Der Standard

In den Ring steigen

Die Hüften kreisen, und die Kilos purzeln. Hula-Hoop gilt plötzlich als Trendsport­art. Verbreitet hat sich das Ringelspie­l über Social-MediaPlatt­formen wie Instagram und Tiktok, blaue Flecken inklusive.

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Er ist bunt, mit schimmernd­en Tapes beklebt und kaum zu übersehen. Seit Monaten dreht sich der HulaHoop-Reifen durch die Social-Media-Netzwerke. Während des Lockdown-Marathons ist er für viele zum Fitness- und zum Tanzpartne­r geworden – für manche auch zu einem großen Verspreche­n.

„Der Reifen hat mein Leben verändert“, erklärt Elli Haschke gern, wenn sie auf ihrem Instagram-Account „Elli Hoop“in ihren pinken Sportleggi­ngs die bunten Hoops kreisen lässt. Haschke könnte man als Herrin der Ringe bezeichnen. Sie ist die wohl erfolgreic­hste Hula-HoopInflue­ncerin im deutschspr­achigen Raum. Zwanzig

Kilo hat sie durch das Training mit den bunten Reifen abgenommen.

Auf Instagram, wo sie erst seit 2019 aktiv ist, verfolgen 338.000 Menschen ihre Erfolgsges­chichte, im vergangene­n November hat sie ein Buch herausgebr­acht: Huller dich frei,

Untertitel: „Trainiert Taille, Rücken, Po und Beckenbode­n, mit Ernährungs­tipps und Rezepten.“

Sport für Couch-Potatoes

Der Hula-Hoop signalisie­rt pandemiege­plagten Couch-Potatoes: Mit diesem Workout kann man Spaß haben, fit werden und Gewicht verlieren. Haschke ist nicht die Einzige, die in den Reifen gesprungen ist: Auch das deutsche Model Angelina Kirsch preist die Vorteile, auf Youtube werden hunderte HulaHoop-Workouts angeboten, in Österreich produziere­n einige Kleinunter­nehmen die bunten Reifen.

Andrea Raffl ist schon länger dabei. Sie stellt mit ihrem Unternehme­n The Hoop Culture in Vorarlberg bunt getapte Fitness-, Dance- und Plus-Size-Hula-Hoops her, zwischen 50 und 70 Euro kosten die Teile. Den Bestellung­en kommt sie derzeit kaum hinterher, in ihrer Wohnung stapeln sich in Kartons. So groß sei die Nachfrage noch nie gewesen, erklärt die ausgebilde­te Hoop-Danceund Fitness-Lehrerin am Telefon. Raffl muss es wissen. Seit dreizehn Jahren begeistert sie sich für die Reifen, damals schwappte Hula-Hoop aus den USA herüber nach Europa.

Raus aus der Nische

So wirklich durchgeset­zt hat er sich damals nicht, Hula-Hoop blieb ein Nischenpro­gramm. Seither gibt es in Österreich einige Hundert Begeistert­e, Tendenz allerdings steigend. Mit der Verbreitun­g über die Social-Media-Kanäle wurde die Bewegung zum internatio­nalen Trend, mehr als eine Million Beiträge wurden allein auf Instagram unter dem Hashtag #Hulahoop abgelegt, insbesonde­re seit der Pandemie wird der Reifen als unkomplizi­ertes, kostengüns­tiges Fitnessger­ät geschätzt.

Das sei längst nicht alles, glaubt die Vorarlberg­erin: „Das Schwingen am Bauch lässt ein Wohlgefühl entstehen.“Außerdem hätten Anfängerin­nen und Anfänger schnell Erfolgserl­ebnisse, vielen gelinge es schon innerhalb einer halben Stunde, den Reifen oben zu halten. Bisher sind es wie in den Fünfzigerj­ahren vor allem Frauen, die die Reifen kreisen lassen. Schade, sagt die in Wien lebende Tanzpädago­gin und Gesundheit­strainerin Marina Hora-Pichlbauer: „Hula-Hoop ist lange zu Unrecht als Getanze abgetan worden.“Jetzt trauten sich aber immer mehr Männer an das Gerät, warum auch nicht? „Viele Fußballclu­bs trainieren schon seit Jahren mit Hula-Hoop-Reifen, um die Beweglichk­eit der männlichen Spieler zu fördern“, so Hora-Pichlbauer.

Auch sie produziert Reifen. Lange tat sie dies in ihrer Wohnung, aufgrund der gesteigert­en Nachfrage werden die bunten Teile für ihr Unternehme­n Hoop Your Body aber seit neuestem in einer Werkstatt im 19. Wiener Gemeindebe­zirk gefertigt. Vor der Pandemie hat die Unternehme­rin ihre Reifen vor allem auf Messen und Märkten verkauft, derzeit nur online: 80 Prozent der Bestellung­en kämen aus Deutschlan­d: „Österreich hinkt ein wenig hinterher, da gibt’s noch Luft nach oben.“

Ein Dorn im Auge ist beiden HulaHoop-Expertinne­n die Begeisteru­ng der Onlineszen­e für schwere Reifen, die nicht selten für leichte Verletzung­en sorgen. Das bestätigt ein Blick in die Facebook-Gruppe „HulaHoop – Hullern, was das Zeug hält“.

Hier tauschen sich über 26.000 Mitglieder über Reifen und Zubehör aus, posten Videos von sich, blaue Flecken werden wie Trophäen vorgezeigt. Das muss nicht sein, sagt Andrea Raffl. Nicht das Gewicht, sondern der Radius des Modells sei entscheide­nd: „Der Reifen sollte mindestens bis zum Bauchnabel reichen.“Kurvigeren Menschen empfiehlt sie Modelle mit einem Radius von ein bis 1,30 Metern. Auch Marina Hora-Pichlbauer sagt: „Je größer der Abstand zwischen Bauch und Reifen, desto einfacher ist das Hoopen“, sie empfiehlt 600 bis 900 Gramm leichte Reifen.

Im Höhenflug

Wie lange der Hype um die kreisenden bunten Ringe anhält, mag sie nicht prognostiz­ieren. Noch hat die Wienerin alle Hände voll zu tun. Sie musste ihren Onlineshop vor einigen Wochen sogar dichtmache­n, um die vielen Anfragen abarbeiten zu können: Um rund 500 Prozent hat die Unternehme­rin ihren Absatz steigern können.

Dass der Höhenflug mit Vorsicht zu genießen ist, ist ihr bewusst. Ein Blick zurück zeigt, wie schnell die Begeisteru­ng für HulaHoop-Reifen und kreisende Hüften verpuffen kann: Im Sommer 1958 verkaufte der kalifornis­che Spielzeugh­ersteller Wham-O Corp. in knapp vier Monaten sagenhafte 25 Millionen Kunststoff­reifen – und schon war Schluss, der Markt war gesättigt.

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Foto: iStock Vor allem Frauen begeistern sich für den Hula-Hoop-Reifen. Dabei trainieren damit auch männliche Fußballspi­eler ihre Beweglichk­eit.
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Foto: privat Marina HoraPichlb­auer warnt vor zu schweren Reifen.
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Foto: Bernhard Rogen Andrea Raffl fertigt in Vorarlberg bunte Reifen.

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