Van der Bellens Kalender als blaue Bombe
Die FPÖ veröffentlichte den Kalender von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Dieser zeigt eine mehrstündige Besprechung zum „Gerücht“Ibiza, am Tag bevor „die Bombe platzt“.
Der Countdown hatte Politikjournalisten in Aufregung versetzt: Seit rund einer Woche kündigt die FPÖ auf der Webseite tuesfuermich.at neue Enthüllungen an. Diese haben aber wider Erwarten nichts mit den aktuellen Ermittlungen gegen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) zu tun, der mit diesen Worten einen Anruf des Finanzministeriums beim damaligen Novomatic-Chef Harald Neumann erbat. Die FPÖ wollte vielmehr die Tage rund um die Veröffentlichung des Ibiza-Videos thematisieren – und die Rolle des Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen.
Für die FPÖ ist diese Woche nach wie vor traumatisch: Sie verlor durch die Korruptionsfantasien ihrer Parteispitze auf Ibiza nicht nur Obmann Heinz-Christian Strache und seinen Vize Johann Gudenus, sondern auf absehbare Zeit auch die Chance auf eine Regierungsbeteiligung im Bund. Zwar hat die FPÖ mittlerweile mit Strache abgeschlossen; die Partei treibt aber weiterhin die Frage um, wer vorab vom Ibiza-Video gewusst und für dessen Veröffentlichung gesorgt haben könnte.
Durch ein STANDARD-Interview mit Ibiza-Videoregisseur Julian H. wurde bekannt, dass einige Tage vor der Veröffentlichung auch eine Warnung an die Präsidentschaftskanzlei erging. So wurden einem langjährigen Mitarbeiter der Grünen, der damals in der Privatwirtschaft tätig war, Szenen aus dem Video vorgespielt. Dieser behauptet, davon niemandem erzählt zu haben. Außerdem sandte H. eine Art Bekennerschreiben an die Präsidentschaftskanzlei, die übergab das Dokument erst vor wenigen Tagen der Soko Tape, wie die FPÖ moniert. „Auf so eine E-Mail kommt man erst nach zwei Jahren drauf?“, fragte der UAusschuss-Fraktionsführer Christian Hafenecker (FPÖ) am Montag.
Durch STANDARD-Recherchen wurde zudem publik, dass offenbar ein Mitarbeiter der Hofburg kurz nach der Publikation des Ibiza-Videos den persönlichen Outlook-Kalender von Van der Bellen abfotografiert und an Strache übermittelt hat. Deshalb laufen Ermittlungen gegen unbekannte Täter. Auf dem Kalendereintrag soll angeblich klar zu sehen sein, dass Van der Bellen vorab von dem Ibiza-Video gewusst hat.
Am Montag präsentierte die FPÖ nun diesen abfotografierten Kalender. Er zeigt am Donnerstag, einen Tag vor der Veröffentlichung des Ibiza-Videos, eine Besprechung mit den Van-der-Bellen-Beratern Martin Radjaby und Lothar Lockl zum Thema „Gerüchte Spiegel/Süddeutsche zu Strache/Gudenus“. Zu dem Zeitpunkt waren offenbar schon erste
Presseanfragen bei Strache eingegangen. Am nächsten Abend stand im Kalender des Präsidenten: „Die Bombe platzt: Str + Gud in Ibiza“– laut Präsidentschaftskanzlei habe Van der Bellen den Eintrag nachträglich vorgenommen.
Am Samstag ist dann ein Termin mit Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), dessen Berater Stefan Steiner sowie Kabinettschef Bernhard Bonelli eingetragen. Befragt nach Gesprächen mit Van der Bellen, sagte Bonelli im U-Ausschuss: „Ich glaube, da gab es Gespräche im Laufe des Samstags, aber wann genau, in welcher Form, weiß ich nicht genau.“
Hafenecker monierte, dass beispielsweise der Kalender von Kurz als „privat“eingestuft wurde und den Abgeordneten des U-Ausschusses nicht vorliegt. Es gebe „Beamte und Institutionen“, die dem Parlament Informationen vorenthalten würden; ein „tiefer Staat“, wie Hafenecker sagt. Das zeige sich daran, dass Chatnachrichten, die auch Kurz als Sender oder Empfänger betreffen, erst diese Woche in den U-Ausschuss gelangen werden.