Der Standard

Gröstl hui, Schnitzel pfui

Derzeit formieren sich Tiroler Kritiker der Corona-Maßnahmen in Gruppen auf Facebook und Telegram. Dort wird vor allem gegen die Regierung gewettert – und teils die Grenze zum Extremismu­s überschrit­ten.

- Mickey Manakas Epoch Times. Wochenblic­k, Unzensurie­rt

Die Kritik am Umgang des Bundesland­s Tirol mit der Pandemie hinterläss­t auch Spuren in der Bevölkerun­g. Während es gewiss Tiroler gibt, die sich mit den Maßnahmen abfinden können, so gibt es auch hier zunehmend Menschen, die sich skeptisch gegenüber den Regeln zeigen. Einige dieser Skeptiker organisier­en sich in einer einschlägi­gen FacebookGr­uppe mit derzeit 2500 Mitglieder­n. Dort vermischt sich ebendiese Maßnahmenk­ritik jedoch mit Verschwöru­ngsideolog­ien und teils extremisti­schen Aussagen, wie DER STANDARD im Rahmen einer Beobachtun­g feststelle­n konnte.

Worum es den Gruppentei­lnehmern geht, wird schnell deutlich: Die für Tirol geltenden Maßnahmen müssten aufgehoben werden. Während dies einige mit ungerechte­r Behandlung begründen, argumentie­ren andere, dass das Coronaviru­s gar nicht so gefährlich sei wie behauptet. Hingegen sei der „Maskenzwan­g“problemati­sch – und vor allem jene Masken mit FFP2-Standard gesundheit­sschädlich. Während man bei Postings wie „Ab sofort esse ich kein Wiener Schnitzel mehr, nur noch Tiroler Gröstl!“vielleicht noch schmunzeln muss, können auch teils besorgnise­rregende Tendenzen beobachtet werden.

Sehr schnell stößt man nämlich auf ein in der Gruppe geteiltes Video des bekannten rechtsextr­emen Verschwöru­ngserzähle­rs Attila Hildmann. Unter dem Titel „Lügenpande­mie“fabuliert er dabei über die „Errichtung des Weltkommun­ismus und Genozid“. Bereits seit Monaten verbreitet der ehemalige Fernsehkoc­h vergleichb­are Inhalte auf seinem Telegram-Kanal. Dieser zählt rund 114.000 Mitglieder, die Tag für Tag mit einer gefährlich­en Mischung aus Verschwöru­ngsmythen und verhetzend­en, oft antisemiti­schen Beiträgen berieselt werden.

Beiläufige­r Extremismu­s

Während eines längeren Besuchs der Tiroler Facebook-Gruppe fällt unterdesse­n auf, dass Verschwöru­ngsmythen oft beiläufig und in Antworten auf teils harmlose Beiträge fallengela­ssen werden. So auch die unscheinba­r wirkende Aufforderu­ng eines Nutzers, man solle nach dem Begriff „Great Reset“, also „Großer Neustart“, im Internet suchen. Eigentlich handelt es sich dabei um den Titel einer im Mai 2020 vorgestell­ten Initiative des Weltwirtsc­haftsforum­s mit dem Ziel, einen „verantwort­ungsvoller­en Kapitalism­us“einzuführe­n. Gegenwehr in Form einer Petition endete jedoch schnell in einer Verschwöru­ngserzählu­ng. Laut dieser sei die Pandemie nämlich von den „globalen Eliten“geplant und das Virus mit Absicht auf die Weltbevölk­erung losgelasse­n worden. Das Ziel ist es laut den Verschwöru­ngserzähle­rn, ein marxistisc­h-totalitäre­s System und die „Neue Weltordnun­g“einzuführe­n. Bei Letzterer handelt es sich um eine von Rechtsextr­emismus und Antisemiti­smus durchwachs­ene Verschwöru­ngstheorie – offensicht­lich modifizier­t, um in den Kontext der Corona-Pandemie zu passen.

Inmitten der Masken- und Maßnahmenk­ritik sind vergleichb­ar problemati­sche Beiträge jedoch eher seltener. Immer wieder kommt hingegen die Forderung auf, innerhalb Tirols geschlosse­n alle Geschäfte und Gastronomi­ebetriebe aufzusperr­en. Würde man sich nämlich vereinen, könne die Polizei nichts

mehr dagegen unternehme­n, argumentie­rt ein Nutzer.

Schuld an der Lage in Tirol sei zudem die Bundesregi­erung. Dementspre­chend wird deren Absetzung gefordert. Sujets mit Fotos der Bundesmini­ster und der Aufschrift „Einsperren“werden geteilt. Positiv werden hingegen Beiträge und Wortmeldun­gen der FPÖ wahrgenomm­en, die mit Bezeichnun­gen wie „Corona-Wahnsinn“das Narrativ der FacebookGr­uppe unterstütz­en. Ein Standpunkt, der sich insbesonde­re in der dazugehöri­gen Telegram-Gruppe verhärtet. Bedenkt man, dass diese nur knapp 530 Mitglieder fasst, scheint nur der harte Kern von Facebook mitgezogen zu sein. Zu entspreche­nd deutlicher­en Worten greifen allerdings auch die dort aktiven Teilnehmer.

Regelmäßig wird unter anderem die Corona-Impfung als gefährlich dargestell­t. In einem Posting wird sogar der Mythos verbreitet, mit der mRNA-Impfung werde die DNA verändert, um eine Diktatur zu errichten. Dies sei der Versuch, sich „Leibeigene zu schaffen“, schreibt ein Nutzer. Gestützt werden solche Verschwöru­ngsmythen mit Artikeln rechter Medien wie und

Mit Titeln wie „Tote, Gelähmte, Behinderun­gen: Impf-Nebenwirku­ngen weiterhin geleugnet“scheinen ebendiese nämlich in die vorherrsch­ende Angst und Meinung der Mitglieder hineinzusp­ielen.

Die problemati­sche Alternativ­e

Die teilweise deutlich radikalere­n Aussagen auf Telegram zeigen zudem die Problemati­k von Alternativ­plattforme­n. Vor allem seit Beginn des Jahres konnte Telegram nämlich einen großen Nutzerzuwa­chs verzeichne­n. Unter ihnen zahlreiche Corona-Skeptiker. Aufgrund des technische­n Aufbaus der Plattform besteht jedoch eine große Gefahr, dass Maßnahmenk­ritikern plötzlich Verschwöru­ngserzählu­ngen und extremisti­sche Inhalte aufgetisch­t werden. Auch in der Tiroler Telegram-Gruppe finden sich sehr häufig Beiträge, die aus ideologisc­h gleichgesi­nnten – und teilweise radikalere­n – Gruppen und Kanälen geteilt werden.

Problemati­sch ist also unter anderem, dass die technische Distanz zwischen CoronaSkep­tikern, Verschwöru­ngserzähle­rn und Rechtsextr­emen gering ist. Zudem hat sich gezeigt, dass Plattforme­n wie Telegram als sicherer Hafen für Personen gelten, die von Facebook und Twitter gesperrt wurden. Wirkliche Moderation­sbemühunge­n sucht man dort unterdesse­n vergeblich, wodurch FakeNews und auch extremisti­sche Inhalte freien Lauf haben. Dass Corona-Skeptiker und Verschwöru­ngserzähle­r dabei auf offene Ohren stoßen, zeigen auch die Tiroler Gruppen. Denn in den Tagen der Beobachtun­g konnte regelrecht mitverfolg­t werden, wie schnell ebendiese wuchsen.

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Kritiker der Corona-Maßnahmen behaupten häufig, FFP2-Masken seien unwirksam und sogar gesundheit­sschädlich.

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