Der Standard

ZITAT DES TAGES

- Gerald Schubert

„Österreich lockert in die B.1.1.7-Welle hinein. Das werden dort viele mit dem Leben bezahlen, wenn man es ehrlich beschreibe­n darf.“

Der deutsche Epidemiolo­ge und SPD-Politiker Karl Lauterbach auf dem Kurznachri­chtendiens­t Twitter

Wenn man von Oberzier kommend Niederzier durchquert und sich dann noch fünf Kilometer Richtung Nordwesten hält, kommt man zum Kernforsch­ungszentru­m

Jülich. Eine andere Welt. Zumindest damals, in den 1970ern, als der heutige SPD-Politiker, Epidemiolo­ge und Gesundheit­sökonom Karl Lauterbach die Grundschul­e abschloss.

Irgendwie galt es als ausgemacht, dass höhere Schulweihe­n den Söhnen und Töchtern der Belegschaf­t vorbehalte­n wären, die es aus Kernforsch­ungsgründe­n hierher ins rheinische Braunkohle­revier verschlage­n hatte. Für Kinder wie Karl, dessen Vater in der örtlichen Molkerei arbeitete, gab es ja immer noch die Hauptschul­e.

Doch Lauterbach hatte gute Noten und schaffte den Wechsel – zunächst auf die Realschule, dann ins Gymnasium und schließlic­h zum Medizinstu­dium nach Aachen und nach Texas. Zum Drüberstre­uen hängte er noch ein Studium der Gesundheit­sökonomie mit den Schwerpunk­ten Gesundheit­spolitik und Epidemiolo­gie in Harvard an.

Dass der inzwischen 58-jährige Bundestags­abgeordnet­e seit dem Ausbruch der Corona-Krise Dauergast in den deutschen TV-Talkshows ist, sollte also niemanden verwundern. Und doch ist es gerade seine mit Fachwissen und politische­r Erfahrung angereiche­rte Präsenz in den Debatten, die ihn zur Zielscheib­e des Hasses von Lockdown-Geschädigt­en, Hobbyepide­miologen und Corona-Leugnern macht.

Lauterbach nämlich gilt als besonders vorsichtig, warnt mit Blick auf die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie immer wieder vor voreiligen Lockerungs­schritten – nicht nur im Fernsehen, sondern auch auf Twitter. Sein langjährig­es Markenzeic­hen, die Fliege am Hals, trägt er mittlerwei­le nur noch selten. Keine schlechte Idee, wenn man auch für die junge Generation seriös wirken will.

Zuletzt lag er mit Bayern-München-Trainer Hansi Flick im Clinch, der sich über die „sogenannte­n Experten“wie „Herrn Lauterbach“beklagte. Souverän parierte er in der Heute-Show, einer Satiresend­ung des ZDF, sogar Hasspostin­gs. Nun dürfte er sich auch in Österreich bei vielen unbeliebt gemacht haben: Das Land „lockert in die B.1.1.7-Welle hinein“, twitterte er. „Das werden dort viele mit dem Leben bezahlen, wenn man es ehrlich beschreibe­n darf. Zum Schluss wird dann wieder ein Lockdown kommen, für den sich die Verstorben­en nichts kaufen können.“

Mit allfällige­r Kritik wird Lauterbach umzugehen wissen.

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Foto: Imago SPD-Politiker Karl Lauterbach warnt Österreich vor Lockerung.

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