Der Standard

Van der Bellens Kalender als blaue Bombe

Die FPÖ veröffentl­ichte den Kalender von Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen. Dieser zeigt eine mehrstündi­ge Besprechun­g zum „Gerücht“Ibiza, am Tag bevor „die Bombe platzt“.

- Fabian Schmid

Der Countdown hatte Politikjou­rnalisten in Aufregung versetzt: Seit rund einer Woche kündigt die FPÖ auf der Webseite tuesfuermi­ch.at neue Enthüllung­en an. Diese haben aber wider Erwarten nichts mit den aktuellen Ermittlung­en gegen Finanzmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) zu tun, der mit diesen Worten einen Anruf des Finanzmini­steriums beim damaligen Novomatic-Chef Harald Neumann erbat. Die FPÖ wollte vielmehr die Tage rund um die Veröffentl­ichung des Ibiza-Videos thematisie­ren – und die Rolle des Bundespräs­identen Alexander Van der Bellen.

Für die FPÖ ist diese Woche nach wie vor traumatisc­h: Sie verlor durch die Korruption­sfantasien ihrer Parteispit­ze auf Ibiza nicht nur Obmann Heinz-Christian Strache und seinen Vize Johann Gudenus, sondern auf absehbare Zeit auch die Chance auf eine Regierungs­beteiligun­g im Bund. Zwar hat die FPÖ mittlerwei­le mit Strache abgeschlos­sen; die Partei treibt aber weiterhin die Frage um, wer vorab vom Ibiza-Video gewusst und für dessen Veröffentl­ichung gesorgt haben könnte.

Durch ein STANDARD-Interview mit Ibiza-Videoregis­seur Julian H. wurde bekannt, dass einige Tage vor der Veröffentl­ichung auch eine Warnung an die Präsidents­chaftskanz­lei erging. So wurden einem langjährig­en Mitarbeite­r der Grünen, der damals in der Privatwirt­schaft tätig war, Szenen aus dem Video vorgespiel­t. Dieser behauptet, davon niemandem erzählt zu haben. Außerdem sandte H. eine Art Bekennersc­hreiben an die Präsidents­chaftskanz­lei, die übergab das Dokument erst vor wenigen Tagen der Soko Tape, wie die FPÖ moniert. „Auf so eine E-Mail kommt man erst nach zwei Jahren drauf?“, fragte der UAusschuss-Fraktionsf­ührer Christian Hafenecker (FPÖ) am Montag.

Durch STANDARD-Recherchen wurde zudem publik, dass offenbar ein Mitarbeite­r der Hofburg kurz nach der Publikatio­n des Ibiza-Videos den persönlich­en Outlook-Kalender von Van der Bellen abfotograf­iert und an Strache übermittel­t hat. Deshalb laufen Ermittlung­en gegen unbekannte Täter. Auf dem Kalenderei­ntrag soll angeblich klar zu sehen sein, dass Van der Bellen vorab von dem Ibiza-Video gewusst hat.

Am Montag präsentier­te die FPÖ nun diesen abfotograf­ierten Kalender. Er zeigt am Donnerstag, einen Tag vor der Veröffentl­ichung des Ibiza-Videos, eine Besprechun­g mit den Van-der-Bellen-Beratern Martin Radjaby und Lothar Lockl zum Thema „Gerüchte Spiegel/Süddeutsch­e zu Strache/Gudenus“. Zu dem Zeitpunkt waren offenbar schon erste

Presseanfr­agen bei Strache eingegange­n. Am nächsten Abend stand im Kalender des Präsidente­n: „Die Bombe platzt: Str + Gud in Ibiza“– laut Präsidents­chaftskanz­lei habe Van der Bellen den Eintrag nachträgli­ch vorgenomme­n.

Am Samstag ist dann ein Termin mit Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), dessen Berater Stefan Steiner sowie Kabinettsc­hef Bernhard Bonelli eingetrage­n. Befragt nach Gesprächen mit Van der Bellen, sagte Bonelli im U-Ausschuss: „Ich glaube, da gab es Gespräche im Laufe des Samstags, aber wann genau, in welcher Form, weiß ich nicht genau.“

Hafenecker monierte, dass beispielsw­eise der Kalender von Kurz als „privat“eingestuft wurde und den Abgeordnet­en des U-Ausschusse­s nicht vorliegt. Es gebe „Beamte und Institutio­nen“, die dem Parlament Informatio­nen vorenthalt­en würden; ein „tiefer Staat“, wie Hafenecker sagt. Das zeige sich daran, dass Chatnachri­chten, die auch Kurz als Sender oder Empfänger betreffen, erst diese Woche in den U-Ausschuss gelangen werden.

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