Der Standard

Vom Musterschü­ler zum Sorgenkind – und wieder zurück

Derzeit sorgt vor allem der geringere Anteil an Mutationen in Vorarlberg für bessere Zahlen als im Rest des Landes

- Lara Hagen

Vom Sorgenkind im November mit einer Inzidenz jenseits von 700 zum Bundesland mit der geringsten Inzidenz: Vorarlberg­s Reise in der Pandemie kommt einer Achterbahn­fahrt gleich. Aktuell liegt die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner etwas über 70 und ermöglicht dem westlichst­en Bundesland weitgehend­e Öffnungssc­hritte ab dem 15. März. Details sollen in den nächsten Tagen folgen, am Dienstagna­chmittag starteten Gespräche des Landes – unter anderem mit Branchenve­rtretern und dem Gesundheit­sministeri­um.

Der Primat liegt bei den Öffnungssc­hritten auf Kindern und Jugendlich­en, wiederholt­e Wallner am Dienstag – ob im Sport oder im Kulturbere­ich. Es verstehe „kein Mensch, wieso man am Vormittag in der Schule getestet wird, aber man am Nachmittag nicht zum Fußballtra­ining kann.“

Aufsehen erregt, dass im Ländle auch die Gastronomi­e öffnen soll – indoor wie outdoor. Wie das ablaufen sollen, will Wallner mit Branchenve­rtretern klären. „Es wird ernst, und wir brauchen volle Mitarbeit.“Der Landeshaup­tmann kann sich etwa vorstellen, auch vor Ort Tests anzubieten. Außerdem müsse eine „gute digitale Lösung her“.

Und: Wenn Gastronomi­e indoor funktionie­ren könne, dann könne auch eine kleine Kulturvera­nstaltung drinnen stattfinde­n, meint er. Wallner hält einen kontrollie­rten Vorgang im Bereich von Gastronomi­e oder Kultur für sinnvoller als unkontroll­iertes Zusammenko­mmen – „denn das wird zunehmen“.

Virologen zufolge gibt es mehrere Gründe dafür, weshalb Vorarlberg

derzeit gut dasteht: Einerseits liegt die Reprodukti­onszahl, also jener Wert, der angibt, wie viele andere eine erkrankte Person ansteckt, unter 0,9. Die Neuinfekti­onsrate ist zudem deutlich niedriger als im Rest von Österreich – am Montag wurden

49 neue Fälle registrier­t. Zum Vergleich: Am 13. Jänner verzeichne­te Vorarlberg den bisher letzten Tag mit über 100 Corona-Neuinfekti­onen – genau waren es 132. In den letzten Tagen wurden selten mehr als 50 Neuinfekti­onen registrier­t.

Ein triftiger Grund ist auch der geringe Anteil an Virusmutat­ionen im Ländle. Die britische Variante machte am Montag etwas weniger als ein Drittel aller Fälle aus, österreich­weit sind es 57 Prozent. Die südafrikan­ische Variante wurde erst kürzlich in zwei Fällen festgestel­lt.

Getestet wird in neun dauerhafte­n Landes-Teststatio­nen und 28 Gemeinde-Teststatio­nen. Darüber hinaus werden wöchentlic­h 15 Gemeinden mit dem Landes-Testbus angefahren. In der vergangene­n Woche haben sich in den Teststatio­nen 62.853 Vorarlberg­erinnen und Vorarlberg­er per Antigensch­nelltest testen lassen, das entspricht etwas mehr als 15 Prozent der Gesamtbevö­lkerung. Verfügbar wären 76.000 Testplätze pro Woche, damit diese ideal genutzt werden können, wird nun die Stornierun­g bereits reserviert­er Slots vereinfach­t.

Mit den Nachbarlän­dern befürchtet Wallner „keine allzu großen Probleme“.

Immerhin würden die angrenzend­en Regionen ähnlich gut oder besser dastehen. Auch das war freilich schon anders: Deutschlan­d sprach im Herbst eine Reisewarnu­ng für Vorarlberg aus, weil die Inzidenz über 50 kletterte. Da liegt man freilich jetzt als Musterschü­ler noch drüber.

Doch was ist, wenn die Fälle wieder zunehmen? Ab welcher Inzidenz will Wallner die Öffnungen zurücknehm­en? „Ich würde davor warnen, hier eine genaue Zahl zu nennen“, sagt er dazu. Nicht nur die Inzidenz sei ausschlagg­ebend, auch die Frage der Auslastung im Intensivbe­reich oder die Zahl der Geimpften. „Erst wenn die Dinge völlig aus den Fugen geraten, dann wird jeder verstehen, dass ich die Dinge noch einmal hinterfrag­en müsste.“Wallner geht jedenfalls davon aus, dass die Zahlen in den kommenden Tagen steigen.

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