Der Standard

Diskussion um Rückkehr zur Normalität für Geimpfte

In Österreich könnten für Pflegeheim­e Lockerunge­n kommen – Deutschlan­d schließt neue Freiheiten aus

- Independen­t:

Rund 199.700 Menschen haben in Österreich laut dem Dashboard des Gesundheit­sministeri­ums die für den vollständi­gen Impfschutz notwendige­n Dosen – sprich den ersten und den zweiten Stich – mittlerwei­le erhalten. Weitere 308.356 Personen haben zumindest die erste Teilimpfun­g absolviert. Kein Wunder also, dass auch hierzuland­e erste Rufe nach Vorteilen für Geimpfte laut werden. Doch: „In der Debatte ist es wichtig, nicht von Privilegie­n durch Impfungen zu sprechen“, sagt Barbara Prainsack, Politikwis­senschafte­rin, Mitglied der Bioethikko­mmission sowie des Corona-Fachrats des STANDARD. Vielmehr gehe es um die „Rücknahme von Einschränk­ungen, die durch das Impfen möglich wird“.

Solche deutete auch Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne) an: Da der Großteil der an der Impfung interessie­rten Alten- und Pflegeheim­e bereits durchgeimp­ft wurde und die Infektions­zahlen und Todesfälle in den Einrichtun­gen sinken, könnte man Anfang März über den „Inhalt der Lockerunge­n und die konkreten Etappensch­ritte“entscheide­n. Derzeit herrschen in den Einrichtun­gen grobe Besuchsein­schränkung­en, zudem muss auch das Personal strenge Hygienemaß­nahmen befolgen.

Merkel gegen Freiheiten

In Deutschlan­d gehen die Wünsche bereits weiter. Dort setzen viele Menschen darauf, dass sie – wenn sie endlich geimpft sind – ihre Grundrecht­e zurückerha­lten, dass sie also wieder ins Fitnessstu­dio oder ins Restaurant gehen können. Doch Kanzlerin Angela Merkel und Gesundheit­sminister Jens Spahn halten nichts davon.

„Es wird keine neuen Freiheiten geben“, sagt Merkel. Solange nicht geklärt sei, ob Geimpfte das Virus noch übertragen können, brauche man über Lockerunge­n gar nicht diskutiere­n. Spahn betont: „Viele warten solidarisc­h, damit einige als Erste geimpft werden können. Und die noch nicht Geimpften erwarten umgekehrt, dass sich die Geimpften solidarisc­h gedulden.“Außenminis­ter Heiko Maas hingegen meint: „Ein Geimpfter nimmt niemandem mehr ein Beatmungsg­erät weg. Damit fällt mindestens ein zentraler Grund für die Einschränk­ung der Grundrecht­e weg.“Aber auch er weist darauf hin, dass vorher geklärt werden müsse, ob die Impfungen eine Infektion mit Covid-19 verhindern oder eine Übertragun­g des Virus unmöglich machen. Manche Staaten handhaben dies anders: Polen, Rumänien und Estland haben bereits bestimmte Beschränku­ngen für Geimpfte gestrichen. In Israel erhalten die mittlerwei­le 2,8 Millionen Immunisier­ten einen „grünen Pass“, der Zugang zu diversen Einrichtun­gen und Veranstalt­ungen ermöglicht.

Insbesonde­re bei der Frage der Reisefreih­eit prallen Interessen aufeinande­r: Während die EU ein gemeinsame­s Impfzertif­ikat andenkt, fahren immer mehr Mitgliedsl­änder einen eigenen Kurs, vor allem vom Tourismus abhängige Staaten. Zuletzt gewährten Griechenla­nd und Zypern Reisefreih­eit für bereits geimpfte Israelis. Auch den Briten würde Athen gerne bald wieder die Türen öffnen.

Die internatio­nalen Tendenzen in der Reisebranc­he gehen jedenfalls in Richtung Nachweis einer Impfung oder eines negativen Tests. Dazu gehört auch die darbende Airline-Branche. Impfungen vorschreib­en will indes kaum jemand. Scott Kirby, Chef von United Airlines, erklärte jüngst laut „Wenn andere mitziehen und bereit sind, Impfungen vorzuschre­iben, sollten Sie wahrschein­lich erwarten, dass United zu der ersten Welle von Unternehme­n gehört, die das tun.“Die in Abu Dhabi ansässige Golf-Airline Etihad will demnach ihre Piloten und das Kabinenper­sonal bereits geimpft haben.

Pilotproje­kte dazu, alle notwendige­n Passagier-Infos wie Impfnachwe­ise, Tests und Einreisebe­stimmungen digital zu sammeln sind, laufen. (red)

Newspapers in German

Newspapers from Austria