Jedem dritten Hotel in Wien droht nach Lockdown das Aus
Gastronomen erwarten Pleitewelle Geplante Lockerungen nur unter Vorbehalt
Wien – Mehr Hiobsbotschaft als freudige Nachricht: So in etwa lautet das Fazit heimischer Gastronomen und Hoteliers auf die angekündigten Öffnungsschritte der Regierung. Während Restaurants im Vorarlberg schon am 15. März öffnen sollen, können Wirte in den übrigen Bundesländern einstweilen nur auf ein Aufsperren nach Ostern hoffen. Noch unklarer ist die Lage in der Nächtigungsbranche.
Seit bald einem Jahr haben viele Hotels geschlossen, fehlende Touristen und die mangelnde Aussicht auf Öffnung könnten laut Wirtschaftskammer zu einer regelrechten Pleitewelle führen: Der Vertreter der Wiener Hoteliers, Dominic Schmid, warnte am Dienstag davor, dass womöglich ein Drittel der Häuser in Wien erst gar nicht mehr aufsperren wird.
Auch in der Gastronomie wird über die fehlende Perspektive geklagt. Zwar können Schanigärten im ganzen Land voraussichtlich nach Ostern öffnen, für viele Wirte sei das aber nicht rentabel, heißt es in der Branche. Durch die geltenden Abstandsregeln sei ein Aufsperren im Gastgarten nur für die ganz Großen sinnvoll. Darüber hinaus grübeln Wirte, wie ein Outdoor-Geschäft im unbeständigen April möglich sein soll.
Hinzu kommt, dass viele Lokale über keinen Gastgarten verfügen. Zumindest für einige Betriebe hat die Wiener Stadtregierung eine Lösung in den Raum gestellt: Nach Ostern sollen mehrere öffentliche Schanigärten eingerichtet werden.
Allerdings sind die Lockerungen nur unter Vorbehalt geplant. Das Gesundheitsministerium stellt klar: Bei stark steigenden Infektionszahlen werde davon abgerückt.
Länder horten Impfdosen
Beim Impfen sind die Bundesländer in höchst unterschiedlichen Geschwindigkeiten unterwegs. Während Kärnten etwa seine bestellten Dosen sehr rasch verimpft, horten Salzburg und Wien einen Teil im Lager. Kanzler Sebastian Kurz fordert daher mehr Tempo beim Impfen.
Heute, Mittwoch, trifft Kanzlerin Angela Merkel am Nachmittag mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der deutschen Bundesländer zusammen, um den weiteren Fahrplan zu besprechen. Merkel schlägt eine Verlängerung des Lockdowns bis zum 28. März, also bis zum Anfang der Osterferien, vor. Für etliche Länderchefs ist das aber zu wenig und zu langsam. (red)
Einmal mehr glimmt Licht am Ende des Tunnels: Am Montag hat die Regierung Lockerungen der Corona-bedingten Alltagsbeschränkungen angekündet. Wer was wann wie darf, hängt an vielen Details. Eine Aufklärung.
Frage: Auf welche Lockerungen der Corona-Beschränkungen dürfen sich die Österreicher einstellen?
Antwort: Ad hoc auf gar keine. Die Regierung stachelt erst einmal nur Vorfreude an. Kurz vor Ostern, so der von der türkis-grünen Koalition mit den Landeshauptleuten ausgehandelte Plan, sollen die Schanigärten der Wirtshäuser und Cafés aufsperren, konkret ab 27. März. Bereits ab 15. März dürfen Kinder und Jugendliche wieder in Vereinen gemeinsam Sport treiben, sofern dieser im Freien stattfindet. Allerdings sind nur Übungsformen erlaubt, bei denen der Zwei-Meter-Abstand eingehalten werden kann. Fußballmatches etwa dürfen nicht stattfinden, auch nicht gruppenintern.
Frage: Muss man sich vorher dafür „freitesten“?
Antwort: Für den Gasthausbesuch muss ein negativer Corona-Test vorgelegt werden oder ein Befund, in den letzten sechs Monaten von Covid-19 genesen zu sein – ganz so, wie es derzeit beim Friseurbesuch vorgeschrieben ist. Selbsttests sollen laut Gesundheitsministerium nur dann genügen, wenn diese unter Kontrolle einer „offiziellen“Person oder eines Labors stattfinden. Der Eigenabstrich im Wohnzimmer diene lediglich der Eigenkontrolle.
Ein Impfnachweis soll nach derzeitigem Stand ebenfalls nicht als Eintrittskarte reichen: Erst müsse noch wissenschaftlich geklärt werden, ob Menschen trotz Impfung ansteckend sind oder nicht.
Im Fall des Jugendsports steht die Testpflicht offenbar noch zur Debatte, zumal ja ein Zwei-Meter-Abstand gilt. In Volksschulen und der Unterstufe werden Kinder überdies ohnehin laufend getestet.
Frage: Gelten die Öffnungsziele für ganz Österreich?
Antwort: Nein, in Vorarlberg darf es sogar schneller gehen. Im westlichsten Bundesland soll die Gastronomie bereits am 15. März aufsperren, und zwar nicht nur outdoor, sondern auch in Innenräumen. Ein Test wird natürlich Pflicht sein.
Ebenfalls ab 15. März will Vorarlberg wieder erste Veranstaltungen und Aktivitäten speziell für Kinder und Jugendliche, etwa im Sport oder im Musikbereich, zulassen. Was wie genau? Das ist noch unklar.
Frage: Werden dort die neuen Freiheiten nur für Vorarlberger gelten?
Antwort: Soweit derzeit bekannt ist, nein: Einem Wirtshausausflug ins „Ländle“steht offenbar nichts entgegen. Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) rechnet aber nicht mit einem massenhaften Ansturm aus dem benachbarten Tirol. Laut aktuellen Bestimmungen muss sowieso jeder Tiroler bei der Ausreise einen gültigen negativen Test vorweisen. Und einem Urlaub stehen die geschlossenen Hotels entgegen.
Frage: Warum darf Vorarlberg, wie es heißt, „Pilotregion“spielen?
Antwort: Weil die Infektionszahlen nirgendwo in Österreich so niedrig sind wie dort. Vor allem ein Umstand lässt das Land besser dastehen: Die ansteckendere britische Virusvariante B.1.1.7 ist hier am wenigsten verbreitet (siehe Seite 4). Außerdem gilt das Land wegen seiner geografischen Lage als prädestiniert für einen Feldversuch. Der Arlberg bildet eine natürliche Barriere, es gibt nur einen großen Verkehrsweg ins restliche Österreich. Allerdings: Die Lage kann sich rasch drehen. Vor ein paar Wochen verbuchte der Westen noch die höchste Inzidenzzahl von ganz Österreich.
Frage: Ist die Lage denn jetzt stabil?
Antwort: Nicht wirklich. In ganz Österreich sind die Fallzahlen zuletzt gestiegen, eine Trendumkehr zeichnet sich nicht ab. Deshalb sind die Öffnungsschritte keineswegs in Stein gemeißelt. Das stellt auch das Gesundheitsministerium für ganz Österreich klar: Bei einer Eskalation der Lage werden die Schanigärten auch zu Ostern zubleiben. Fix ist de facto also nichts.
Frage: Spricht angesichts der Zahlen überhaupt etwas für Öffnungen?
Antwort: Ein Argument, das nicht nur die Regierung nennt, sondern auch ihr Berater Oswald Wagner, Vizerektor der Med-Uni Wien: Immer mehr Menschen seien nicht mehr bereit, Lockdown-Regeln zu folgen. Bevor sich diese „wild“treffen, sei es klüger, das Bedürfnis nach sozialem Leben mit kontrollierten Öffnungen zu befriedigen.
Andere Experten sind hingegen äußerst skeptisch. Als „hochriskant“bewertet etwa der Komplexitätsforscher Peter Klimek das Vorhaben und leistet sich eine Portion Sarkasmus: „Anscheinend ist die Strategie, das Virus mit unvorhersehbaren Öffnungsschritten zu verwirren.“Dem Vernehmen nach herrscht auch im Gesundheitsministerium Zweifel. Vor allem Ländervertreter sollen aber auf Lockerungen gedrängt haben.
Frage: Ergreift die Regierung neue Mittel gegen den Infektionsanstieg?
Antwort: Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) nennt ein Vier-Punkte-Programm. Erstens Schwerpunktkontrollen an „Hotspots“, um die Einhaltung der Regeln zu kontrollieren. Zweitens die Ausweitung der FFP2-MaskenPflicht auf Bereiche, wo derzeit nur ein Mund-Nasen-Schutz vorgeschrieben ist – etwa an Arbeitsplätzen. Drittens Präventionskonzepte für Betriebe. Viertens „Schutzkonzepte“für Bezirke, wo die Inzidenz über 400 Fällen pro sieben Tagen und 100.000 Einwohnern liegt, soll etwa heißen: Wer raus will, muss sich – wie derzeit in Tirol der Fall – freitesten. Wie die Salzburger Nachrichten berichten, sollen die Gemeinden Radstadt und Bad Hofgastein bald nur noch mit negativem Test verlassen werden können. Die Maßnahme soll ab Freitag, Mitternacht, für (vorerst) zehn Tage gelten. Auch Hermagor bereitet sich vor.
Frage: Erntet die Regierung für die Öffnungen Applaus?
Antwort: Viele Interessenvertreter sind enttäuscht (siehe Seite 4). Für Gastwirte-Vertreter Mario Pulker ist die Schanigarten-Öffnung nicht mehr als „ein Tropfen auf den heißen Stein“und „ein Schlag in die Magengrube“: Viele Lokale hätten gar keinen oder einen zu kleinen Außenbereich, weshalb sich die begrenzte Öffnung für viele wirtschaftlich nicht auszahle.
Frage: Gibt es besondere Hilfe für die Öffnung von Schanigärten?
Antwort: Zumindest Wien hat bereits eine solche Initiative angekündigt. Die Stadt plant auf öffentlichen Plätzen gemeinschaftliche Schanigärten, in den Wirte ausschenken dürfen, die vor ihrem Lokal keinen eigenen Außenbereich haben.
Frage: Wann dürfen Hotels öffnen?
Antwort: Ab April gebe es Hoffnung auf erste Schritte – Konkreteres lässt sich die Regierung nicht entlocken. Von „Frustration und Enttäuschung“spricht deshalb HotellerieVertreterin Susanne Kraus-Winkler. Mit jeder Verschiebung würden immer mehr Betriebe samt Belegschaft das Vertrauen in eine planbare baldige Öffnung verlieren: „Je länger eine solche hinausgezögert wird, um so schwieriger wird es auch, Mitarbeiter zu halten oder für die kommende Saison zu finden.“
Frage: Und die Kultur?
Antwort: Da ist von Mitte April die Rede, mit Ausnahme Vorarlbergs eben, wo Wallner Veranstaltungen speziell für die Jugend in Aussicht stellt. Was und wie genau, ist unklar.
„Das ist albern“, reagierte Stephanie Gräve, Intendantin des Vorarlberger Landestheaters, auf Anfrage der APA und zeigte sich „vollkommen überrascht“: „Ich weiß noch nicht, was das bedeutet.“Sie könne sich nicht vorstellen, dass sie Produktionen nur Schulklassen, nicht aber den Abonnenten des Theaters anbieten dürfe. Auch die IG Kultur Vorarlberg ist „äußerst irritiert“. Bis Details von der Politik ausgearbeitet worden seien, blieben „vielleicht noch sieben Tage zur Umsetzung. Das ist viel zu knapp.“
Frage: Wie dürfen Erwachsene gemeinsam sporteln?
Antwort: Da bleibt es, wie es ist. Hallen bleiben geschlossen, Mannschaftsund Kontaktsport verboten. In Outdoor-Sportstätten gelten ein Mindestabstand von zwei Metern und eine Beschränkung auf eine Person pro 20 Quadratmeter. Freilufttennisplätze dürfen offen haben – für ein Doppel sind aber nur Personen aus maximal zwei Haushalten erlaubt.