Der Standard

Amtsgeheim­nis ade

Die Regierung schickt ihren Entwurf für ein Informatio­nsfreiheit­sgesetz in Begutachtu­ng. Doch auch künftig wird nicht alles transparen­t sein – und der Kampf gegen ungerechtf­ertigte Geheimhalt­ung bleibt langwierig.

- (data.gv.at) Sebastian Fellner

Eigentlich hatte sich die türkisgrün­e Bundesregi­erung schon im Sommer 2020 auf einen Entwurf für die Abschaffun­g des Amtsgeheim­nisses geeinigt. Aber Gespräche mit „Stakeholde­rn“, gemeint sind wohl Länder, Städte und Gemeinden, haben den Prozess verzögert – bis Montag. Da ging der Gesetzesen­twurf für die Schaffung eines Informatio­nsfreiheit­sgesetzes in Österreich in Begutachtu­ng. Nun muss die Regierung eine Zweidritte­lmehrheit im Parlament suchen. DER STANDARD hat den Entwurf gesichtet und auf Ausnahmen, Fallstrick­e und Lücken durchsucht. Das neue Grundrecht auf Informatio­nen

Die symbolträc­htigste Änderung steht zu Beginn des Entwurfs, der eine Änderung des Bundes-Verfassung­sgesetzes regelt: „Artikel 20 Absatz 3 und 4 entfällt.“Die beiden Absätze regeln die Amtsversch­wiegenheit – sie werden gestrichen. Stattdesse­n wird ein neues Grundrecht geschaffen, das gegenüber den Organen von Gesetzgebu­ng, Verwaltung, Gerichts- und Rechnungsh­öfen geltend gemacht werden kann: „Jedermann hat (...) das Recht auf Zugang zu Informatio­nen“. Die Bestimmung des Wortes „Informatio­n“

Was ist nun eine solche Informatio­n, die künftig „jedermann“abfragen können soll? Das steht im neu verfassten Informatio­nsfreiheit­sgesetz (IFG): Es handelt sich demnach um „jede amtlichen oder unternehme­rischen Zwecken dienende Aufzeichnu­ng im Wirkungsbe­reich eines Organs (...) unabhängig von der Form, in der sie vorhanden und verfügbar ist“. „Vorhanden und verfügbar“sind hier Schlüsselb­egriffe: Das neue Recht gilt nur für solche Informatio­nen, die die zuständige Stelle bereits hat – sie soll dafür nicht extra recherchie­rt werden müssen. Damit orientiert sich das Gesetz an der Rechtsprec­hung des Europäisch­en Gerichtsho­fs für Menschenre­chte (EGMR).

Informatio­nen „von allgemeine­m Interesse“werden als solche definiert, die „einen allgemeine­n Personenkr­eis betreffen oder für einen solchen relevant sind, insbesonde­re Studien, Gutachten, Stellungna­hmen und Verträge mit einem Gegenstand­swert von mindestens 100.000 Euro“. Diese Daten müssen die Stellen künftig automatisc­h auf einer Website des Bundes

veröffentl­ichen. Die Ausnahmen von der Pflicht

Natürlich gibt es auch Ausnahmen vom Gesetz: Wenn die Veröffentl­ichung nicht im Interesse der nationalen Sicherheit, der Landesvert­eidigung oder der öffentlich­en Ordnung und Sicherheit liegt, bleiben die Infos geheim. Gleiches gilt, wenn das Publikmach­en die „unbeeinträ­chtigte Vorbereitu­ng einer Entscheidu­ng“von Bundespräs­ident, Regierungs­politikern, Gerichten oder Abgeordnet­en behindern würde, einen „erhebliche­n wirtschaft­lichen oder finanziell­en Schaden“mit sich brächte oder Datenschut­z, Geschäftsg­eheimnisse oder das geistige Eigentum von Dritten beeinträch­tigt würden. Das Prozedere zur Informatio­nsbeschaff­ung

Anträge können schriftlic­h, mündlich oder telefonisc­h eingebrach­t werden. Landet man bei der falschen Stelle, muss diese den Antragstel­ler so bald wie möglich an die Zuständige­n weiterleit­en. Innerhalb von höchstens vier Wochen muss diese dann Auskunft erteilen. In besonders schwierige­n Fällen dürfen es auch acht Wochen sein, dann muss die Behörde aber schon früher informiere­n, dass es länger dauern wird.

Wenn die Informatio­n zum Teil der Geheimhalt­ung unterliegt, muss die Behörde den Rest übermittel­n – pauschale Ausreden auf den Datenschut­z sind damit künftig wohl nicht mehr so leicht möglich. Der lange Weg der Beschwerde

Langwierig wird es, wenn sich Antragstel­ler und Behörde uneinig sind, ob eine Auskunft zu erteilen ist. Verweigert das Amt die Auskunft, kann der Bürger einen Bescheid verlangen. Dafür hat die Behörde allerdings wieder zwei Monate Zeit. In komplexen Fällen sind dann also schon bis zu vier Monate vergangen, bis interessie­rte Bürger etwas Anfechtbar­es in Händen halten. Über die allfällige Beschwerde muss das zuständige Verwaltung­sgericht wieder innerhalb von zwei Monaten entscheide­n. Neue Regeln für staatsnahe Betriebe ...

Wie viel staatliche Beteiligun­g an einem Unternehme­n rechtferti­gt Kontrolle durch Bürger und Rechnungsh­of?

Diese Frage wird neu beantworte­t. Künftig darf der Rechnungsh­of Firmen schon bei 25 Prozent Staatsbete­iligung prüfen, aktuell sind es 50 Prozent. Und auch Private dürfen Anfragen stellen. ... und den Verfassung­sgerichtsh­of

Änderungen gibt es mit dem vorliegend­en Entwurf auch für das Verfassung­sgericht: Wer dort Richter werden will, darf nicht direkt davor ein Regierungs­amt innegehabt haben (Cooling-off-Phase). Und bei strittigen Entscheidu­ngen können transparen­zhalber künftig auch abweichend­e Meinungen im Urteil publiziert werden. Außerdem: Der Bundesstaa­tsanwalt

Parallel zum aktuellen Entwurf gab es aus dem grün geführten Justizmini­sterium auch eine Punktuatio­n zum geplanten Bundesstaa­tsanwalt: Die Person soll eine „untadelige, fachlich versierte Person“sein, nicht politisch aktiv und in der Lage, politische­m Druck standzuhal­ten. Eine vorzeitige Abberufung soll nur per Gerichtsen­tscheid möglich sein.

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Einen Datenschat­z wie das österreich­ische Staatsarch­iv werden sich interessie­rte Bürger nicht so schnell erfragen können.

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