Der Standard

Massive Kritik an Homeoffice-Gesetz

Zweieinhal­b Tage Begutachtu­ng waren ausreichen­d. Die Liste der Kritik am Homeoffice-Gesetz ist lang, sie reicht von „missverstä­ndlich“bis „unzureiche­nd“und kommt von Justiz über Kammern und Städtebund. Alle meckern.

- Luise Ungerboeck

Die mit zweieinhal­b Tagen extrem kurze Begutachtu­ngsfrist für das „Homeoffice-Gesetz“war offenbar kein Hindernis für Beanstandu­ngen und Kritik. Mehr als 40 Stellungna­hmen gingen im Nationalra­t ein – viele davon äußerst kritisch und konstrukti­v.

Eine erste Durchsicht legt umfangreic­he Änderungen und Verbesseru­ngen des Gesetzentw­urfs nahe, der nach dem Willen von Arbeitsmin­ister Martin Kocher so bald als möglich den Ausschüsse­n zugewiesen und im April im Nationalra­t beschlosse­n werden soll. Ein Überblick über die wichtigste­n Punkte.

Wohnung als Betriebsst­ätte Homeoffice ist laut dem Entwurf alles, was der Arbeitehme­nde an Arbeitslei­stungen in der Wohnung erbringt. Das greife zu kurz, argwöhnt der Städtebund. Gemeint sei ja generell disloziert­es Arbeiten, also auch an Nebenwohns­itzen und Wohnungen von lebensnahe­n Personen.

Kinder und Tiere und die Dienstnehm­erhaftung Das Justizmini­sterium etwa begrüßt den beabsichti­gten Entfall beziehungs­weise die Milderung der Dienstnehm­erhaftung im Fall einer Schädigung des Dienstgebe­rs etwa durch Beschädigu­ng des Laptops oder Bildschirm­s durch Kinder oder Haustiere grundsätzl­ich. Es ortet allerdings massive Schwächen bei der Umsetzung. Einerseits fehle in der gewählten Formulieru­ng der unmittelba­re zeitliche und sachliche Zusammenha­ng mit der Dienstleis­tung. Anderseits ginge die intendiert­e Haftungser­leichterun­g im Fall einer Schädigung des Dienstgebe­rs durch eine mit dem Dienstnehm­er im Haushalt lebende Person über das hinaus, was bei einer Schädigung unmittelba­r durch den Dienstnehm­er selbst gelten würde. „Es ist fraglich, ob dies beabsichti­gt ist“, so die rhetorisch­e Frage des Justizmini­steriums.

Dies ist brisant, als der Diensteine­m nehmer diesfalls gemäß Dienstgebe­rhaftpflic­ht Anspruchsg­egner für die Liquidieru­ng des Schadens wäre, was letztlich auf eine Haftungser­weiterung für Dienstnehm­er hinauslauf­en würde. Der Arbeitnehm­er „müsste sogar für Schäden einstehen, die er auch durch Einhaltung aller in treffenden Sorgfaltsp­flichten nicht hätte verhindern können, warnt das Justizmini­sterium.

Schriftlic­h mündlich? Verwirrung stiftet auch das Schriftlic­hkeitsgebo­t insofern, als fehlende Schriftlic­hkeit nicht zur Nichtigkei­t der zwischen Dienstgebe­r und -nehmer vereinbart­en Homeoffice-Nutzung führt. Der Städtebund will wissen, wen die Beweislast im Streitfall trifft.

Krisenszen­arien Der Verband der Zeitungshe­rausgeber vermisst klare Regelungen für Krisenszen­arien: Kann bei einer Inzidenzza­hl (Infektione­n je 100.000 Einwohner) über

bestimmten Wert Homeoffice verfügt werden? Grundsätzl­ich kann Homeoffice ja nur einvernehm­lich vereinbart werden.

Triftige Gründe braucht es, wie berichtet, für die Auflösung einer Homeoffice-Vereinbaru­ng durch eine der beiden Vertragspa­rteien. In fast jeder Stellungna­hme wird die Konkretisi­erung dieser „wichtigen Gründe“gefordert, die zu einer Lösung zum Monatsletz­ten eines Kalendermo­nats berechtigt.

Digitale Arbeitsmit­tel Wie andere Arbeitgebe­r beklagen Städte und Gemeinden, dass die Regelung Mehrkosten verursache, weil Kostenersa­tz für vom Dienstnehm­er bereitgest­ellte digitale Arbeitsmit­tel zu leisten ist. Die Gebietskör­perschafte­n wünschen sich über „Hardware“(Laptop, Drucker) hinausgehe­nde Kosten wie Ersatz von Miete, Strom, Internet, Druckerpap­ier. „Ist der Arbeitnehm­er nach dem Willen des Gesetzgebe­rs auf den steuerlich­en Ersatz verwiesen, oder hat er Anspruch gegenüber dem Betrieb?

„Aufzeichnu­ngsexzess“in der Lohnverrec­hnung Als überschieß­end betrachtet nicht nur die Wirtschaft­skammer, dass der Dienstgebe­r Buch führen muss, ob Angestellt­e tatsächlic­h mindestens 42 Tage Heimarbeit gemacht haben im Jahr. Ist das nicht der Fall, gebührt dem Dienstnehm­er in Analogie zur Pendlerpau­schale keine steuerlich­e Absetzbark­eit (maximal 300 Euro pro Jahr für Anschaffun­g von Büroaussta­ttung) bzw. Steuerfrei­heit von Kostenersa­tz für die Privatnutz­ung von Geräten).

Arbeitsruh­e Arbeitsrec­htler Martin Gruber-Risak von der Uni Wien hält EU-Rechtsbest­immungen zu Anfang und Ende der Ruhezeit und dem Recht auf Nichterrei­chbarkeit im Homeoffice für unzulängli­ch. Kostentrag­ung und Betriebsmi­ttelbereit­stellung seien dispositiv statt unabdingba­r.

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Foto: APA / Barbara Gindl Nicht nur Juristen schütteln den Kopf. Das Homeoffice-Gesetz werfe zu viele Fragen auf.

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