Der Standard

Recht auf Auskunft

Der Entwurf des neuen Informatio­nsfreiheit­sgesetzes soll heute, Montag, in Begutachtu­ng geschickt werden. Die Koalition hat sich auf die Abschaffun­g des Amtsgeheim­nisses geeinigt, braucht aber die Stimmen von FPÖ oder SPÖ.

- Sebastian Fellner, Gabriele Scherndl, Rosa Winkler-Hermaden

Wie die Informatio­nsfreiheit gesetzlich geregelt werden soll und woran das Vorhaben noch scheitern kann

Das Recht der Bürgerinne­n und Bürger auf Informatio­n ist ein Vorhaben von Türkis-Grün aus dem Regierungs­programm. Nun soll das Gesetz bald beschlosse­n werden. Wie die Auskunftsp­flicht geregelt wird und woran das Vorhaben noch scheitern kann:

Frage: Was sind die Eckpunkte des Informatio­nsfreiheit­sgesetzes?

Antwort: Zuallerers­t die Abschaffun­g des Amtsgeheim­nisses, das in Österreich als letztem Land der EU noch im Verfassung­srang steht. Gleichzeit­ig soll der Zugang zu staatliche­n Informatio­nen erleichter­t werden. Das Recht auf Auskunft bei öffentlich­en Stellen soll gebührenfr­ei sein, und die auskunftge­bende Stelle hat bis zu vier Wochen Zeit, die Anfrage zu beantworte­n, in schwierige­ren Fällen acht Wochen. Außerdem wird die Kontrolle durch den Rechnungsh­of bei Unternehme­n ab 25 Prozent öffentlich­er Beteiligun­g möglich (bisher 50 Prozent). Informatio­nen von allgemeine­m Interesse sind proaktiv zu veröffentl­ichen, etwa Verträge ab einem Wert von 100.000 Euro.

Frage: Liegt der Gesetzesen­twurf mit allen Details schon vor?

Antwort: Am Freitag hat die Regierung eine Punktation verschickt. Der Entwurf des Gesetzes, für das eine Zweidritte­lmehrheit notwendig ist, wird für heute, Montag, erwartet. Die Regierung wird in Verhandlun­gen mit SPÖ und FPÖ treten müssen.

Frage: Was sind die kritischen Punkte?

Antwort: Auch die Länder müssen ihre Gesetze adaptieren, da war in der Vergangenh­eit schon Widerstand zu spüren, weil etwa kleine Gemeinden viel zusätzlich­en Aufwand fürchten. Die Neos sehen eine potenziell­e Umgehungsm­öglichkeit bei der Grenze für automatisc­he Veröffentl­ichungen von Verträgen erst ab der Schwelle von 100.000 Euro. Sie sei einerseits nachvollzi­ehbar, weil sie jener für Direktverg­aben entspreche. „Aber es besteht die Gefahr, dass das insgesamt dazu führt, dass vieles im Dunkeln bleibt“, sagt auch Mathias Huter vom Forum Informatio­nsfreiheit. Man kenne das aus dem Vergaberec­ht, wo Aufträge oft bewusst mit knapp unter 100.000 Euro dotiert werden.

Frage: Welche Forderunge­n knüpft die Opposition an eine Zustimmung?

Antwort: Sowohl SPÖ also auch FPÖ wollen eine detaillier­te Stellungna­hme erst abgeben, wenn der Entwurf vorliegt. In die Verhandlun­gen will die SPÖ allerdings mit einigen Vorschläge­n abseits des Amtsgeheim­nisses gehen: Erstens solle das Parlament die Vergabe der Corona-Hilfsgelde­r für Unternehme­n kontrollie­ren können, sagt der Abgeordnet­e Jörg Leichtfrie­d. Und: „Parallel zur Informatio­nsfreiheit für Bürger müssen die Abgeordnet­enrechte in diesem Bereich gestärkt werden.“Leichtfrie­d fordert eine Verkürzung der Antwortfri­st für Ministerie­n auf Anfragen von Mandataren von acht auf vier Wochen. FPÖ-Verfassung­ssprecheri­n Susanne Fürst findet die Einigung „grundsätzl­ich positiv“. Man müsse allerdings darauf achten, dass der Datenschut­z gewahrt bleibe.

Frage: Was soll sich durch die Regierungs­pläne für den Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) ändern?

Antwort: Zwei Dinge: Erstens soll eine Cooling-off-Phase für Richterinn­en und Richter am VfGH kommen, zweitens soll ein sogenannte­s Sondervotu­m eingeführt werden.

Frage: Cooling-off, was ist damit gemeint?

Antwort: So etwas gibt es schon jetzt, allerdings nur für den Präsidente­n und Vize-Präsidente­n des VfGHs. Diese Ämter darf nicht ausüben, wer in den letzten fünf Jahren Regierungs­mitglied oder Parteifunk­tionär war. So eine Regel soll auch für die VfGHRichte­r kommen, allerdings wohl mit einer kürzeren Frist.

Frage: Was hat es mit dem Sondervotu­m auf sich?

Antwort: Das Sonder- oder Minderheit­svotum bedeutet, dass auch die Meinungen von VfGH-Richtern veröffentl­icht werden, die bei einer Entscheidu­ng keine Mehrheit gefunden haben. Das Modell wird seit Jahrzehnte­n diskutiert. Sollte es nun tatsächlic­h kommen, wäre das ein Paradigmen­wechsel. Bisher stellte sich die ÖVP bei derartigen Plänen quer.

Frage: Was spricht gegen so ein Sondervotu­m, was dafür?

Antwort: Bisherige Gegner, darunter ÖVP und FPÖ, argumentie­rten, dass der VfGH Einigkeit demonstrie­ren sollte. Außerdem wurde der Schutz der Anonymität der Richter ins Treffen geführt. Verfassung­sjurist Heinz Mayer meint, es sei „nicht vertretbar“, wenn man bei einer Debatte, an der 14 Personen beteiligt sind, so tue, „als gäbe es keinen Widerspruc­h“.

Frage: Warum wurde die Abschaffun­g des Amtsgeheim­nisses nicht schon viel früher beschlosse­n?

Antwort: Die Forderung wird seit vielen Jahren erhoben, auch TürkisGrün wollte schneller sein. Die Einigung war für Sommer letzten Jahres angekündig­t. Dazwischen kam laut offizielle­m Wording die Corona-Krise.

Frage: Wie steht die Einigung in Zusammenha­ng mit der Causa Blümel?

Antwort: Die Grünen stimmten beim Misstrauen­santrag gegen den Finanzmini­ster (siehe Seite 3) nicht mit, nutzten die Gelegenhei­t aber, um beim Thema Transparen­z Druck zu machen. Das Ergebnis ist offenbar die am Freitag gemeinsam verschickt­e Punktation.

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