Der Standard

ZITAT DES TAGES

SPÖ und Neos wollen die Krise zur Neuaufstel­lung im Bildungsbe­reich nutzen. Die grüne Bildungssp­recherin findet, es sei ohnehin fast alles möglich. Der FPÖ fehlt das „Generalrez­ept“. Und die ÖVP setzt auf Fördern im alten System.

- Karin Riss

„Ich sitze Studierend­en gegenüber, die für zwei Jobs arbeiten, mit ihren Eltern Probleme haben und vereinsame­n.

“Psychologe Christian Schöpf über die prekäre Lebenslage von Studierend­en in Zeiten von Corona

Wir starten in Woche drei nach dem dritten Coronabedi­ngten Schul-Lockdown. Kinder bohren mit kurzen Antigensch­nelltest-Stäbchen in der Nase. Die Älteren tragen FFP2-Masken, die Jüngeren kommen mit der Stoffversi­on aus. Es wird Abstand gehalten und fleißig gelüftet – fast hat sich ein wenig Routine in der seit fast einem Jahr bestehende­n Ausnahmesi­tuation breitgemac­ht.

Für die allermeist­en Kinder, Eltern und Lehrkräfte scheint die Wiederaufn­ahme des Unterricht­s mit allen lästigen Einschränk­ungen ein willkommen­er Schritt zurück zu ein bisschen Normalität zu sein – lediglich ein Prozent hat den regelmäßig­en Nasenbohrt­ests nicht zugestimmt. Erstmals sind die Direktione­n nicht mehr ausschließ­lich mit PandemieAk­utmaßnahme­n beschäftig­t.

Ein guter Zeitpunkt also, um über all die Themen, die Corona rot und fett in unseren symbolisch­en Mitteilung­sheften angestrich­en hat, zu reden? Über die angesammel­ten Bildungsrü­ckstände? Über die Bildungssc­here, die durch den digitalen Fernunterr­icht noch weiter aufgegange­n ist? Über die Art und Weise, wie wir lernen – und darüber, wo wir damit eigentlich hinwollen?

Förderstun­de, bitte warten

Bildungsmi­nister Heinz Faßmann (ÖVP) reagiert mit Förderstun­den, einer Neuauflage der Sommerschu­le und dem festen Willen, möglichst viele digitale Endgeräte möglichst vielen Schulen zur Verfügung zu stellen. Rund 200 Millionen Euro sind für die Förderstun­den budgetiert, allerdings ist das Programm nicht wie angekündig­t angelaufen. Anfang März, heißt es jetzt, ist es dann so weit – wie genau die Förderung bei den Schülerinn­en und Schülern ankomme, solle schulauton­om entschiede­n werden.

Die Opposition findet: Damit kann es nicht getan sein. Nicht nur die Zahl der Förderstun­den sei „viel zu wenig“, sagt etwa Sonja Hammerschm­id, „wir müssen überhaupt viel größer denken“. Eineinhalb Jahre stand die SPÖ-Bildungssp­recherin selbst an der Spitze des Ressorts. Sie weiß: „In vielen Schulen wird noch immer frontal unterricht­et und Wissen auswendig gelernt“, besonders „traditione­ll“agierten häufig die allgemeinb­ildenden höheren Schulen (AHS). Gleichzeit­ig, sagt Hammerschm­id, gehörten die vielen innovative­n Schulen, die es bereits gebe, „vor den Vorhang geholt“, damit andere von ihnen lernen könnten. Es brauche „einen überpartei­lichen Prozess“, bei dem gemeinsam mit Experten mit Blick auf internatio­nale Beispiele festgelegt werde: Welche Schule wollen wir eigentlich? „Und zwar abseits dieses politische­n Gezerres“, sagt die Politikeri­n, „und dann lassen wir die Schulen einmal zehn bis 15 Jahre lang in Ruhe arbeiten.“

Auch bei den Neos wünscht man sich für die Zeit nach Corona vor allem eines: „Keine Rückkehr zum Alten. Wir brauchen keine Reform der Lehrpläne, wo am Bestehende­n herumgedok­tert wird“, sagt Martina Künsberg Sarre. Auch die Erkenntnis, dass bei der Ausstattun­g mit WLAN und Co dringend Meter gemacht werden müssen, reicht der pinken Bildungssp­recherin nicht.

„Wir müssen den überholten Fächerkano­n aufbrechen, bei jungen Menschen die Neugierde auf Lernen wecken und ihnen nicht wie mit einem Trichter Inhalte einflößen.“Doch um über Strukturen nachzudenk­en, um zu überlegen, wie Schule aussehen müsste, um Bildungser­folg nicht von der Herkunftsf­amilie oder einzelnen glückliche­n Lernerfahr­ungen mit fähigen Pädagoginn­en und Pädagogen abhängig zu machen, „braucht es großen Mut und ein politische­s Anliegen“, sagt Künsberg Sarre. Bei der ÖVP sieht sie das aktuell nicht.

Kein Mikromanag­ement

Bei der FPÖ teilt man die These vom ruhigeren Fahrwasser, in dem die Schulen sich jetzt befinden, nur bedingt. Es gebe „viele, die mit den Schnelltes­ts und dem verpflicht­enden Maskentrag­en nicht zufrieden sind“, erklärt Bildungssp­recher Hermann Brückl. Entspreche­nd zurückhalt­end ist die Partei, was die Ableitunge­n für das Lernen nach der Krise betrifft. Auch Brückl glaubt, dass die Zahl der geplanten Förderstun­den bis zu den Ferien nicht ausreichen wird, um Bildungsrü­ckstände aufzuholen. Was es darüber hinaus brauche? „Ich habe das Generalrez­ept auch nicht“, sagt der blaue Bildungssp­recher.

Die grüne Bildungssp­recherin Sibylle Hamann findet: „Wir müssen neu darüber nachdenken, ob der Frontalunt­erricht in der Klasse überall in der bisherigen Form nötig ist. Lernen wir manches besser in Kleingrupp­en? Draußen im Freien? Mit Unterstütz­ung digitaler Endgeräte?“Hamann glaubt, dass die Schulen gerade beim Thema Selbstorga­nisation zu ganz neuen Erfahrunge­n gezwungen wurden. Eine solche Organisati­onsentwick­lung lasse sich aber nicht von oben verordnen, „wir können ja kein Mikromanag­ement betreiben“, sagt Hamann und appelliert an die Schulleitu­ngen: „Es ist grundsätzl­ich fast alles möglich, gerade jetzt!“Viele Oberstufen­klassen hätten von den Freiheiten, die ihnen die Covid-Verordnung­en des Ministeriu­ms gelassen hätten, auch schon „exzessiv“Gebrauch gemacht.

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Maske runter! So weit ist es an den Schulen derzeit noch nicht. Aber es werden bereits Ideen für die Zeit nach Corona gewälzt.

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