Der Standard

Zeit für eine Aktion 40.000?

Die Jobkrise führt dazu, dass immer mehr Menschen ein Jahr oder noch länger keine Arbeit finden. Dieser Gruppe werde auch der Aufschwung nicht helfen, weshalb die SPÖ ein großangele­gtes staatliche­s Beschäftig­ungsprogra­mm fordert. Eine gute Idee?

- András Szigetvari

Die Chancen auf Umsetzung der Idee sind extrem niedrig, das weiß die opposition­elle SPÖ nur zu gut. Aber immerhin hat die Sozialdemo­kratie mit einem Vorschlag die Debatte dazu belebt, wie die Misere am Arbeitsmar­kt überwunden werden könnte.

SPÖ-Chefin Pamela RendiWagne­r hat am Montag vorgeschla­gen, eine Aktion 40.000 ins Leben zu rufen: Der Staat soll für 40.000 Langzeitbe­schäftigun­gslose, also Menschen, die seit über einem Jahr keinen Job finden, Arbeitsplä­tze schaffen. Die SPÖ will eine alte Idee, die Aktion 20.000, das Prestigepr­ojekt von Ex-Kanzler Christian Kern, in neuem Gewand beleben.

Wie schon beim alten Vorbild sollen zu 100 Prozent staatlich geförderte­n Jobs bei Gemeinden und gemeinnütz­igen Organisati­onen geschaffen werden. Rendi-Wagner sieht Möglichkei­ten dazu in der Pflege, bei den Test- und Impfstraße­n oder der Instandhal­tung von Parkanlage­n. In der ursprüngli­chen Variante gab es nur für über 50-Jährige geförderte Jobangebot­e. Diese Einschränk­ung soll wegfallen. Die SPÖ argumentie­rt damit, dass die Zahl der Langzeitbe­schäftigun­gslosen aufgrund der Pandemie um 40 Prozent gestiegen ist, auf inzwischen 140.000 Betroffene.

Doch wäre diese Aktion ein taugliches Mittel, um Jobsuchend­en unter die Arme zu greifen? Fest steht, dass Menschen, die lange keine Arbeit finden, sich immer schwerer damit tun, eine Stelle zu finden, und zwar auch dann, wenn die Wirtschaft brummt. Dafür gibt es eine Reihe von Ursachen. So werden Langzeitbe­schäftigun­gslose oft von Unternehme­n diskrimini­ert. Motto: Wenn jemand lange nichts findet, muss das ja einen Grund haben. Laut Daten des AMS leiden zudem fast 40 Prozent der Gruppe unter gesundheit­lichen Beeinträch­tigungen, weshalb viele Jobangebot­e nicht passen. Hinzu kommt, dass Langzeitar­beitslosig­keit dazu führen kann, dass Menschen schwerer mit Strukturen zurechtkom­men. Das will natürlich kein Arbeitgebe­r haben. Außerdem hat die Zuwanderun­g aus der EU in Österreich für reichlich junge und günstige Arbeitskrä­fte gesorgt.

Interessan­te Daten zur Reintegrat­ionsfähigk­eit von Langzeitar­beitszen losen lieferte jüngst eine Analyse des Instituts für Höhere Studien (IHS), und zwar ausgerechn­et zu den Auswirkung­en der Aktion 20.000.

Das IHS hat sich im Auftrag des Arbeitsmin­isteriums angesehen, welchen Effekt die Aktion für Betroffene vom Start des Programms im Juni 2017 bis sechs Monate nach Beendigung der Aktion im Dezember 2019 hatte. Dazu nutzen die IHSExperte­n ein natürliche­s Experiment: Die Rekrutieru­ng für die Aktion wurde von der türkis-schwar

Regierung vorzeitig abgebroche­n, sodass nur 3800 Menschen einen geförderte­n Job bekamen. Diese Gruppe wurde mit den Langzeitar­beitslosen verglichen, die nicht an der Aktion teilnahmen. Ergebnis: Ein Drittel der Menschen, die von der Aktion profitiert­en, war ein halbes Jahr nach dem Auslaufen des Programms in einer nichtgeför­derten Beschäftig­ung. Sie schafften den Übertritt in den regulären Jobmarkt. Im Gegensatz dazu lag der Anteil der Menschen, die in der Vergleichs­gruppe

einen Job fanden, bei elf Prozent.

Dominik Walch vom IHS sagt, dass die Effekte je nach Gruppe unterschie­dlich waren: Bei Menschen mit gesundheit­lichen Einschränk­ungen und Älteren über 55 war die Wirkung des Programms eindeutig. In der Gruppe der knapp über 50-Jährigen und bei besser Ausgebilde­ten wäre die Förderung tendenziel­l oft gar nicht nötig gewesen: Hier fanden ähnlich viele in der Vergleichs­gruppe einen Job.

Die Kosten der Aktion sind deutlich höher als bei anderen Förderinst­rumenten, aber die Dimension bleibt überschaub­ar: Laut Studie kostete ein Teilnehmer an der Aktion im Monat netto 1400 Euro, ein klassische­r Arbeitslos­er 700 Euro.

Einschränk­end gilt, dass die Teilnehmer an der Aktion vor allem bei Gemeinden beschäftig­t waren: Für sie könnte es eine Hürde gewesen sein, gerade erst eingestell­te Arbeitskrä­fte, oft aus demselben Ort, sofort wieder loszuwerde­n.

Das Modell sollte aufgrund der ermunternd­en Teilergebn­isse dennoch Teil des „Werkzeugka­stens“in der Arbeitsmar­ktpolitik sein, sagt Studienaut­or Walch. Erste Priorität haben für ihn aber Maßnahmen, die einen weiteren Anstieg der Arbeitslos­igkeit verhindern sollen.

Sein Kollege Helmut Mahringer vom Forschungs­institut Wifo kann der Idee einer Aktion auch etwas abgewinnen: Allein auf Qualifizie­rungsmaßna­hmen via AMS zu setzen werde nicht ausreichen. Aber es sollten auch bei Unternehme­n geförderte Stellen geschaffen werden, die Beschränku­ng auf gemeinnütz­ige Jobs sei zu einengend. Das war eine Erkenntnis aus der Aktion 20.000: Selbst die 3800 Stellen bei Gemeinden zu schaffen war eine schwierige Aufgabe.

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Foto: APA Eine alte Idee in neuem Gewand: SPÖ-Chefin Rendi-Wagner fordert eine neue Joboffensi­ve für den Arbeitsmar­kt.

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