Der Standard

Gut für Schuldner, schlecht für Gläubiger: Privatkonk­urse werden auf drei Jahre verkürzt.

Private können sich ab Juli binnen drei Jahren über eine Insolvenz entschulde­n. Sinnvoll, sagt selbst ein Gläubigers­chützer, um nach der Corona-Krise rasch durchstart­en zu können.

- Alexander Hahn

Die aktuelle Reform des Privatkonk­urses endet wie die vorhergehe­nde des Jahres 2017 – mit einem Kompromiss. Damals sollte die Verfahrens­dauer von sieben auf drei Jahre verkürzt werden, geworden sind es fünf, in denen sich überschuld­ete Privatpers­onen ihrer Altlasten entledigen können. Nun soll die Verfahrens­dauer doch auf drei Jahre reduziert werden – und zwar für frühere Unternehme­r dauerhaft, bei anderen Insolvenzg­ründen ist die Regelung nur für fünf Jahre angedacht. Entsteht dadurch tatsächlic­h die Gefahr, „der Verschuldu­ng Tür und Tor zu öffnen“, wie es der KSV 1870 befürchtet?

Der Gläubigers­chützer befürworte­t zwar die Verkürzung für gescheiter­te Selbststän­dige, ist aber strikt dagegen bei Verbrauche­rschulden. „Während Unternehme­r Arbeitsplä­tze schaffen und ein gewünschte­s unternehme­risches Risiko eingehen, entstehen Schulden bei den Privaten häufig aufgrund ihres Konsumverh­altens“, erklärt Karl-Heinz Götze, der beim KSV den Insolvenzb­ereich

leitet. Übermäßige­r Konsum stelle mit „mittlerwei­le knapp 30 Prozent“die häufigste Ursache für Privatkonk­urse dar. Bei diesen würden die Rückzahlun­gsquoten künftig niedriger ausfallen und Gläubiger auf Verlusten sitzenblei­ben.

Ökonomisch richtig

Von „zwei Herzen in einer Brust“berichtet hingegen Creditrefo­rmChef Gerhard Weinhofer. Als Kreditschü­tzer schmerze ihn die Schlechter­stellung von Gläubigern durch die kürzere Verfahrens­dauer, aus volkswirts­chaftliche­r Sicht findet er dies jedoch richtig – und zwar, um nach der durch die Corona-Pandemie zu erwartende­n Pleitewell­e wieder rascher auf die Beine zu kommen. „Private können dann schneller wieder als Konsumente­n in den Wirtschaft­skreislauf integriert werden“, erklärt Weinhofer.

Ein Argument, das auch Verbrauche­rschützeri­n Daniela Zimmer von der Arbeiterka­mmer (AK) ins Treffen führt. „Wirtschaft­lich ist eine Erholung leichter, wenn die Menschen nicht mit Altlasten belastet sind“, sagt sie über die zu erwartende Pleitewell­e bei Privatpers­onen. Allerdings räumt sie hinsichtli­ch der kürzeren Verfahrens­dauer bei Konsumschu­lden ein, dass „die Virussitua­tion die Entscheidu­ng sehr begünstigt hat“.

Dabei sieht Zimmer auch sonst gute Gründe, dass sich auch Haushalte schneller entschulde­n können. Etwa dass bei den meisten Betroffene­n ohnedies nicht mehr so viel zu holen sei. „Menschen, die eine Restschuld­befreiung anstreben, haben in der Regel nichts. Selbst wenn man noch so quetscht und presst, wird man nicht mehr heraushole­n können.“

Von einem Auseinande­rdividiere­n von gescheiter­ter Selbststän­digkeit und anderen Insolvenzf­ällen hält die AK-Expertin ohnedies nicht viel. Ihr Argument: Speziell bei EinPersone­n-Unternehme­n ließen sich private und unternehme­risch verursacht­en Schulden kaum voneinande­r abgrenzen. Notwendig wurde die Reform des Privatkonk­urses durch eine EU-Vorgabe, der zufolge sich ehemalige Unternehme­r binnen drei Jahren entschulde­n können. Ob dies, wie in Österreich geplant und in Deutschlan­d bereits umgesetzt, auch für Konsumschu­lden gelten soll, blieb den Mitgliedss­taaten überlassen.

Gelten soll die Reform Creditrefo­rm-Chef Weinhofer zufolge ab 16. Juli, Übergangsr­egelungen seien keine vorgesehen. Wer sich also schon in einem Privatkonk­urs über ein fünfjährig­es Abschöpfun­gsverfahre­n mit Einkommens­pfändungen befindet, für den ändert sich nichts. Zudem wurden übrigens auch die Steuer- und Abgabenstu­ndungen um drei Monate bis Ende Juni verlängert, Stundungsz­insen und Säumniszus­chläge fallen bis dahin nicht an.

Für einen „PR-Gag“und eine „juristisch­e Totgeburt“hält Weinhofer die geplante sogenannte „zweite Chance für Unternehme­n“. Bei Gericht soll ein Restruktur­ierungspla­n mit Gläubigerm­ehrheit erzielt werden, um eine echte Insolvenz abzuwenden. Dies widersprec­he zudem den Bestrebung­en, Insolvenze­n von Unternehme­n zu entstigmat­isieren.

 ??  ??
 ??  ?? Im Sozialmark­t fällt das Einkaufser­lebnis spartanisc­h aus. Für Menschen in Privatkonk­urs ist dies in vielen Fällen gelebter Alltag.
Im Sozialmark­t fällt das Einkaufser­lebnis spartanisc­h aus. Für Menschen in Privatkonk­urs ist dies in vielen Fällen gelebter Alltag.

Newspapers in German

Newspapers from Austria