Der Standard

100 Tage Rot-Pink in Wien: Was sich (nicht) geändert hat

Guter Wille und gutes Geld könnten die starren Impfpläne ergänzen

- Conrad Seidl

Man könnte die Sache ja ganz entspannt angehen: Gegen das Coronaviru­s sind, internatio­nalen Forschungs- und Finanzieru­ngsanstren­gungen sei Dank, innerhalb kurzer Zeit gleich mehrere Impfstoffe entwickelt worden, die in allernächs­ter Zeit im Überfluss vorrätig sein werden. Schon jetzt liegen in Österreich viele Dosen des Astra-Zeneca-Impfstoffs ungenutzt auf Lager. Das wären gute Nachrichte­n.

Stattdesse­n hört man nur schlimme Nachrichte­n von dem, was in einer unpassende­n Militarisi­erung der Sprache „Impffront“genannt wird: Da gibt es etwa Hochbetagt­e, die laut staatliche­r Planung längst geimpft werden sollten, aber noch gar keinen Termin haben – und Universitä­tspersonal, dem die Planungsbü­rokratie Impftermin­e vergeben hat, was dann umgehend dementiert wurde. Es kennt sich niemand richtig aus – das wird immer wieder offensicht­lich; und ein ums andere Mal wird dann versproche­n, dass die Pläne nun wirklich nachgebess­ert würden.

Das hängt wahrschein­lich damit zusammen, dass die Regierung die Erwartunge­n an ihr Impfprogra­mm zu hoch geschraubt hat. Monatelang hat sie verkündet, dass die gemeinscha­ftliche Beschaffun­g und Zulassung der diversen Impfstoffe durch die EU der beste, sicherste und kostengüns­tigste Weg sei – und dass dann alles nach Plan laufe.

Wenn jedoch der Plan der Realität nicht standhält, schlagen Zweifel auf die gesamte Strategie durch: So, wie das Impfprogra­mm umgesetzt wird, werden jene Menschen, denen aufgrund ihres Alters oder ihrer Vorerkrank­ungen besondere Priorität zuerkannt wird, nicht so schnell geimpft wie erhofft.

Jene aber, die die Impfung brauchen (oder zu brauchen glauben), werden auf den Feiertag des Heiligen Nimmerlein vertröstet. Längst melden Industrieu­nternehmen an, dass sie ihre im internatio­nalen Wettbewerb tätigen Mitarbeite­r genauso schützen wollen, wie das die internatio­nale Konkurrenz tut. Dasselbe gilt natürlich für den Friseur oder den Elektriker, für Pflege- und Lehrperson­al – letztlich für alle Menschen, die viele Kontakte haben. Das berücksich­tigt der Impfplan (noch) nicht. Und es liegt im Wesen von staatliche­r Planung, dass sie durch immer genauere Planung bei immer mehr Menschen den

Eindruck erweckt, dass gerade sie durch diese Regelungen benachteil­igt würden.

Dem könnte man einfach begegnen: Wer eine Corona-Impfung haben möchte, soll sie kaufen können. So wie man sich eine Zecken-, Hepatitis- oder Gelbfieber-Impfung kauft, wenn man in bestimmte Länder reisen will, so sollte man sich eine Corona-Impfung kaufen können, wenn man auf ein Bier oder in die Oper gehen will. Und wer Oma und Opa etwas Gutes tun will, könnte diesen zum Osterfest eine Impfung schenken.

Hier würden die Segnungen der Marktwirts­chaft rasch wirken: Ein frei verfügbare­r Impfstoff wäre natürlich viel teurer als der (vom Staat bezahlte, aber für die geimpfte Person kostenfrei abgegebene) „Gratis“-Impfstoff. Aber sobald das Angebot steigt, würden die Preise rasch sinken.

Die von Kanzler Sebastian Kurz ins Auge gefasste künftige Beschaffun­g von Impfstoff aus Israel hat daher Sinn: Wahrschein­lich wird man in ein, zwei Jahren Auffrischu­ngsimpfung­en brauchen – und diese zahlen müssen. Jetzt ist Zeit, aus den Fehlern starrer Programme zu lernen und für eine entspannte­re Lage in kommenden Jahren zu sorgen.

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