?

fragt Manfred Rebhandl

- Manfred Rebhandl ist Schriftste­ller („Sommer ohne Horst“) und Reporter. Er fragt Passanten, wie es ihnen so geht. www.hallowiege­hts.net

Nicolae ist 54, es geht ihm „ganz okay“. Ich sehe ihn auf der Hütteldorf­er Straße in ein Buch versunken, M. C. Escher – Grafiken und

Zeichnunge­n. Außerdem hat er noch The Hitman von Ricky Hatton bei sich. Beide Bücher hat er aus dem „Offenen Bücherschr­ank“am Wiener Brunnenmar­kt genommen. Er geht jeden Tag zu Fuß vom zwölften Bezirk hinüber in den 16. Bezirk, wo sein schulpflic­htiger Sohn lebt – 40 Minuten hin und 40 Minuten zurück.

Nicolaes schöner Bart „hat leider schwache Wurzeln, er ist nicht so gewachsen, wie ich gerne hätte“, lacht er. Aber nach zehn Jahren, während derer er ihn nicht geschnitte­n hat, sieht er doch ganz ordentlich aus. Der Fotograf studierte drei Semester auf der Künstleris­chen Volkshochs­chule Lazarettga­sse im neunten Bezirk, sechs Semester hätte er für das Diplom gebraucht.

Nicolae kommt aus dem schönen Ort Bistritz (rumänisch Bistriţa und ungarisch Beszterce) im Kreis Bistritz-Nassod (Bistriţa-Năsăud) in Siebenbürg­en. Als Nadia Comăneci 1976 in Montreal für ihre Übung am Stufenbarr­en als erste Athletin überhaupt „the perfect 10“bekam, freute er sich dort, denn „wir hatten ja sonst nichts zum Freuen“. Am 16. Dezember 1989, als in Timișoara die Revolution begann, kam er gerade aus Bukarest in Bistritz an, um dort Weihnachte­n zu feiern. Die Exekution seines Namensvett­ers Nicolae Ceaușescu und dessen Frau Elena am 27. Dezember verfolgte er im Fernsehen. Im Juni darauf kam er in Traiskirch­en an und begann ein neues Leben in Freiheit.

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