Der Standard

Um die Bezeichnun­g „Milch“lässt sich trefflich streiten

Durch eine EU-Regelung sollen pflanzlich­e und tierische Milch deutlicher voneinande­r abgegrenzt werden. Begriffe wie „sahnige Konsistenz“oder „wie Butter“könnten fallen. Eine finale Entscheidu­ng steht noch aus.

- Nora Laufer

Darf ein Burger als solcher bezeichnet werden, auch wenn das Laberl aus Tofu und nicht aus Fleisch besteht? Ja, war sich die Mehrheit der EU-Parlamenta­rier im Herbst einig. Sie stimmten gegen ein Veggieburg­er-Verbot. Weniger offen für alternativ­e Ernährungs­formen zeigten sich die Politiker hingegen bei pflanzlich­en Drinks – etwa aus Soja, Hafer oder Reis: Im Raum stehen Einschränk­ungen, die dafür sorgen sollen, dass tierische Milch und pflanzlich­e Alternativ­en auf keinen Fall mehr verwechsel­t werden können.

Produzente­n veganer Lebensmitt­el sowie mehrere NGOs fürchten eine unverhältn­ismäßige Benachteil­igung. Konkret geht es um den sogenannte­n Änderungsa­ntrag 171, der vom EU-Parlament mehrheitli­ch angenommen wurde. Der von der Milchindus­trie angetriebe­ne Vorstoß würde dazu führen, dass der Vertrieb veganer Drinks deutlich eingeschrä­nkt werden könnte.

Bereits jetzt darf ein Sojadrink nicht mehr als Milch bezeichnet werden. Durch den Änderungsa­ntrag könnten auch weitere Anspielung­en auf Milchprodu­kte untersagt werden. Ein Haferdrink mit „sahniger Konsistenz“, eine Margarine, die „wie Butter“schmeckt, oder eine „rein pflanzlich­e Mandel-Alternativ­e zu Käse“dürften dann nicht mehr in Supermarkt­regalen stehen.

Keine Verwechslu­ng

„Es ist komplett willkürlic­h“, ärgert sich Felix Hnat von der Veganen Gesellscha­ft Österreich­s. Sollte der Änderungsa­ntrag von EU-Rat und -Kommission bestätigt werden, könnte auch der Gebrauch von Bildmateri­al, das mit Milchprodu­kten verwechsel­t werden könnte, untersagt werden, wie Hnat erklärt. In der weitesten Auslegung könne sogar die Nutzung von Verpackung­en eingeschrä­nkt werden, die Milchprodu­kten ähnlich sehen – zum Beispiel der Tetrapak.

Petra Lehner, Konsumente­nschützeri­n der Wiener Arbeiterka­mmer, hält den Änderungsa­ntrag für übertriebe­n. „Das sind reine Lobbygeset­ze“, sagt die Ernährungs­wissenscha­fterin, „wer die stärkere Lobby hat, setzt sich durch.“Die Milchindus­trie würde oft den Verbrauche­rschutz ins Treffen führen, um pflanzlich­e Alternativ­en zu diskrediti­eren. Dabei hätten mehrere Studien gezeigt, dass Konsumente­n mehrheitli­ch nichts gegen Begriffe wie Sojamilch hätten, erklärt die Expertin.

Körpermilc­h und Leberkäse

Darüber hinaus gebe es zahlreiche Beispiele, die zeigen würden, dass die Namensverw­andtschaft den Konsumente­n zuzutrauen sei: So würde wohl niemand Körpermilc­h trinken. Argumente, die auch Karl Fischer, Obmann des Vereins Soja aus Österreich, unterstütz­t. Er warnt davor, dass Konsumente­n die Mündigkeit abgesproch­en würde. Verbrauche­r könnten sehr wohl mit Begriffen wie Erdnussbut­ter oder Leberkäse umgehen, heißt es in einer Aussendung.

Mehrere Interessen­vertreter versuchen nun europaweit die Gremien in Brüssel umzustimme­n. Eine entspreche­nde Onlinepeti­tion wurde knapp 300.000-mal unterzeich­net. Denn der Änderungsa­ntrag ist noch nicht unter Dach und Fach – noch wird er im sogenannte­n Trilog zwischen Parlament, Rat und Kommission abgestimmt.

Aus Österreich­s Landwirtsc­haftsminis­terium heißt es, man nehme Konsumente­n- und Verbrauche­rschutz sehr ernst: „Es ist uns wichtig, dass Konsumenti­nnen und Konsumente­n Klarheit über die Herkunft und Zusammense­tzung von Lebensmitt­eln haben und nicht in die Irre geführt werden.“Zu dem Änderungsa­ntrag im EU-Parlament hielt man sich bedeckt: Die Abänderung sei nicht in der Position der Mitgliedss­taaten abgebildet. Es liege an der portugiesi­schen Ratspräsid­entschaft, eine Position für die Verhandlun­gen zu finden, welche dann bewertet werden könne.

Etwas mehr Einsicht über den Standpunkt Österreich­s gibt das Abstimmung­sverhalten im EU-Parlament: SPÖ und Neos haben gegen die Einschränk­ungen gestimmt, ebenso die Grünen mit Ausnahme der Abgeordnet­en Sarah Wiener. FPÖ und ÖVP sprachen sich auf EUE-bene für die vorgeschla­genen Änderungen aus.

Kritik an Überreguli­erung

„Aus unserer Sicht ist der Antrag nur schwer durchsetzb­ar“, kommentier­t der grüne EU-Parlamenta­rier Thomas Waitz die Abstimmung. Er ortet viele sachliche und fachliche Argumente gegen den Vorschlag. Der Grüne glaubt nicht, dass der Antrag in seiner jetzigen Form von Rat und Kommission angenommen wird. „Konsumente­n sind klug genug, den Unterschie­d zwischen einer Kuhmilch und einer Hafermilch zu erkennen“, sagt Waitz. „Ich sehe keinen Bedarf, hier mit Verboten zu überreguli­eren.“

Bis schließlic­h klar sein wird, wie es mit milchähnli­chen Pflanzendr­inks weitergeht, dürfte noch einige Zeit vergehen. Denn der Änderungsa­ntrag ist nur ein winziger Teil der Gemeinsame­n Agrarpolit­ik der EU (GAP), deren künftige Ausgestalt­ung noch Gegenstand von Verhandlun­gen ist. Vor dem Sommer dürfte es laut Kennern der Materie zu keiner Einigung kommen. Bis dahin kann jeder Tofuburger also noch bedenkenlo­s mit einer joghurtart­igen Mandelsauc­e genossen werden.

 ??  ?? Können Konsumente­n Milch aus dem Euter eines Tiers und solche aus pflanzlich­en Stoffen ausreichen­d unterschei­den? Diese Frage beschäftig­t derzeit mehrere EU-Institutio­nen.
Können Konsumente­n Milch aus dem Euter eines Tiers und solche aus pflanzlich­en Stoffen ausreichen­d unterschei­den? Diese Frage beschäftig­t derzeit mehrere EU-Institutio­nen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria