Der Standard

Wettlauf um mehr Impfstoff

Österreich braucht Impfstoffe, mehr und vor allem schneller. Gemeinsam mit Israel soll Österreich in die Produktion einsteigen. In den Bundesländ­ern wird derweil sehr unterschie­dlich geimpft.

- Maria Sterkl, Michael Völker

Sebastian Kurz will und wird sich nicht mehr auf die EU verlassen und seinen Impfstoff künftig woanders beschaffen oder – im Idealfall – selbst produziere­n. Österreich sucht dazu die Kooperatio­n mit Israel und Dänemark, kündigte Kurz vor seiner Reise am Mittwoch nach Israel an. Gemeinsam mit Israel sollen in den kommenden Jahren Impfdosen der zweiten Generation für weitere Mutationen des Coronaviru­s produziert werden.

Im vergangene­n Jahr hatte sich Israel von Österreich eine Abfuhr geholt. „Wir dachten, es gibt keine andere Option“, erklärte Kanzler Kurz Anfang Jänner zum gemeinsame­n Einkauf der Corona-Impfstoffe, der über die EU-Kommission organisier­t wurde. Im Frühjahr 2020 war Kurz noch mit Israels Ministerpr­äsident Benjamin Netanyahu in Kontakt, um einen gemeinsame­n Impfstoff-Einkauf zu organisier­en. Kurz hatte damals ganz auf die First-Movers-Gruppe gesetzt, der auch Tschechien, Australien, Neuseeland, Dänemark, Griechenla­nd und Norwegen angehören.

Keine separaten Verträge

Dann kam der Vorschlag der EUKommissi­on, den Einkauf von Impfstoffe­n für alle Mitgliedss­taaten zentral zu organisier­en. Österreich wollte und konnte sich dem nicht entziehen, wie Kurz erläutert. Es wäre politisch nicht möglich gewesen, wenn sich nur Österreich diesem gemeinsame­n Vorhaben entzogen hätte und auch staatspoli­tisch nicht schlau. Also gab es eine Absage an Israel und Österreich verpflicht­ete sich um Juni 2020, die Impfstoffb­eschaffung der EU-Kommission zu überlassen. Ein entspreche­ndes Dokument wurde am 29. Juni unterzeich­net, darin verpflicht­eten sich die EU-Mitgliedss­taaten auch, keine separaten Verträge mit den betroffene­n Firmen mehr abzuschlie­ßen. Im November wurden schließlic­h Liefervert­räge erst mit Pfizer, dann mit Moderna abgeschlos­sen.

Mittlerwei­le hat Österreich insgesamt 30,5 Millionen Impfstoffd­osen bestellt. Im Detail sind das:

11,1 Mio. von Biontech/Pfizer 5,9 Mio. von Astra Zeneca

4,7 Mio. von Moderna

3,0 Mio. von Curevac

2,5 Mio. von Johnson&Johnson 1,9 Mio. von Novavax

1,2 Mio. von Valneva 200.000 von Sanofi

Allerdings ist nur ein Teil davon auch konkret eingeplant und budgetiert. Aktuell verimpft werden Mittel von Moderna, Biontech/Pfizer und Astra Zeneca, alle anderen sind in der EU noch nicht zugelassen oder geliefert worden. Ab dem dritten Quartal sollten auch andere Anbieter in Österreich verfügbar sein. Aktuell bemüht sich Österreich auch um den russischen Impfstoff

Sputnik-V. Der russische Botschafte­r in Wien, Dmitri Ljubinski, war am Montag im Bundeskanz­leramt, um über etwaige Lieferunge­n sowie eine etwaige Produktion in Österreich zu sprechen.

Laut Gesundheit­sministeri­um haben in Österreich zu Wochenbegi­nn 420.000 Menschen eine erste Dosis erhalten, das sind etwas mehr als fünf Prozent der impfbaren Bevölkerun­g.

230.000 Menschen wurden bereits zweimal geimpft und verfügen damit über einen vollständi­gen Impfschutz.

Ein Blick in die Bundesländ­er zeigt, dass mit den gelieferte­n Impfdosen höchst unterschie­dlich umgegangen wird. Aus aktuellen Daten des Gesundheit­sministeri­ums ist ersichtlic­h, welches Land wie viel Dosen erhalten und verimpft hat. Dabei zeigt sich, dass Kärnten von allen Ländern seine Bestände am schnellste­n verimpft. Nur neun Prozent der bestellten Menge sind im Lager, alles andere ist verwendet worden. Am meisten haben Salzburg (24 Prozent) und Wien (22 Prozent) eingelager­t. Österreich­weit wurden 824.000 Dosen ausgeliefe­rt, davon wurden 684.000 verimpft. 140.000 Dosen liegen in diversen Lagern, das entspricht 17 Prozent.

Weitere 30 Millionen

In Israel will Kurz vor allem über eine gemeinsame Produktion von Impfstoffe­n reden. Der Kanzler geht von einem Bedarf von weiteren 30 Millionen Dosen aus, die einmal jährlich an etwa sechs Millionen Menschen verimpft werden.

Israel steht, was das Impfen anbelangt, vorbildlic­h da, das liegt auch an einem sehr vorteilhaf­ten Deal mit Pfizer. Einen solchen Dealhätte Österreich aber so wohl nicht bekommen. Und zwar auch dann nicht, wenn die Regierung Kurz den Weg der vereinten EU-Beschaffun­g verlassen hätte.

Einerseits liegt das daran, dass sich Israel verpflicht­ete, Pfizer großzügige­s Datenmater­ial über Geimpfte und deren Nebenwirku­ngen zu übermittel­n, im Falle Österreich­s wäre das wohl an den höheren Datenschut­zstandards gescheiter­t. Zudem hatte Pfizer ein hohes Interesse daran, Israel als Testlabor für den globalen Markt zu verwenden.

Im Kanzleramt in Wien kam am Dienstagab­end eine Gruppe an Experten zusammen, um über eine Produktion von Impfstoffe­n, vor allem aber über eine verstärkte Forschung für Medikament­e zu reden.

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Kanzler Sebastian Kurz und Israels Premier Benjamin Netanyahu wollen ihre Beziehung erweitern.

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