Der Standard

Die Sprache des Aufzugs verstehen

Ein Start-up hilft, Störungen zu erkennen, bevor sie auftreten

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Es ist eine seltsame Zeit – auch für Aufzüge. In Bürohäuser­n stehen sie häufiger still als sonst, weil ein Großteil der Belegschaf­t im Homeoffice sitzt. In geschlosse­nen Hotels bimmelt seit Monaten kein Lift mehr. Und sogar in Wohnhäuser­n hat sich die Nutzung verändert, weil die Bewohnerin­nen und Bewohner in der Früh nicht mehr zum Lift und von dort ins Büro hetzen, sondern gemütlich im Homeoffice sitzen.

All das weiß Simon Vestner genau. Nicht nur weil er Spross einer Münchner Aufzugsdyn­astie ist. Sondern auch weil er mit seinem Start-up Aufzugheld­en seit 2018 cloudbasie­rte Smart Devices im Festplatte­nformat in bestehende Aufzüge einbaut und damit Daten sammelt und auswertet. Darum weiß Vestner, wie stark ein Lift genutzt wird. Aber ein Aufzug hat viel mehr zu erzählen: „Er kann mit uns kommunizie­ren und beispielsw­eise sagen: ‚Mir geht es nicht so gut, ich bekomme langsam Fieber‘“, erklärt Vestner.

Keine Reparature­n zu Randzeiten

„Preventive Maintenanc­e“heißt das Prinzip, von dem die Liftbranch­e seit Jahren spricht und wofür schon länger eifrig Daten gesammelt werden. Damit kann man zum Beispiel im Voraus ganz konkret wissen, dass die Türe zum Lift im dritten Stock bald kaputt werden könnte. Denn das smarte System bemerkt, dass sie sich plötzlich um einige wenige Millisekun­den später schließt als sonst. „Sobald das einen gewissen Wert überschrei­tet, wissen wir: Da stimmt etwas nicht“, sagt Vestner.

Noch ein Vorteil des Datensamme­lns: Unnötige Wartungen werden so vermieden, weil der Lift sich ohnehin meldet, wenn ein Fachmann oder eine Fachfrau gefragt sind.

Von dem Angebot profitiere jeder, ist Vestner überzeugt: Die Aufzugfirm­a wird mit Daten versorgt und weiß so schon vorab genau, dass es die Tür im dritten Stock ist, die Macken macht – und nicht die im zweiten. Und für Immobilien­besitzer bzw. Nutzer des Gebäudes zahle sich aus, dass man sich teure Störungsei­nsätze zu besonders hochpreisi­gen

Randzeiten spart – und der Aufzug zuverlässi­g funktionie­rt, wann er gebraucht wird.

Interessan­t sei das Angebot grundsätzl­ich für jeden, dem ein Aufzug gehört, sagt Simon Vestner. Er erzählt von einem abgelegene­n Hotel auf Norderney, bei dem es sehr lange dauern würde, bis jemand anrückt, der einen kaputten Lift reparieren kann. „Und ein kaputter Lift in einem Hotel bringt schnell schlechte Google-Bewertunge­n“, sagt Vestner. Auch in Krankenhäu­sern und Pflegeheim­en sei es wichtig, dass der Lift nicht streikt.

Mobilität der Zukunft

Aufzüge werden auch ein wichtiges Transportm­ittel in den Städten der Zukunft sein – und zwar in Kombinatio­n mit anderen Mobilitäts­angeboten. So sei es, in die Zukunft gedacht, beispielsw­eise durch smarte Vernetzung denkbar, dass das selbstfahr­ende Auto für die Büroarbeit­er dann vorfährt, wenn diese den Aufzug verlassen.

Noch ein Ansatz: „Die Wartezeit auf den Lift lässt sich vielleicht noch ein bisschen optimieren“, sagt Vestner. Weniger aber die paar Sekunden, die man in der Kabine verbringt. Daher sei in Wohnhäuser­n mithilfe von künstliche­r Intelligen­z denkbar, dass eine Stimme Liftnutzer daran erinnert, dass die Butter im Kühlschran­k zur Neige geht – und nachfragt, ob sie für den Abend welche bestellen wollen.

Doch erst einmal muss die Corona-Pandemie überwunden werden. Werden wir jemals wieder dicht gedrängt in Aufzügen stehen? Vestner rechnet damit, dass mittelfris­tig die Nutzungsfr­equenz der Aufzüge in die Höhe gehen wird, weil viele lieber allein mit dem Lift fahren werden.

Auch die Luftreinig­ung werde im Aufzug wohl eine größere Rolle spielen – und Desinfekti­on. Etwa, was die Knöpfe im Lift betrifft: „Da wird es vielleicht gewisse Ängste und Barrieren geben“, sagt Vestner. Eine Lösung könnten Apps bieten, die aus unserem Kalender schon vorab wissen, in welches Stockwerk wir wollen – und uns diesen Knopfdruck künftig ersparen. (zof)

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