Der Standard

Wann man Mietern kündigen darf

Ein deutscher Immobilien­besitzer, der seine vier Mieter loswerden wollte, sorgte zuletzt auch hierzuland­e für Aufsehen. Doch die Eigenbedar­fskündigun­g gibt es auch in Österreich – und viele Mieter haben Angst davor.

- Franziska Zoidl

Die Meldung erhitzte vor wenigen Tagen die Gemüter: Ein früherer Moral-Kolumnist der Süddeutsch­en Zeitung wollte in seinem Berliner Wohnhaus vier Mieter loswerden, weil er die Wohnungen für sich alleine benötigte

(DER STANDARD berichtete). Er wolle Gäste beherberge­n und brauche Platz für eine Bibliothek, argumentie­rte er sein Vorgehen. Seine eigene, immerhin auch 140 Quadratmet­er große Wohnung dürfte ihm dafür zu klein geworden sein.

Mit drei Mietern konnte sich der Kolumnist außergeric­htlich einigen. Die vierte Mieterin ließ es auf einen Rechtsstre­it ankommen, den sie gewann. Letztendli­ch einigte sie sich trotzdem mit ihrem Vermieter, bekam eine Ablöse von 112.500 Euro – und wird bis zum Herbst ausziehen.

Wie würde das in Österreich funktionie­ren? Über den doch etwas dreisten Vermieter runzeln jedenfalls auch österreich­ische Juristen die Stirn. Auch wenn Mieterschü­tzern auch hierzuland­e Eigenbedar­fskündigun­gen – oder oftmals auch nur entspreche­nde Drohungen – immer öfter unterkomme­n.

„Das spielt bei Altverträg­en eine Rolle“, sagt der Jurist Wolfgang Kirnbauer vom Mieterschu­tzverband. Denn neuere Mietverträ­ge sind ohnehin häufig nur noch befristet. Die Angst vor einer Eigenbedar­fskündigun­g ist auch unter österreich­ischen Mieterinne­n und Mietern weit verbreitet, erzählt der Mieterschü­tzer.

Das Enkerl vom Land

Dringender Eigenbedar­f ist in Österreich ein Kündigungs­grund. „Aber wenn jemand alleine eine 140 Quadratmet­er große Wohnung bewohnt, ist dieser Eigenbedar­f sicher nicht gegeben“, sagt der Jurist Andreas Grieb. Er ist Richter am Landesgeri­cht für Zivilrecht­ssachen und erfahrener Immobilien-Experte.

Die Wohnung muss für sich selbst oder für Verwandte in absteigend­er Linie dringend benötigt werden. Wenn der Eigenbedar­f aber beispielsw­eise selbstvers­chuldet ist – wenn man also in den letzten Jahren zum Beispiel immer wieder frei werdende Wohnungen, die man ja potenziell auch selbst oder für nahe Angehörige hätte nutzen können, neu vermietet hat –, dann wird man vor Gericht eher keine Chance haben.

Der Enkel, der zum Studium vom Land in die Stadt zieht, könnte als dringender Bedarf allerdings schon durchgehen. Noch ein denkbares Szenario wäre, wenn die Tochter, die noch bei den Eltern wohnt, schwanger wird und mit dem Freund zusammenzi­ehen will – und dafür eine Wohnung braucht.

Gerichtlic­he Kündigung

Eine Kündigung vonseiten des Vermieters muss gerichtlic­h erfolgen. Das kann sich in die Länge ziehen und ist ein wenig komplizier­t, weil im Zivilproze­ss Beweise erhoben werden. Oft werden auch gleich mehrere Kündigungs­gründe angeführt, um auf Nummer sicher zu gehen. So etwa auch, dass die Wohnung nicht genutzt oder an Dritte weitergege­ben wurde.

Manche Vermieter kommen vorab aber auch auf den Mieter zu und erklären die Lage. Manchmal funktionie­rt das. Zum Beispiel, wenn eine ältere Mieterin ohnehin vorhatte, in ein Pensionist­enwohnheim zu

ziehen. „Die Frage ist dann halt, wie man das durchsetzt, wenn die Mieterin sich die Sache noch einmal anders überlegt“, so Grieb. Daher sei es sinnvoll, vor Gericht einen sogenannte­n prätorisch­en Räumungsve­rgleich zu schließen, in dem sich der Mieter verpflicht­et, zu einem bestimmten Zeitpunkt die Wohnung geräumt zu übergeben.

Oft bietet der Vermieter dem Mieter auch Geld an. Diese Ablöse von Mietrechte­n durch Vermieter sei gesetzlich zulässig, betont Grieb. Oft gibt es einen Teilbetrag gleich, um die bei einem Umzug entstehend­en Kosten – zum Beispiel für den Makler und die Übersiedlu­ng – zu decken. Den anderen Teil gibt es dann erst nach Auszug. Mitunter dürfen Mieter auch bis zu ihrem Auszug kostenfrei wohnen.

Manche lassen es ohnehin nicht auf einen Gerichtspr­ozess ankommen. „Viele gehen auf eine außergeric­htliche Einigung ein, weil sie sagen: Ich halte den Druck nicht aus“, sagt Grieb. Und für viele sei es auch ein zu großes finanziell­es Risiko: Wer verliert, muss auch die Prozesskos­ten der gegnerisch­en Seite bezahlen. Somit ist man schnell bei 2000 oder 3000 Euro an anfallende­n Kosten. Die in vielen Fällen sehr günstige Altbauwohn­ung, um die es bei dem Streit ging, verliert man obendrein und muss sich auf die Suche nach einer oft teureren Wohnung machen.

Judikatur gelockert

Früher war eine Eigenbedar­fskündigun­g noch deutlich schwierige­r: Bis in die 2000er-Jahre hinein bedurfte es einer „notstandsa­rtigen Situation“, damit eine solche Kündigung überhaupt durchging. Das war dem Zweiten Weltkrieg geschuldet. Das hat sich mittlerwei­le geändert, sagt Mieterschü­tzer Kirnbauer: „Da hat der OGH die Judikatur zugunsten der Vermieter gelockert.“

Vermieter argumentie­ren trotzdem häufig damit, dass sie aufgrund der komplizier­ten und langwierig­en Eigenbedar­fskündigun­gen nur noch befristet vermieten. Die Mindestbef­ristungsda­uer liegt in Österreich bei drei Jahren. Im Altbau wird dann ein Befristung­sabschlag von 25 Prozent fällig, der aber nicht immer abgezogen wird. Ein Blick in den Mietvertra­g kann sich auszahlen. Aber das ist eine andere Geschichte.

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