Zeit für eine Aktion 40.000?
Die Jobkrise führt dazu, dass immer mehr Menschen ein Jahr oder noch länger keine Arbeit finden. Dieser Gruppe werde auch der Aufschwung nicht helfen, weshalb die SPÖ ein großangelegtes staatliches Beschäftigungsprogramm fordert. Eine gute Idee?
Die Chancen auf Umsetzung der Idee sind extrem niedrig, das weiß die oppositionelle SPÖ nur zu gut. Aber immerhin hat die Sozialdemokratie mit einem Vorschlag die Debatte dazu belebt, wie die Misere am Arbeitsmarkt überwunden werden könnte.
SPÖ-Chefin Pamela RendiWagner hat am Montag vorgeschlagen, eine Aktion 40.000 ins Leben zu rufen: Der Staat soll für 40.000 Langzeitbeschäftigungslose, also Menschen, die seit über einem Jahr keinen Job finden, Arbeitsplätze schaffen. Die SPÖ will eine alte Idee, die Aktion 20.000, das Prestigeprojekt von Ex-Kanzler Christian Kern, in neuem Gewand beleben.
Wie schon beim alten Vorbild sollen zu 100 Prozent staatlich geförderten Jobs bei Gemeinden und gemeinnützigen Organisationen geschaffen werden. Rendi-Wagner sieht Möglichkeiten dazu in der Pflege, bei den Test- und Impfstraßen oder der Instandhaltung von Parkanlagen. In der ursprünglichen Variante gab es nur für über 50-Jährige geförderte Jobangebote. Diese Einschränkung soll wegfallen. Die SPÖ argumentiert damit, dass die Zahl der Langzeitbeschäftigungslosen aufgrund der Pandemie um 40 Prozent gestiegen ist, auf inzwischen 140.000 Betroffene.
Doch wäre diese Aktion ein taugliches Mittel, um Jobsuchenden unter die Arme zu greifen? Fest steht, dass Menschen, die lange keine Arbeit finden, sich immer schwerer damit tun, eine Stelle zu finden, und zwar auch dann, wenn die Wirtschaft brummt. Dafür gibt es eine Reihe von Ursachen. So werden Langzeitbeschäftigungslose oft von Unternehmen diskriminiert. Motto: Wenn jemand lange nichts findet, muss das ja einen Grund haben. Laut Daten des AMS leiden zudem fast 40 Prozent der Gruppe unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen, weshalb viele Jobangebote nicht passen. Hinzu kommt, dass Langzeitarbeitslosigkeit dazu führen kann, dass Menschen schwerer mit Strukturen zurechtkommen. Das will natürlich kein Arbeitgeber haben. Außerdem hat die Zuwanderung aus der EU in Österreich für reichlich junge und günstige Arbeitskräfte gesorgt.
Interessante Daten zur Reintegrationsfähigkeit von Langzeitarbeitszen losen lieferte jüngst eine Analyse des Instituts für Höhere Studien (IHS), und zwar ausgerechnet zu den Auswirkungen der Aktion 20.000.
Das IHS hat sich im Auftrag des Arbeitsministeriums angesehen, welchen Effekt die Aktion für Betroffene vom Start des Programms im Juni 2017 bis sechs Monate nach Beendigung der Aktion im Dezember 2019 hatte. Dazu nutzen die IHSExperten ein natürliches Experiment: Die Rekrutierung für die Aktion wurde von der türkis-schwar
Regierung vorzeitig abgebrochen, sodass nur 3800 Menschen einen geförderten Job bekamen. Diese Gruppe wurde mit den Langzeitarbeitslosen verglichen, die nicht an der Aktion teilnahmen. Ergebnis: Ein Drittel der Menschen, die von der Aktion profitierten, war ein halbes Jahr nach dem Auslaufen des Programms in einer nichtgeförderten Beschäftigung. Sie schafften den Übertritt in den regulären Jobmarkt. Im Gegensatz dazu lag der Anteil der Menschen, die in der Vergleichsgruppe
einen Job fanden, bei elf Prozent.
Dominik Walch vom IHS sagt, dass die Effekte je nach Gruppe unterschiedlich waren: Bei Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen und Älteren über 55 war die Wirkung des Programms eindeutig. In der Gruppe der knapp über 50-Jährigen und bei besser Ausgebildeten wäre die Förderung tendenziell oft gar nicht nötig gewesen: Hier fanden ähnlich viele in der Vergleichsgruppe einen Job.
Die Kosten der Aktion sind deutlich höher als bei anderen Förderinstrumenten, aber die Dimension bleibt überschaubar: Laut Studie kostete ein Teilnehmer an der Aktion im Monat netto 1400 Euro, ein klassischer Arbeitsloser 700 Euro.
Einschränkend gilt, dass die Teilnehmer an der Aktion vor allem bei Gemeinden beschäftigt waren: Für sie könnte es eine Hürde gewesen sein, gerade erst eingestellte Arbeitskräfte, oft aus demselben Ort, sofort wieder loszuwerden.
Das Modell sollte aufgrund der ermunternden Teilergebnisse dennoch Teil des „Werkzeugkastens“in der Arbeitsmarktpolitik sein, sagt Studienautor Walch. Erste Priorität haben für ihn aber Maßnahmen, die einen weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit verhindern sollen.
Sein Kollege Helmut Mahringer vom Forschungsinstitut Wifo kann der Idee einer Aktion auch etwas abgewinnen: Allein auf Qualifizierungsmaßnahmen via AMS zu setzen werde nicht ausreichen. Aber es sollten auch bei Unternehmen geförderte Stellen geschaffen werden, die Beschränkung auf gemeinnützige Jobs sei zu einengend. Das war eine Erkenntnis aus der Aktion 20.000: Selbst die 3800 Stellen bei Gemeinden zu schaffen war eine schwierige Aufgabe.