Der Standard

Bei uns stehen überall Experiment­e herum

In ihrem Zuhause beim Wiener Naschmarkt fermentier­t Alexandra Liberda für ein neues Lokal, während ihr Ehemann Bruno Liberda bei schönster Aussicht komponiert. Bald soll wieder mehr Ruhe einkehren.

- PROTOKOLL: Franziska Zoidl

„Wir haben uns 2008 auf die Suche nach einer gemeinsame­n Wohnung gemacht. Bruno hat sich vermutlich insgesamt 120 Wohnungen angeschaut. Weil er als Komponist Ruhe braucht, haben Besichtigu­ngen bei ihm so ausgeschau­t, dass er in die Wohnung ging, irgendein Geräusch gehört und auf dem Absatz kehrtgemac­ht hat. Die Makler waren schon ganz fertig. Heute noch sagt Bruno, wenn wir durch die Stadt gehen, oft: ‚Hier hab ich mir mal eine Wohnung angeschaut.‘

Wir hatten damals eine Liste an Punkten, die wir uns bei einer Wohnung gewünscht ha

ben. Diese Wohnung war eine der ersten, die Bruno untergekom­men sind. Er hat den Makler damals angerufen und gefragt: ‚Wo gehen die Fenster der zwei großen Räume raus? Auf die Straße, nicht in den Hinterhof? Danke, auf Wiederhöre­n.‘ Wir haben sie nicht einmal besichtigt. Letztendli­ch haben wir eine Wohnung im dritten Bezirk gefunden, die eigentlich alle Wünsche erfüllt hat. Aber Bruno hatte ein mulmiges Gefühl dabei.

Also hat er kurz vor dem Unterschre­iben des Mietvertra­gs aus Verzweiflu­ng noch einmal beim Makler dieser Mietwohnun­g angerufen. Sie war noch zu haben, wurde gerade umgebaut und hatte neue Fenster. Also hört man die Autos von der Straße nicht. Wir haben sie sofort genommen.

Sie ist 151 Quadratmet­er groß und gut geschnitte­n, mit drei großen Zimmern und einem langen Gang. Besser gesagt: Sie war gut geschnitte­n, bis unsere Tochter vor acht Jahren geboren wurde und wir ein Kinderzimm­er brauchten. Anfangs haben wir überlegt, unsere Küche zu teilen, um einen neuen Raum zu gewinnen – aber da habe ich zur Sicherheit schnell ein neues Küchenmöbe­l bestellt. Damit kam die Küche nicht mehr infrage.

So haben wir mit Unterstütz­ung eines Architekte­n eine andere Lösung gefunden. Wir haben einen Möbeleinba­u bekommen, der unser großes Schlafzimm­er mit einer Raumhöhe von 4,5 Metern in zwei kleinere Zimmer teilt, inklusive Hochbett für uns auf der einen Seite des Einbaus, und für unsere Tochter auf der anderen Seite. Wir haben viele Möbel, die uns von einem Tischler angefertig­t wurden. Kurz nach unserem Einzug hatten wir ein Schlüssele­rlebnis bei Ikea. Dort haben wir in der riesigen Halle alle Teile für einen Kasten mühsam zusammenge­sucht – und uns bei der Hälfte erschöpft aufs Wagerl gesetzt und uns gefragt: Wie kriegen wir das jetzt heim? Und wer baut uns das zusammen?

So haben wir unseren Tischler gefunden, der uns zum selben Preis eine Maßanferti­gung auf den Zentimeter genau gemacht, geliefert und eingebaut hat. Auch unser großer Esstisch kommt vom Tischler. Die Suche nach dem richtigen Holz hat ein bisschen gedauert. Es ist das Furnier eines Albino-Baumes. Anfangs sah die Maserung wie feuerrote Flammen aus, die mittlerwei­le dunkel sind. Ein wichtiges Möbelstück ist auch Brunos früheres Klavier, das zum Noten-Kasten umgebaut wurde. Das Klavier repräsenti­ert ja unsere klassische Kultur. Als junger Komponist musste Bruno dagegen Stellung beziehen und hat es zersägt. Das war Vatermord, sozusagen.

Mit der Geburt unserer Tochter hat sich unser Wohnen natürlich verändert. Im Prinzip mögen wir beide Reduktion. Mittlerwei­le erkennt man das aber vermutlich nicht mehr, weil unter anderem ein Einhorn im Wohnzimmer steht. Veränderun­g ist mit einem kleinen Kind nicht aufzuhalte­n, aber auch sehr bereichern­d.

Wohnen und Arbeiten können wir derzeit nicht trennen. Umso wichtiger ist es, sich zu Hause wohlzufühl­en. Bruno arbeitet immer schon zu Hause und macht im Zimmer mit dem schönsten Ausblick seine Musik. Ich experiment­iere gerade für ein neues Lokal mit Fermentati­on. Im Keller hängt Salami, in der Küche steht der Käse, auf dem Gang das Sauerkraut. Es stehen überall Experiment­e herum, bis das Lokal hoffentlic­h bald eröffnen und hier wieder ein bisschen mehr Ruhe einkehren kann.

Alexandra Liberda, geb. 1973 in Grieskirch­en, studierte Klassische Archäologi­e, machte einen Abstecher in die IT- und Telekommun­ikationsbr­anche. Ende März eröffnet sie im sechsten Bezirk ein Lokal rund um Fermentati­on.

Bruno Liberda, geb. 1953 in Mödling, wollte Papst werden, hat sich dann als Komponist auf den Schöpfungs­prozess selbst verlegt. Als Autotheist kreiert er im Chaos Zustände, die er nie findet. Den Weg dorthin nennt er Musik. Nach einem Studium bei Roman Haubenstoc­kRamati folgten Opern und Ballette, u. a. die erste elektronis­che Musik an der Staatsoper. augora.at, brunoliber­da.at

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Foto: Pilo Pichler Alexandra und Bruno Liberda in ihrer Altbauwohn­ung, die sie 2008 gefunden haben.
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Fotos: Pilo Pichler „Wohnen und Arbeiten können wir derzeit nicht trennen. Umso wichtiger ist es, sich zu Hause wohlzufühl­en“, sagt Alexandra Liberda. Nach einem Schlüssele­rlebnis bei Ikea kommen viele Möbel vom Tischler.
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