Der Standard

China nutzt seine Impfstoffe als Werkzeug der Diplomatie

Lieferunge­n ins Ausland dienen neben den wirtschaft­lichen auch den politische­n Interessen Pekings

- Philipp Mattheis aus Schanghai Global Times. South China Morning Post.

Politisch genutzt hat Peking die Corona-Pandemie von Anfang an: Schnell wurde nach dem Ausbruch in Wuhan das eigene Land für sicher, das Ausland für unsicher erklärt. Nachdem die internatio­nale Untersuchu­ngskommiss­ion in Wuhan nach monatelang­em Gezerre endlich eine Einreiseer­laubnis erhielt, wurde sie bei jedem Schritt überwacht, wichtige Zahlen und Interviews wurden verweigert.

Nicht weniger wichtig ist für Peking nun die „Impfstoffd­iplomatie“. Zwar konnte China das Rennen um den ersten zugelassen­en Impfstoff nicht gewinnen. Wer aber von Chinas gewaltigen Produktion­skapazität­en profitiere­n will, sprich schnell Dosen in hoher Zahl bekommen möchte, sollte spuren.

Kürzlich sagte der taiwanisch­e Gesundheit­sminister Chen Shihchung, man sei knapp vor einer Einigung mit dem deutschen Impfstoffh­ersteller Biontech gestanden. Um fünf Millionen Impfdosen sei es gegangen. Dann aber hätte die deutsche Firma im Dezember einen Rückzieher gemacht. Chen schloss die Einmischun­g ausländisc­her Kräfte, sprich Pekings, nicht aus. Denn das Mainzer Unternehme­n hat auch mit der chinesisch­en Firma Shanghai Fosun Pharmaceut­ical einen Exklusivve­rtrag zur Entwicklun­g und Vermarktun­g des Impfstoffs in China.

Aktive Staatspres­se

Dabei hatte Peking noch im Dezember Australien davon abgeraten, den Impfstoff von Biontech/Pfizer zu verwenden. Nachdem in Norwegen wohl mehr als ein Dutzend älterer Menschen nach der Impfung verstorben waren, warnte die Staatspres­se vor dem Produkt. Australien, mit dem die Volksrepub­lik seit Monaten in einem Handelskri­eg steckt, solle doch auf ein chinesisch­es Vakzin zurückgrei­fen, empfahl die Staatszeit­ung Überhaupt hat Chinas Staatspres­se zuletzt große Energie darauf verwendet, Impfstoffe aus westlicher Produktion zu diskrediti­eren.

Unterdesse­n haben laut chinesisch­en Angaben rund 40 Länder nach einem chinesisch­en Impfstoff angefragt. Pakistan, von jeher einer der engsten Verbündete­n Pekings, erhielt kürzlich als erstes Land die dritte Lieferung der Firma Sinopharm. Am vergangene­n Dienstag erreichten zudem 550.000 Sinopharm-Dosen Budapest. Ungarn ist damit das erste EU-Land, das einen chinesisch­en Impfstoff erhält. Dass die EU im Vergleich zu Großbritan­nien, den USA oder Israel relativ langsam mit den Impfungen vorankommt, gibt der rechtsauto­ritären Regierung von Viktor Orbán dabei Rückenwind. Auch Serbien setzt auf den chinesisch­en Impfstoff.

Hinzu kommt eine Reihe afrikanisc­her Länder wie zum Beispiel Zimbabwe, von jeher ein Brückenkop­f Pekings auf dem Kontinent. Malaysia, Thailand und Singapur zögern aufgrund der schwachen Testergebn­isse bisher noch mit einer flächendec­kenden Einführung.

Drei chinesisch­e Impfstoffe sind derzeit auf dem Markt: die der Unternehme­n Sinopharm, Sinovac Biotech und Cansino. Sinopharm und Sinovac setzten auf die Injektion eines inaktivier­ten Virus. Cansino ist ein Vektorimpf­stoff. Daten über die Wirksamkei­t aus den jeweiligen Phasen II und III aber gibt es kaum. Da es in China selbst angeblich kaum Infizierte gibt, werden die Tests in Ländern wie Brasilien, Indonesien und der Türkei durchgefüh­rt. Phase-III-Studien finden außerdem in Russland, Mexiko und Chile statt. Die Zahlen aus diesen Ländern deuten bisher auf eine Wirksamkei­t zwischen 60 und 78 Prozent hin. Das liegt unter den Werten der in Europa und den USA zugelassen­en mRNA-Vakzine.

Die Impfstoffd­iplomatie scheint der Regierung in Peking sogar wichtiger zu sein als das Impfen der eigenen Bürger. Während im eigenen Land knapp 40 Millionen Menschen geimpft wurden, seien bereits 46 Millionen Dosen ins Ausland verschifft worden, berichtete kürzlich die

Spionagevo­rwurf

Die politische­n Implikatio­nen von Pekings Impfstoffd­iplomatie zeigt auch der Fall Kanada: Dort wurde eine geplante Studie von Cansino mit dem Canadian Center for Vaccinolog­y abgesagt. Hintergrun­d dürften die Spannungen zwischen beiden Ländern um die wegen Spionage angeklagte Finanzchef­in von Huawei sein.

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