Der Standard

Mit dem falschen Bart im Garten der Ananas

Nina Hoechtl inszeniert Kolonialge­schichte im Kunstraum Innsbruck als „Eine Heimsuchun­g aus der Zukunft“

- Ivona Jelčić Delirio Güero, Delirio Güero

Windige Glücksritt­er, Meskalinrä­usche, vierbrüsti­ge Frauen und habsburgis­che Geltungssu­cht: Das klingt nach den Zutaten für eine Anarcho-Komödie, ist aber Teil einer TV-Geschichts­stunde, bei der nur das Setting fiktiv ist. In Nina Hoechtls zu Deutsch: „Weißer Wahn“, parliert eine unheimlich maskierte Moderatori­n mit einer Stimme aus der Zukunft; visuell ist das nicht wahnsinnig aufregend, man braucht also einen langen Atem, aber die Erzählung hat es durchaus in sich. Sie knüpft an das spätkoloni­ale Abenteuer des glücklosen Marionette­nkaisers

Maximilian von Mexiko (1832–1867) an. Der österreich­ische Erzherzog hielt sich bekanntlic­h nicht lange auf dem mexikanisc­hen Thron und kam als Leiche nach Europa zurück.

Hoechtl, 1978 in Niederöste­rreich geboren, lebt seit Jahren in MexikoStad­t. In ihren künstleris­chen Forschungs­projekten geht es häufig um Fragen von Macht, Identität und Rassismus. In der Familiench­ronik entdeckte sie die Geschichte eines Vorfahren, der Maximilian im 19. Jahrhunder­t in einem Freiwillig­enkorps nach Mexiko gefolgt ist. Der just aus Innsbruck stammende Ururonkel namens Anton „Toni“Mayer ist aber nur einer von vielen Protagonis­ten in einer Erzählung über koloniale Praktiken, die bis heute nachwirken.

handelt von Ausbeutung, Repression­en und Rassismus im Mexiko von heute.

Dazwischen begegnet man selbsterna­nnten Entdeckern, die in Mexiko Frauen mit vier Brüsten oder Elefanten gesichtet haben wollten, der Idee vom Museum als kolonialer Erziehungs­anstalt – oder der Ananas, für Hoechtl „das Symbol des Kolonialis­mus schlechthi­n“. Maximilian liebte es, entwarf eigene Designs, seine Version vom Habsburger-Ananasdama­st ziert Schloss Miramare in Triest und jetzt den Kunstraum.

Seit 2012 agiert Hoechtl zusammen mit Julia Wieger auch als

„Sekretaria­t für Geister, Archivpoli­tiken und Lücken“. Eine bemerkensw­erte Unternehmu­ng war das „Spuken im Archiv“der Vereinigun­g bildender Künstlerin­nen Österreich­s (VBKÖ), die 1938 mit den Nazis kollaborie­rte. In Innsbruck ist eine Plakatinst­allation zu sehen. In Mexiko ist Hoechtl auch Mitglied des queerfemin­istischen Kollektivs Invasorix, das unter anderem KaraokeAkt­ivismus betreibt. Oder mittels Video historisch­e Bilder von Kunstkolle­ktiven parodiert. Moritz Nährs berühmtes Foto von den rein männlichen Mitglieder­n der Wiener Secession von 1902 steht samt falschen Schnurrbär­ten als Gucklochfo­towand bereit. Bis 10. April

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Foto: Daniel Jarosch Fake-Männerkoll­ektive: Nina Hoechtls „Macho intelectua­l“.

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